Genetische Prädispositionen für neuropsychiatrische Erkrankungen bei Suizidtoten ohne vorherige Suizidalität5. Dezember 2025 Genetische Analysen zeigen, dass Suizidfälle ohne frühere Suizidalität andere polygenetische Risikoprofile für neuropsychiatrische Erkrankungen aufweisen als Fälle mit vorheriger Suizidalität. (Bild: © AkuAku/Stock.adobe.com) Eine neue Kohortenstudie untersucht genetische Risikofaktoren für neuropsychiatrische Erkrankungen bei Suizidfällen ohne Hinweise auf vorherige Suizidalität. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Gruppe genetisch andere genetische Prädispositionen aufweist als Suizidfälle mit vorheriger Suizidalität. Hintergrund und Ziele Obwohl Suizidversuche der zuverlässigste Prädikator für Suizid sind, sterben nur wenige Menschen nach einem Suizidversuch tatsächlich durch Suizid (<10 %). Etwa 50 % aller Suizide ereignen sich ohne Hinweise auf vorherige Versuche. Die Risiken in dieser Gruppe sind bislang nur wenig erforscht. Ziel der Studie war die Untersuchung der zugrunde liegenden polygenen Risikofaktoren bei Suizid ohne Hinweise auf vorangegangene nicht-tödliche Suizidalität (SD-N) im Vergleich zu Suizid mit vorangegangener Suizidalität (SD-S). Dabei sollte geprüft werden, ob frühere Ergebnisse, die auf niedrigere klinische Risiken neuropsychiatrischer Merkmale bei SD-N im Vergleich zu SD-S hinwiesen, erweitert werden können. Methoden In dieser Kohortenstudie wurden polygene Scores (PGS) auf Basis von 12 veröffentlichten Studien berechnet und anschließend zwischen den SD-N- und SD-S-Gruppen aus der Utah Suicide Mortality Research Study vergleichen (Fälle zwischen Dezember 1998 und Oktober 2022). Die PGS der Suizidkohorten wurden zudem mit denen einer unselektierten Kontrollgruppe verglichen. Hinweise auf Suizidalität in der Vorgeschichte wurden anhand von Diagnosen und Krankenakten ermittelt. Unterschiede in den PGS für neuropsychiatrische Erkrankungen wurden mittels Kovarianzanalyse untersucht. Dabei wurden Geschlecht, Alter und genetische Abstammung berücksichtigt. Anschließend erfolgten weitere Analysen innerhalb der Geschlechter sowie nach Altersgruppen, definiert durch das Sterbealter (≤ 50 Jahre vs. > 50 Jahre). Die PGS umfassten 12 neuropsychiatrische Erkrankungen. Die Datenanalyse erfolgte zwischen Juli 2024 und Juli 2025. Ergebnisse In der SD-N-Kohorte (n = 1337) gab es signifikant mehr Suizide bei Männern (1105 [82,65 %] vs. 974 [67,95 %]) und ein höheres mittleres Sterbealter (47,5 [18,9] vs. 41,4 [15,6] Jahre) als in der SD-S-Kohorte (n = 1432). Die Kontrollgruppe (n = 19499) wies signifikant weniger Männer (8597 [44,09 %]) auf als beide Suizid-Subgruppen. Die genetische Abstammung war in den SD-N- und SD-S-Gruppen (96,77 % bzw. 96,81 % europäische Abstammung) und der Kontrollgruppe (97,38 % europäische Abstammung) vergleichbar. Der sozioökonomische Status unterschied sich nach Bereinigung um Alter und Geschlecht nicht signifikant zwischen den Suizidkohorten (Berufsrang: SD-N Mittelwert [SD], 57,16 [24,54]; SD-S Mittelwert [SD], 54,72 [25,29]; t = 1,30; p = 0,70; maximaler Bildungsabschluss: SD-N Mittelwert [SD], 2,70 [1,12]; SD-S Mittelwert [SD], 2,67 [1,13]; Fisher-Exakt-Test p = 0,38). Der Vergleich von SD-N mit SD-S ergab signifikant niedrigere PGS-Werte (Falsch-Entdeckungsrate p < 0,05) in der SD-N-Gruppe für: schwere depressive Störungen (adjustierte mittlere Differenz: 0,085 [95 %-KI: 0,018–0,152]; p = 0,01) depressive Verstimmung (adjustierte mittlere Differenz: 0,081 [95 %-KI: 0,012–0,149]; p = 0,02), Angstzustände (adjustierte mittlere Differenz: 0,091 [95 %-KI: 0,021–0,161]; p = 0,01) Neurotizismus (adjustierte mittlere Differenz: 0,102 [95 %-KI: 0,033–0,171]; p = 0,004) Alzheimer-Krankheit (adjustierte mittlere Differenz: 0,090). [95% KI, 0,021-0,1658]; p = 0,01) und niedrigere PGS-Werte (falsche Entdeckungsrate p < 0,10) PGS in SD-N für posttraumatische Belastungsstörung (adjustierte mittlere Differenz, 0,070 [95% KI, 0,001-0,139]; p = 0,04). Es ist anzumerken, dass sich die SD-N-PGS hinsichtlich depressiver Verstimmung (adjustierte mittlere Differenz: 0,037 [95 %-KI: −0,019 bis 0,093]), Neurotizismus (adjustierte mittlere Differenz: −0,001 [95 %-KI: −0,057 bis 0,055]) und Alzheimer-Krankheit (adjustierte mittlere Differenz: −0,027 [95 %-KI: −0,083 bis 0,029]) nicht signifikant von der Kontrollgruppe unterschieden. Diskussion In dieser Kohortenstudie zeigte sich in der SD-N- im Vergleich zur SD-S-Gruppe eine signifikant niedrigere genetische Prädisposition für neuropsychiatrische Erkrankungen. Die Ergebnisse sind den Autoren zufolge relevant für die zukünftige Suizidforschung und -prävention bei Personen mit erhöhtem Mortalitätsrisiko. (lj/BIERMANN) Außerdem interessant zu dem Thema: Reduziertes Vertrauen in Körpersignale als Risikomarker für suizidale Gedanken Bessere Versorgung nach Suizidversuch soll Rückfälle verhindern
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