Hohe Studierendenzufriedenheit und bessere Prüfungsergebnisse: Ulmer Studie untersucht voll digitalisiertes Lehrformat im Medizinstudium9. August 2022 Vergleich traditionelles Lehrformat (l.) mit dem „Inverted Classroom“-Konzept (r.). (Illustration: © Susanne Kühl) Die COVID-19-Pandemie hat die Digitalisierung der Lehre auch an Hochschulen massiv vorangetrieben. An der Universität Ulm wurde nun für ein Biochemie-Seminar aus dem Medizinstudium untersucht, ob voll digitalisierte Lehrveranstaltungen im Hinblick auf die Studierendenzufriedenheit und den Lernerfolg ein guter Ersatz sind oder eben nicht. Für die Untersuchung wurde ein „Inverted Classroom“-Konzept in kürzester Zeit in ein komplett online-basiertes Lehrformat umgewandelt. Der Vergleich zeigte: Bei einer gleich hohen Studierendenzufriedenheit schnitten die Studierenden nach dem voll digitalisierten Seminar in der Prüfung sogar besser ab als nach der ursprünglichen Lehrveranstaltung im „Inverted Classroom“-Format. „Inverted“-Konzepte stellen die traditionelle universitäre Lehre sozusagen auf den Kopf. Anstatt des klassischen Frontalunterrichts, wie er aus der Vorlesung bekannt ist, gibt es im „Inverted Classroom” eine vorangeschaltete Selbstlernphase. „Die Studierenden eignen sich das Basiswissen in Eigenarbeit an, und dieses Wissen wird dann in der Präsenzphase im Austausch mit anderen Studierenden und den Dozierenden trainiert beziehungsweise vertieft. So gewinnt man in der Präsenzphase Freiräume, in denen der Lernstoff vertieft werden kann“, erklärt PD Dr. Susanne Kühl, Gruppenleiterin am Institut für Biochemie und Molekulare Biologie der Universität Ulm. In der von ihr geleiteten Studie hat ihr Team untersucht, wie ein voll digitalisiertes Unterrichtsformat im Vergleich zum „Inverted Classroom“ abschneidet. Untersucht wurde im Rahmen der medizinischen Promotion von Lena Dahmen ein Biochemie-Seminar für Studierende der Humanmedizin im zweiten Semester. Dabei verglich man das „Inverted Classroom“-Konzept aus dem Sommersemester 2019 mit einer voll digitalisierten Nachfolgeveranstaltung aus dem coronabedingten Online-Semester im Sommer 2020. Bei der Veranstaltung mit dem Titel „Vom Gen zum Protein“ ging es einerseits um die Vermittlung fachlicher Grundlagen aus der Proteinbiochemie, andererseits um die Aneignung von Kommunikationskompetenzen. Die Studierenden müssen dafür grundlegende biochemische Prozesse verstehen lernen und diese mit entsprechenden Krankheiten in Verbindung bringen können. Außerdem trainieren sie unter anderem, wie man wissenschaftliche Diskussionen und Arzt-Angehörigen-Gespräche führt. Die Lehrmittel, die in beiden Formaten zur Anwendung kamen, sind vielfältig. Dazu gehören Lehrfilme, einführende Buchkapitel, Arbeitsblätter oder Quiz-Aufgaben. Bei der Veranstaltung im Sommersemester 2019 war es möglich, den Lehrstoff an der Universität zu vertiefen und dabei mündliche Prüfungen und ärztliche Gespräche im Präsenzunterricht zu trainieren. Zudem konnten Gruppenarbeiten durchgeführt werden. Ein Jahr später mussten alle Seminarinhalte digitalisiert und das Arzt-Angehörigen-Gespräch im Tele-Format simuliert werden. Im direkten Vergleich zwischen beiden digitalen Lehrformaten zeigte sich, dass die Studierendenzufriedenheit, die bereits beim ursprünglichen „Inverted Classroom“ sehr hoch war, bei der voll digitalisierten Nachfolgevariante keinesfalls niedriger war. Ermittelt wurde diese über die regulären Fragebögen zur Lehrevaluation der Medizinischen Fakultät, die in den digitalen Semestern um spezifische Fragen zur Online-Lehre erweitert wurden. Was die Dozentin und ihr Team überraschte, waren die Ergebnisse zum Lernerfolg. Dieser war bei der Veranstaltung aus dem Pandemie-Semester sogar noch höher. Bei gleichem Vorwissen schnitten die Teilnehmenden im Sommersemester 2020 in der schriftlichen Prüfung signifikant besser ab. „Dieses Ergebnis deckt sich mit den Resultaten anderer Studien zur Online-Lehre an Hochschulen, aber auch zum Online-Unterricht an Schulen. Es zeigt, dass digitale Lehrveranstaltungen in der Tat ein guter Ersatz sein können“, sagt Kühl. Allerdings dürfe nicht vergessen werden, dass gerade die Präsenzlehre für soziale Kontakte und die Persönlichkeitsentwicklung enorm wichtig seien, merkt die Dozentin an. Kühl, die sowohl das Hochschuldidaktikzertifikat Baden-Württemberg, als auch einen „Master of Medical Education“ erfolgreich erworben hat, erhielt 2018 den Universitätslehrpreis der Universität Ulm. Sie wurde mehrfach von der Fachschaft Medizin sowie von der AG Lehrforschung der Medizinischen Fakultät für ihr Engagement und ihre Forschung im Bereich Lehre ausgezeichnet. Empfehlen lassen sich somit gut durchdachte Lehrkonzepte, in denen sich Präsenz- und Digitalformate abwechseln.
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