Herzregister hofft auf Rettung in letzter Sekunde

Die neue NRAHF-Direktorin Constanze Pfitzer warnt vor dem Aus für die Forschung mit dem Nationalen Register für angeborene Herzfehler. (Foto: ©Sarah Paff/DHZC)

Seit 1. September 2025 ist PD Dr. Constanze Pfitzer wissenschaftliche Direktorin des Nationalen Registers für angeborene Herzfehler (NRAHF) am Kompetenznetz Angeborene Herzfehler. Sie appelliert an die Politik, die finanzielle Förderung des Registers nicht einzustellen.

Seit vielen Jahren forscht Constanze Pfitzer mit den Daten des NRAHF. Zum 1. September 2025 hat die Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin vom Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) die wissenschaftliche Leitung des Registers und des Kompetenznetzes übernommen. Die habilitierte Medizinerin hat sich den Ausbau der multizentrischen und interdisziplinären Forschung mit einer der weltgrößten Daten- und Biobanken für die Erforschung angeborener Herzfehler zur Aufgabe gemacht.

Steigende Zahl von Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern

Mit dem medizinischen Fortschritt erreichen heutzutage immer Kinder mit angeborenem Herzfehler auch das Erwachsenenalter. Um etwa fünf Prozent jährlich steigt die Zahl der betroffenen Erwachsenen. Das stellt Medizin und Gesundheitswesen zugleich vor neue Herausforderungen: „Wir haben es mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Diagnosen zu tun. Vorsorge, Früherkennung und Behandlung müssen mit der gestiegenen Lebenserwartung der Patientinnen und Patienten Schritt halten können“, erklärt die neue NRAHF-Direktorin.

Noch gebe es viele Fragezeichen zu Ursachen und Langzeitfolgen angeborener Herzfehler. „Dafür wird die Langzeitforschung mit dem NRAHF dringend gebraucht. Der rasche Transfer von Erkenntnissen in die Praxis ist dabei wesentlich. Und der könnte mit den neuen digitalen Technologien noch erheblich beschleunigt werden.“ Dafür setzt die Ärztin auf die weitere Digitalisierung des Registers. Ein erstes Pilotprojekt zur KI-gestützten Datenerfassung läuft bereits – gefördert von einer privaten Stiftung.

Medizinische Register brauchen gesicherte Finanzierung

Die große Daten- und Probensammlung des Registers wird von Wissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen seit vielen Jahren zur Beantwortung relevanter Forschungsfragen genutzt. Viel davon sei bereits in Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften eingeflossen, hebt das NRAHF hervor.

Die Kosten für den Unterhalt und die Weiterentwicklung des Register beziffert das NRAHF mit rund einer Million jährlich, unter anderem begründet in dem aufwändigen und streng regulierten Management der treuhänderisch verwalteten Daten und Proben von mehr als 60.000 freiwilligen Spendern. „Die langjährige staatliche Förderung durch das Bundesforschungsministerium hat dies bis zum vergangenen Jahresende maßgeblich mit ermöglicht“, betont Pfitzer.

Doch dann sei die vorgesehene langfristige finanzielle Sicherung plötzlich gescheitert. Die geplante Anbindung des Registers an eine staatlich geförderte Forschungsinstitution kam nicht zustande (wir berichteten). Damit ist die Zukunft der Forschung mit der Schlüsselressource derzeit ungewiss.

Ende der Forschung ist keine Option

„Uns droht ein dramatischer Rückschlag. Ohne gesicherte Finanzierung ist ab 2026 keine registerbasierte Forschung mehr möglich“, sagt Pfitzer. „Ein Ende dieser Forschung wäre für uns nicht hinnehmbar. Nicht zuletzt für die vielen Freiwilligen, die uns ihre Daten und Proben anvertrauen, wäre das Aus des Registers mehr als bitter. Sie tun das in der berechtigten Hoffnung auf eine verbesserte Versorgung und Lebensqualität bis ins hohe Erwachsenenalter, auch für künftige Generationen“, verdeutlicht die Wissenschaftlerin und Ärztin.

Der Förderstopp sorgt für Unmut auch unter den Patientinnen und Patienten. „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, sagt Christina Pack. Die 45-jährige Juristin ist selbst betroffen und steht der Selbsthilfeorganisation Jugendlicher und Erwachsener mit angeborenem Herzfehler (JEMAH) vor.

Wie die insgesamt rund 9000 Online- und Offline-Unterzeichnenden der von JEMAH im Verbund des Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler gemeinsam mit den kardiologischen Fachgesellschaften und der kinderherzen Fördergemeinschaft Deutsche Herzzentren initiierten Bundestagspetition „Jedes Herz zählt“ hofft sie auf Aufklärung und auf Vernunft. „Vielen scheint nicht klar zu sein, was das Nationale Register seit Jahrzehnten für uns und die Gesellschaft leistet.“

Hoffen auf Rettung in letzter Sekunde

Noch gibt man am NRAHF die Hoffnung auf Rettung in letzter Sekunde nicht auf. Ein erneuter Antrag auf Weiterförderung wurde laut NRAHF beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gestellt. „Wir hoffen auf baldige positive Rückmeldung, und darauf, dass der erforderliche Ausbau der digitalen Strukturen in Deutschland auch für die datensensiblen medizinischen Registern zügig vorangetrieben werden kann“, sagt NRAHF-Vorstandsvorsitzender Prof. Anselm Uebing.

Ein dafür noch unter der Regierung von Angela Merkel für das BMG erstellte Gutachten listet das NRAHF unter den Best-Practice-Registern. Nach Ansicht des NRAHF war schon damals klar: Für die Erforschung von neuen Therapien und zur Verbesserung und Überprüfung bereits etablierter Behandlungsverfahren sind Register wie das NRAHF unverzichtbar. „Jede Therapieverbesserung erhöht die Chance auf ein langes Leben bei guter Lebensqualität und entlastet am Ende unser Gesundheits- und Sozialsystem“, betont der Kieler Kinderkardiologe.