Gestörte Verdauung innerhalb von Darmepithelzellen fördert Entzündung28. September 2018 Organoide, hier mit 400facher Vergrößerung unter dem Mikroskop, funktionieren teilweise wie ein echter Darm. Der Mini-Darm für die Forschung wird aus Stammzellen im Labor hergestellt. (Foto: © Konrad Aden/IKMB) Wissenschaftler des Exzellenzclusters Entzündungsforschung haben in einer neuen Studie einen Ansatzpunkt für die personalisierte Therapie beim Morbus Crohn gefunden. 20 Prozent aller Patienten mit der chronisch-entzündlichen Darmkrankheit Morbus Crohn haben eine Veränderung an dem Gen ATG16L1. Das Gen ist am Autophagieapparat beteiligt, der eine Art Verdauungsmechanismus innerhalb von Zellen darstellt. Was diese Genveränderung im Detail bewirkt, wird schon seit längerem im Exzellenzcluster Entzündungsforschung untersucht. Jetzt hat ein Team um Cluster-Vorstandsmitglied Prof. Philip Rosenstiel und Dr. Konrad Aden vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Universität Kiel und der Klinik für Innere Medizin I am UKSH Campus Kiel eine Entdeckung gemacht, die für das Verständnis der Krankheitsentstehung und vor allem auch für die zukünftige Therapie der Betroffenen von Bedeutung ist. Ausgangspunkt der Studie ist ein neuer Therapieansatz für Menschen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Mit dem Ziel, die durch die Entzündung geschädigte Darmschleimhaut zu heilen, befindet sich derzeit der Botenstoff Interleukin 22 in klinischen Studien. „Interleukin 22 gehört zu den Botenstoffen, die die Regeneration der Darmschleimhaut fördern. Es gab Hinweise, dass die Darmschleimhaut durch den Botenstoff vor bestimmten Stressreaktionen geschützt ist. Das Prinzip ist in ersten Phasen klinischer Erprobung“, berichtet Cluster-Sprecher Prof. Stefan Schreiber, Direktor der Klinik Innere Medizin I am UKSH Kiel. ATG16L1 als Risikogen für Morbus Crohn ist genau bei dieser Art von Zellstress beteiligt, der Verlust der Funktion des Gens führt zu vermindertem Abbau von gealterten Proteinen und damit zu einer vermehrten Entzündung. „Wir haben uns vor diesem Hintergrund die Frage gestellt, welchen Einfluss hat die korrekte Funktion des ATG16L1-Gens? Kann man Patienten möglicherweise mit IL-22 schützen?“, so Schreiber. Das war die zentrale Fragestellung, die an Darmepithelzellen untersucht wurde. Das überraschende Ergebnis war, so Erstautor Aden: „Grundsätzlich regt Interleukin 22 das Zellwachstum an und fördert die Regeneration der Darmschleimhaut. Bei Knock-out-Mäusen, die im Darmepithel kein funktionierendes ATG16L1 produzieren, passiert aber genau das Gegenteil. In diesem Fall treibt Interleukin 22 die Zellen in eine Stressreaktion und einen paradoxen Zelltod.“ Die gewünschte Schutzfunktion von Interleukin 22 verwandelt sich bei Vorliegen der Genveränderung also in eine pro-entzündliche Wirkung. Zwar wurde in der Studie nicht explizit geprüft, ob die Umkehr der Interleukin 22 Wirkung auch für Patienten mit der entsprechenden Genveränderung zutrifft. Einiges deutet aber daraufhin. „Dieser Befund hilft zunächst dabei, die komplexen Veränderungen des Barriereorgans Darm bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu verstehen. IL-22 ist neben der reinen Regeneration auch an zellulären Programmen beteiligt, die körpereigene Antibiotika und damit die Darmflora steuern. Gerade dieses Wechselspiel ist bei den Krankheiten gestört. Wir müssen dies nun beim Menschen sorgfältig untersuchen, denn möglicherweise eröffnet sich dadurch ein Ansatz, gezielter zu behandeln“, sagt Rosenstiel. Viele der Untersuchungen erfolgten an intestinalen Organoiden. Aden: „Diese Organoide sind viel näher an der Physiologie der jeweiligen Krankheit als eine Zellkultur. Zudem sind sie etwas sehr Individuelles. Wir erwarten, dass diese in-vitro-Technik zukünftig auch dafür genutzt wird, um die individuelle Wirksamkeit von Behandlungen vorab zu testen und damit Erkrankten unnötige Therapien zu ersparen.“ Der Exzellenzcluster „Inflammation at Interfaces/Entzündungsforschung“ wird seit 2007 durch die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder mit einem Gesamtbudget von 68 Millionen Euro gefördert; derzeit befindet er sich in der zweiten Förderphase. Die rund 300 Clustermitglieder an den insgesamt vier Standorten: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule), Lübeck (Universität zu Lübeck, UKSH), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel – Leibniz-Zentrum für Medizin und Biowissenschaften) forschen in einem innovativen, systemischen Ansatz an dem Phänomen Entzündung, das alle Barriereorgane wie Darm, Lunge und Haut befallen kann.
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