Hüftarthrose: Kann Physiotherapie eine OP verzögern oder vermeiden?24. März 2025 Foto: Photographee.eu/stock.adobe.com Trotz schwieriger Datenlage gibt es Hinweise, dass eine physiotherapeutische Behandlung eine Hüftgelenksersatz-Operation hinauszögern und auch Beschwerden wie Schmerzen reduzieren kann, wie eine vom IQWiG beauftragte Studie zeigt. Ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter der Federführung des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck hat im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht, ob bei einer Hüftarthrose die Behandlung mit Physiotherapie eine Operation (mit Gelenkersatz) hinauszögern oder verhindern kann, ob durch Physiotherapie Schmerzen gelindert werden und ob sich die Beweglichkeit oder Lebensqualität verbessert. Die Untersuchungsergebnisse weisen darauf hin, dass eine physiotherapeutische Behandlung eine Operation für einen Hüftgelenksersatz hinauszögern und auch Beschwerden wie Schmerzen reduzieren kann. Wie lange sich ein Gelenkersatz hinauszögern lässt, können die vorhandenen Studien nicht beantworten. Anfrage einer Bürgerin war Ausgangspunkt des ThemenCheck-Berichts Schätzungsweise fünf Prozent der Erwachsenen in Deutschland haben eine Hüftarthrose mit spürbaren Beschwerden. Eine Hüftarthrose trifft vor allem Menschen über 45 Jahre; die Altersgruppe 80 bis 89 Jahre ist am meisten betroffen – Frauen etwas häufiger als Männer.Eine Hüftarthrose wird vor allem mit Bewegung und Physiotherapie (z. B. Übungen zur Stärkung der Oberschenkel- und Hüftmuskulatur) sowie entzündungshemmenden Schmerzmitteln behandelt. Bei starkem Übergewicht wird eine Gewichtsabnahme empfohlen. Schreitet die Hüftarthrose fort und schränkt sie das Alltagsleben stark ein, kommt eine Totalendoprothese (Hüft-TEP) infrage. Die Themenvorschlagende weist auf eine im internationalen Vergleich hohe Anzahl an Gelenkersatzoperationen bei Hüftarthrose in Deutschland hin. Sie befürchtet, dass es eine Überversorgung in diesem Bereich geben könne und fragt, ob insbesondere durch eine frühzeitige Physiotherapie spätere Maßnahmen wie eine Gelenkersatzoperation vermieden oder verzögert werden können. Vor diesem Hintergrund hat das vom IQWiG beauftragte Wissenschaftlerteam aus den verschiedenen Perspektiven eines HTA-Berichts untersucht, ob eine Physiotherapie eine Hüft-TEP bei Patientinnen und Patienten mit Hüftarthrose verzögern oder vermeiden kann.Im Bericht wird auch untersucht, ob bei Betroffenen, die eine Physiotherapie erhalten, Symptome, die für die Indikationsstellung für eine Hüft-TEP relevant sind, seltener auftreten als bei Betroffenen, die keine Physiotherapie erhalten. So könnte indirekt abgeleitet werden, dass möglicherweise auch seltener eine Indikation für eine Hüft-TEP gestellt wird. Hinweise auf positive Effekte, aber einige Fragen bleiben offen Das Studienteam identifizierten 14 Studien zu der Frage, ob bei Betroffenen mit Hüftarthrose eine Hüft-TEP durch Physiotherapie verzögert oder vermieden werden kann oder zumindest die Symptome beeinflusst werden können, aufgrund derer eine Indikationsstellung für eine Operation erfolgt. In diesen Studien wird ein breites Spektrum physiotherapeutischer Interventionen untersucht: von multifunktionellen Übungen zum Training von Kraft, Ausdauer und Beweglichkeit über Patientenschulungen zum Selbstmanagement bis hin zu einer Behandlung mittels regelmäßiger warmer Bäder. Die Autorinnen und Autoren des Berichts verwerteten allerdings aufgrund eines zu hohen Anteils fehlender Daten die Ergebnisse von sieben dieser Studien nicht. Außerdem ist das Verzerrungspotenzial der eingeschlossenen Studien – mit Ausnahme einer Studie – hoch. Auch ist die Interventions- und Nachbeobachtungsdauer, insbesondere bei den im Bericht betrachteten physikalischen Interventionen, teilweise sehr kurz. Das Autorenteam hat zudem eine abgeschlossene Studie mit bisher unveröffentlichten Ergebnissen identifiziert, die gegebenenfalls bedeutsame Ergebnisse zum Endpunkt Hüftgelenkersatz enthält. Die Ergebnisse dieses ThemenCheck-Berichts zum Endpunkt Hüftgelenkersatz sind daher möglicherweise verzerrt. Darüber hinaus laufen aktuell weitere 13 Studien. Möglicherweise lassen sich nach Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Studien die Effekte physiotherapeutischer Interventionen zuverlässiger beurteilen. Trotz der teilweise fehlenden Daten und der geschilderten Mängel der Studien kommen die Autorinnen und Autoren des Berichtes zu dem Schluss, dass physiotherapeutisch angeleitete Übungen zum Training von Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer im Vergleich zu einer Versorgung ohne diese Programme das Risiko für einen Hüftgelenkersatz 2,5 Jahre (2 Studien) beziehungsweise 4,5 Jahre (1 Studie) nach Therapieende reduzieren können.Dabei zeigten sich günstige Effekte vor allem bei einem frühem Therapiebeginn im Krankheitsverlauf. Physiotherapeutisch angeleitete Kräftigungs-, Flexibilitäts- und Ausdauerübungen, für die im Bericht positive Ergebnisse berichtet werden, bilden nur ein kleines Spektrum der physiotherapeutischen Versorgung ab. Zur Beantwortung der Frage, ob Physiotherapie eine Operation verzögern oder vermeiden kann, müssten auch weitere physiotherapeutische Interventionen über einen ausreichend langen Zeitraum untersucht werden. Bei Hüft-TEP Zweitmeinungsverfahren möglich Seit Oktober 2024 können gesetzlich Versicherte, denen der Einsatz einer Total- oder Teilprothese am Hüftgelenk empfohlen wird, entsprechend der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses eine zweite ärztliche Meinung einholen. Die als sogenannte Zweitmeiner tätigen Ärztinnen und Ärzte prüfen, ob die geplante Operation auch aus ihrer Sicht medizinisch notwendig ist. Zudem beraten sie die Versicherten zu möglichen Behandlungsalternativen. Der vorliegende Bericht stellt eine weitere Informationsquelle für eine solche Beratung zu möglichen Behandlungsalternativen dar. Das IQWiG hat eine erweiterte Entscheidungshilfe „Hüftarthrose: Künstliches Hüftgelenk – ja oder nein?“ erstellt. Diese fasst die wichtigsten Vor- und Nachteile der verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten übersichtlich zusammen.
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