Hirn-Computer-Schnittstelle für Patient mit Querschnittslähmung

In einer fünfstündigen Operation hat ein Team des TUM Klinikums einem 25-Jährigen eine Hirn-Computer-Schnittstelle eingesetzt. (Bild: © Julia Bergmeister/ TUM Klinikum)

Ein Team des Universitätsklinikums der Technischen Universität München implantierte erstmals in Europa eine Hirn-Computer-Schnittstelle bei einem Patienten mit Querschnittslähmung. Ziel der Forschung ist, Bewegungsabsichten direkt aus Hirnsignalen zu decodieren und Betroffenen mehr Unabhängigkeit zu ermöglichen.

Forschende aus München haben erstmals in Europa einem Patienten mit Querschnittslähmung eine Hirn-Computer-Schnittstelle implantiert. Der Eingriff dauerte über fünf Stunden und markiert einen wichtigen Schritt in der translationalen Neurotechnologie. Die Schnittstelle soll künftig ermöglichen, Bewegungen wie die Steuerung eines Smartphones oder eines robotischen Arms allein über Gedanken auszuführen.

Michael Mehringer, 25, erlitt mit 16 Jahren einen schweren Motorradunfall und ist seitdem vom Hals abwärts gelähmt. Auf die Studie „Künstliche Intelligenz für Neurodefizite“ wurde er über einen Zeitungsartikel aufmerksam. „Ich bin immer positiv. Ich habe immer viel Hoffnung. Das ist mein Antrieb“, betont Mehringer. „Ich bin stolz, dass ich mithelfen kann, die Forschung voranzubringen.“

Individuelle Hirn-Computer-Schnittstelle

Die Neurochirurgen setzten eine individuell angefertigte Schnittstelle mit 256 Mikroelektroden ein. Diese Elektroden erfassen Signale aus dem Gehirnareal, das für die Planung und Ausführung komplexer Greifbewegungen zuständig ist. Prof. Bernhard Meyer, Direktor der Klinik für Neurochirurgie, erklärt: „Die größte Herausforderung bestand darin, die Elektroden sehr genau zu implantieren. Nur so können exakte Ableitungen gewonnen und Hirnsignale präzise gemessen werden.“

„Mit der Operation wurde erstmals in Europa eine Hirn-Computer-Schnittstelle bei Querschnittslähmung eingesetzt“, ergänzt Simon Jacob, Professor für Translationale Neurotechnologie. Bereits 2022 hatte das Team einer Schlaganfallpatientin eine solche Schnittstelle implantiert, um Sprachverarbeitungsprozesse in der gesunden rechten Hirnhälfte zu kartieren.

„Mit der Operation wurde erstmals in Europa eine Hirn-Computer-Schnittstelle bei einer Querschnittslähmung eingesetzt“, berichtet Simon Jacob, Professor für Translationale Neurotechnologie. „Wir sind stolz, die erste akademische Einrichtung in ganz Europa zu sein, die inzwischen schon zwei Hirn-Computer-Schnittstellen implantiert hat.“ Bereits 2022 hatte das Team einer Schlaganfallpatientin mit Sprachstörung eine solche Schnittstelle eingesetzt. Mit deren Hilfe wurde seitdem zunächst die Sprachverarbeitung in der gesunden rechten Hirnhälfte kartiert.

Decodierung neuronaler Signale

Nach der Operation beginnen die eigentlichen Forschungsarbeiten. Mehringer trifft sich zweimal wöchentlich mit dem Team, um die Schnittstelle über einen Messkopf an einen Computer anzuschließen. Das System extrahiert aus den übertragenen Signalen Nervenzellaktivität. Diese Daten nutzen die Forschenden, um KI-Algorithmen so zu trainieren, dass sie den Zusammenhang zwischen den neuronalen Signalen und der Bewegung, die Michael Mehringer ausführen will, erkennen.

Zunächst sollen decodierten Hirnsignale genutzt werden, um einen Cursor auf einem Bildschirm und ein Mausklick-Signal zu kontrollieren. Langfristig soll die Steuerung eines robotischen Arms möglich werden, um Gegenstände zu greifen. Dr. Melissa Zavaglia vom Munich Institute for Robotics and Machine Intelligence erläutert: „Anstatt von Menschen zu erwarten, dass sie sich anpassen und den Umgang mit Robotersystemen erlernen, liegt unser Schwerpunkt darauf, Systeme zu entwickeln, die menschliche Absichten erkennen.“ Ein erster Erfolg nach einigen Wochen Training: Wenn Mehringer auf einem Bildschirm die Bewegungen eines Cursors beobachtet und in Gedanken nachahmt, können die Forschenden aus den neuronalen Daten ablesen, welche Bewegungen er sich vorstellt.

Weitere Teilnehmer für Studie gesucht

Für die Studie suchen die Forschenden weitere junge Erwachsene aus dem Raum München mit hoher Querschnittslähmung, zum Beispiel nach Bade- oder Verkehrsunfällen. Prof. Jacob: „Wir suchen Menschen mit Pioniergeist und einer positiven Lebenseinstellung. Für unsere Studienteilnehmer ist wichtig zu verstehen, dass sie an Forschung teilnehmen, nicht an Heilung. Forschung ist nicht so planbar wie eine Kopfschmerztablette zu schlucken, die seit unzähligen Jahren entwickelt und erprobt ist.“