Gestaltung des Darmmikrobioms: Mehr als nur Ernährung

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Neue Forschungsergebnisse von Mitarbeitern des Charles Perkins Center an der Universität Sydney (Australien) zeigen, dass Gene eine aktive Rolle bei der Gestaltung des Darmmikrobioms spielen. Dies stellt die Vorstellung infrage, dass die Darmgesundheit nur von der Ernährung beeinflusst wird.

„Nach Jahrzehnten der Forschung, die das Darmmikrobiom mit fast jeder chronischen Krankheit in Verbindung bringt, könnte man meinen, dass wir gewissermaßen Geiseln all der Bakterien in unserem Körper sind“, formuliert Dr. Stewart Masson vom Charles Perkins Centre, Erstautor der neuen Studie, die im „EMBO Journal“ erschienen ist. „Obwohl Darmmikroben sicherlich alles von Diabetes bis Depression beeinflussen, hat diese Studie gezeigt, dass unser Körper nicht nur ein passiver Wirt ist.“

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Mäuse mit bestimmten Genen natürliche Peptide – Alpha-Defensine, die auch beim Menschen vorkommen – produzieren. Sie fungieren als eine Art Gärtner des Mikrobioms und bestimmen darüber, welche Darmbakterien gedeihen, und merzen unerwünschte Bakterien aus. Die Tiere in dem beschriebenen Modell, die Alpha-Defensine aufwiesen, besaßen ein gesünderes Mikrobiom und entwickelten deutlich seltener eine Insulinresistenz.

Prof. David James, stellvertretender akademischer Direktor des Charles Perkins Centre, erklärt: „Unsere Arbeit legt nahe, dass unsere DNA aktiv an der Gestaltung eines gesunden Darmmikrobioms mitwirkt.“ Die mikrobiologisch prägenden Peptide könnten seiner Auffassung nach eines Tages zu einer neuen Waffe gegen Adipositas und Diabetes werden.

Insulinresistenz, chronische Erkrankungen, Ernährung: Gene spielen wichtig Rolle

Die Forschenden hatten ursprünglich die genetischen Einflüsse der Insulinresistenz bei Mäusen untersucht. Dabei stellten sie fest, dass bestimmte Tiere, die weniger anfällig für die Erkrankung waren, Gene besaßen, die die Produktion von Defensin-Peptiden in den Zellen der Darmschleimhaut veränderten. „Defensin-Peptide kommen in einer Vielzahl von Organismen vor – von Pflanzen über Mäuse bis hin zum Menschen – und gelten als früheste Vorstufe eines Immunsystems“, erläutert Masson. Mäuse und Menschen scheinen viele Abwehrgene entwickelt zu haben, von denen jedes ein anderes Peptid produziert. Man geht davon aus, dass diese Vielfalt es dem menschlichen Immunsystem ermöglicht, eine Vielzahl von Angreifern abzuwehren.

Die Arbeitsgruppe stellte fest, dass Mäuse, die aufgrund ihrer genetischen Prädisposition mehr Alpha-Defensine produzierten, gesünder waren als Mäuse mit weniger Alpha-Defensinen.

Schutz vor schädlichen Auswirkungen ungesunder Ernährung

Um diese Ergebnisse zu überprüfen, synthetisierten die Forschenden die Defensinpeptide im Labor und verfütterten sie an Mäuse ohne die Gene. Die Experimente ergaben, dass dies die Mäuse vor den negativen Auswirkungen einer ungesunden Ernährung schützte.

„Diese ersten Ergebnisse sind spannend, weil sie zeigen, dass wir Peptide potenziell zur Behandlung chronischer Krankheiten wie Diabetes, Adipositas und Depression einsetzen können – all diese Krankheiten sind über Jahrzehnte der Forschung mit der Gesundheit unseres Mikrobioms in Verbindung gebracht worden“, erklärt Masson. Entscheidend ist, dass Mäuse mit einer bestimmten genetischen Grundvoraussetzung von den Abwehrpeptiden profitierten, während dies bei anderen nicht nur nicht der Fall war – es ging ihnen sogar schlechter. „Dies zeigt, wie wichtig personalisierte Medizin ist, also die maßgeschneiderte Behandlung, die die Genetik des Einzelnen mit berücksichtigt, anstatt einen einheitlichen Ansatz für Medikamente zu verfolgen“, erklärt Masson. „Wir müssen herausfinden, wie verschiedene Individuen und Mikrobiome auf dieselben Behandlungen reagieren, seien es Defensinpeptide oder bereits existierende und verwendete Medikamente.“

Wie können nützliche Bakterien die Gesundheit fördern?

Laut Masson möchte das Team seine Forschung nun ausweiten und untersuchen, wie sie sich auf die menschliche Gesundheit anwenden lässt: „Wir wollen diese Peptide beim Menschen messen, insbesondere im Darm, und den Zusammenhang mit der Stoffwechselgesundheit und dem Mikrobiom untersuchen.“

„Unsere Arbeit zeigt deutlich, wie die Manipulation des Darmmikrobioms mit diesen Peptiden einigen Menschen nützt, anderen jedoch nicht“, sagte er. „Dies unterstreicht sowohl das Potenzial der Präzisionsmedizin als auch die potenziellen Gefahren, die mit dem Versuch verbunden sind, das Darmmikrobiom zu verändern – beispielsweise durch Nahrungsergänzungsmittel oder sogar Mode-Diäten, bevor wir mehr darüber wissen, wie unser Körper ein gesundes, für jeden von uns einzigartiges Mikrobiom aufrechterhält. Wir stehen am Anfang der Präzisionsmedizin, und die Aussichten sind vielversprechend, aber es ist noch ein langer Weg.“