Gesundheitsrisiko durch Mikro- und Nanoplastik in Lebensmitteln: Wiener Forschende haben aktuellen Kenntnisstand zusammengefasst24. März 2022 Foto: © Microgen/stock.adobe.com Fünf Gramm winzige Plastikteilchen gelangen durchschnittlich pro Kopf und Woche in den menschlichen Gastrointestinaltrakt. Das entspricht etwa dem Gewicht einer Kreditkarte. Ob von den aufgenommenen Mikro- und Nanokunststoffen ein Gesundheitsrisiko ausgeht, wird untersucht, ist aber bisher weitgehend unbekannt. Ein Forschungsteam der Medizinischen Universität (MedUni) Wien (Österreich) hat nun den aktuellen Stand der Wissenschaft zusammengefasst. Im Zentrum der medizinischen Forschung zur Thematik steht das Verdauungssystem, wo Mikro- und Nanoplastikpartikel (MNP) im Gewebe nachgewiesen werden können. Experimentelle Studien weisen darauf hin, dass MNP, die über den Gastrointestinaltrakt aufgenommen werden, zu Veränderungen in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms führen. Diese Veränderungen werden mit der Entstehung von Stoffwechselerkrankungen assoziiert, wie das Forschungsteam um Dr. Elisabeth Gruber und Univ.-Prof. Lukas Kenner in dem aktuellen Übersichtsartikel betont. Gruber ist Fachärztin an der Klinischen Abteilung für Viszeralchirurgie der Universitätsklinik für Allgemeinchirurgie der MedUni Wien, Kenner ist stellvertretender Direktor des Klinischen Institutes für Pathologie an der Medizinischen Universität Wien sowie Leiter der Abteilung Labortierpathologie an der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Neben den Auswirkungen auf das Darmmikrobiom haben Wissenschaftler außerdem spezielle molekulare Mechanismen beschrieben, die die Aufnahme von MNP in das Darmgewebe erleichtern. Mittels spezifischer Analysen wurde gezeigt, dass MNP im Gastrointestinaltrakt unter bestimmten physikochemischen Gegebenheiten vermehrt in das Gewebe aufgenommen werden und Mechanismen aktivieren könnten, die an lokalen Entzündungs- und Immunreaktionen mitwirken. Insbesondere die winzig kleinen Nanokunststoffe werden mit biochemischen Vorgängen in Verbindung gebracht, die entscheidend an der Krebsentstehung beteiligt sind. Plastikpartikel auch im Trinkwasser Nanoplastik wird mit einer Größe von unter 0,001 Millimeter definiert, Mikroplastik ist mit 0,001 bis 5 Millimeter teilweise noch mit bloßem Auge sichtbar. In die Nahrungskette gelangen MNP unter anderem aus Verpackungsabfall. In den Körper werden die Plastikteilchen nicht nur über Lebensmittel wie insbesondere Meereslebewesen oder Meersalz geschleust, auch das Trinken spielt dabei eine Rolle. Wer die empfohlenen 1,5 bis zwei Liter Wasser pro Tag aus Plastikflaschen trinkt, nimmt einer Studie zufolge allein auf diese Weise rund 90.000 Plastikpartikel pro Jahr zu sich. Wer jedoch zu Leitungswasser greift, kann – je nach geografischer Lage – die aufgenommene Menge auf 40.000 reduzieren. Außerdem haben Forschende eine weit verbreitete Kontamination von Mineralwasser mit Xenohormonen nachgewiesen, die aus PET-Flaschen (Polyethylenterephthalat) ausgewaschen werden. Xenohormone weisen eine starke östrogene Aktivität auf, die im Körper krebserregend wirken kann. Die potenziellen negativen Folgen von Plastikpartikeln für die Gesundheit könnten insbesondere bei Menschen mit chronischen Erkrankungen zu Tragen kommen, sagt Kenner: „Ein gesunder Darm kann das Gesundheitsrisiko eher abwehren. Aber lokale Veränderungen im Magen-Darmtrakt, wie sie bei chronischen Erkrankungen oder auch negativem Stress vorliegen, könnten für die schädlichen Auswirkungen von MNP anfällig machen.“
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