Hautdehnung ermöglicht nadelfreie Vakzingabe bei Mäusen

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Die mechanische Dehnung der Haut von Mäusen stimuliert deren Immunzellen und erleichtert so die Aufnahme großer Moleküle und Impfstoffe.

In der in „Cell Reports“ veröffentlichten Arbeit berichtet eine internationale Arbeitsgruppe, dass die Kombination aus topischer Vakzinapplikation und Hautdehnung in Mausmodellen zu einer wirksameren Immunisierung führte als die subkutane Injektion. „Man sollte sehr genau darauf achten, was man auf die Haut aufträgt“, betont die Letztautorin und Immunologin Elodie Segura aus Paris (Frankreich). „Wir haben gezeigt, dass dieser Weg für die Verabreichung von Impfstoffen genutzt werden kann, aber ebenso könnten toxische Substanzen eindringen oder entzündliche beziehungsweise allergische Reaktionen ausgelöst werden.“

Verletzungsrezeptoren in der Haut aktivieren die Immunantwort. Andere Rezeptoren registrieren Dehnung, etwa bei Massage oder beim Einreiben von Hautpflegeprodukten, wobei bislang unklar war, ob Dehnung ohne Gewebeschädigung ebenfalls immunologisch wirksam ist.

Erhöhte Permeabilität durch Dehnung

Zur Untersuchung setzten die Forschenden ein Gerät ein, das durch Sog die Haut dehnt. Eine zwanzigminütige Anwendung erhöhte vorübergehend die Permeabilität von Maus- und auch menschlicher Haut für fluoreszenzmarkierte Makromoleküle, indem sie die Kollagenfasern umstrukturierte und Haarfollikel öffnete. Nach etwa 15 Minuten stellte sich die normale Barrierefunktion wieder ein.

Darüber hinaus aktivierte die Hautdehnung eine lokale Immunantwort. In Mausmodellen war 24 Stunden nach Anwendung die Zahl der Immunzellen in der Haut deutlich erhöht, was auf eine Migration von Immunzellen hinweist. Zudem zeigten Genexpressionsanalysen Veränderungen bei mehr als 1000 Genen, darunter mehrere Zytokin-codierende Gene. „Es war überraschend – ich hätte nicht erwartet, dass allein durch Dehnen der Haut so viele entzündliche Mediatoren gebildet werden“, so Segura.

Hautdehnung wirkt immunstimulierend

Um den möglichen Einsatz zur nadelfreien Immunisierung zu prüfen, verabreichten die Forschenden ein topisches Grippevakzin kombiniert mit Hautdehnung. Fluoreszenzanalysen belegten eine langsame, kontrollierte Abgabe des Antigens ins Blut sowie eine Anreicherung in drainierenden Lymphknoten, den zentralen Orten der Immunantwort. Verglichen mit der intramuskulären Applikation resultierte die Methode in höheren Antikörperspiegeln gegen das H1N1-Antigen. Die Ergänzung eines Adjuvans verstärkte die Immunantwort nicht weiter, was darauf hinweist, dass die Hautdehnung allein bereits ausreichend immunstimulierend wirkt.

„Allein das Dehnen der Haut war effektiver als die Injektion desselben Impfstoffs mit einer Nadel – das zeigt die praktische Bedeutung dieser Form der Immunaktivierung“, erklärt Stuart Jones vom King’s College London (Vereinigtes Königreich). Der alternative Zugangsweg könne potenziell nicht nur für Vakzine, sondern auch für Zelltherapien oder diagnostische Verfahren genutzt werden.

Übertragbarkeit auf Menschen noch offen

Da die Untersuchungen überwiegend an Mäusen durchgeführt wurden, bleibt die Frage offen, inwieweit Hautdehnung beim Menschen ein ähnliches Ausmaß an Immunaktivierung bewirkt und ob sie unerwünschte Immunreaktionen oder Allergien induzieren könnte. „Die menschliche Haut ist normalerweise deutlich weniger permeabel als die Maushaut, da sie über eine dickere Hornschicht verfügt. In diesem Fall war die Permeabilität jedoch vergleichbar, weil die Aufnahme über Haarfollikel erfolgte, nicht durch die Epidermis“, so Jones. „Damit liegt eine solide Grundlage für eine Translation der Ergebnisse in den Menschen vor.“ (ins)