Immuntherapie: Neue Möglichkeitenbeim Lungenkrebs entdeckt18. Oktober 2017 Aufnahmen von Blutgefäßen, die von “normalen” Perizyten abgedichtet werden (obere Reihe), verglichen mit Blutgefäßen mit Perizyten aus Tumorgewebe (unten). Die Gefäße unten sind deutlich undichter. (Abb.: Inselspital Bern/Universität Bern Eine gemeinsame Studie der Universität Bern und des Inselspitals Bern zeigt, dass spezielle Bindegewebszellen, die in normalen Blutgefäßen die Wände abdichten, bei Lungenkrebs nicht mehr richtig funktionieren. Zusätzlich unterdrücken sie die immunologische Bekämpfung des Tumors. Die Resultate legen nahe, dass diese Zellen ein neues Ziel für die Immuntherapie gegen Lungenkarzinome sein könnten. Lungenkarzinome sind die häufigste Krebsform weltweit. Jährlich werden 1.8 Millionen Neudiagnosen gestellt; und 2016 starben 1,6 Millionen Menschen an der Krankheit. Unter den verschiedenen Formen von Lungenkrebs ist das nicht kleinzellige Lungenkarzinom (NSCLC) das häufigste. Die Therapiemöglichkeiten konnten dank genetischer Analysen bereits verbessert werden. So können beispielsweise bei einer spezifischen genetischen Mutation des Tumors Medikamente gezielt eingesetzt werden. Ein anderer vielversprechender Ansatz ist das “Wiederscharfmachen” des Immunsystems mittels Antikörpern. Diese schwächen die Abwehr des Tumors und ermöglichen es den körpereigenen Immunzellen wieder, die Tumorzellen zu bekämpfen. Trotz dieser Fortschritte ist nach wie vor zu wenig bekannt darüber, wie sich ein Lungenkrebs-Tumor entwickelt. Ein Forschungsteam aus der Universitätsklinik für Thoraxchirurgie des Inselspitals Bern, dem Department of Biomedical Research DBMR und dem ARTORG Center for Biomedical Engineering der Universität Bern hat nun herausgefunden, dass spezielle Bindegewebszellen – Perizyten – beim Tumorwachstum eine wichtige Rolle spielen. Die Aufgabe von Perizyten ist es, Blutgefäßwände abzudichten. Die Erkenntnisse der Studie können dazu verwendet werden, die Immuntherapie bei Lungenkrebs zu verbessern. Bindegewebszellen unterstützen Tumor “Es wurde schon länger vermutet, dass Perizyten mit dem Tumorwachstum zusammenhängen – darum haben wir gezielt nach diesem Zusammenhang gesucht”, sagt Sean Hall, Leiter der Gruppe Thoraxchirurgie am Inselspital und DBMR. Dafür wurden Proben von Tumorzellen aus NSCLC von Patienten gesammelt, die am Inselspital Bern operiert wurden. Aus diesem Lungengewebe isolierte Hall anschließend Perizyten. Die Forschenden verglichen diese speziellen Bindegewebszellen mit solchen aus gesundem Lungengewebe. Dabei entdeckten sie, dass die Zellen aus dem Tumorgewebe mehrere Anomalien aufwiesen. So war Interleukin-6, ein entzündungsfördendes Eiweiss, darin übermässßig vorhanden, ebenso PD-L1, ein Hemmstoff, der die körpereigene Immunantwort unterdrückt. “Die Resultate weisen darauf hin, dass Perizyten in kleinzelligen Lungenkarzinomen eine Entzündung aktiv fördern und auch die körpereigene Immunantwort unterdrücken”, sagt Colette Bichsel vom ARTORG Center for Biomedical Engineering der Universität Bern und Erstautorin der Studie. Lecks in den Blutgefäßen Die Forschenden wollten auch herausfinden, wie die Perizyten ihre Aufgabe, die Blutgefäßwände abzudichten, im Tumor erfüllen. Um dies zu untersuchen, entwickelte Colette Bichsel am ARTORG Center einen Chip, auf dem Blutgefäße gezüchtet und im Labor gehalten werden können. Darauf wuchsen Blutgefäße sowohl mit gesunden Perizyten als “Abdichtung” als auch solche mit Perizyten aus Lungenkarzinomen. Dabei zeigte sich ein deutlicher Unterschied: die Blutgefäße mit Tumor-Bindegewebszellen waren undichter als normale Blutgefässe. “Dies lässt vermuten, dass Perizyten in einem Lungenkarzinom Blutgefäße nur ungenügend abdichten, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich Tumorzellen im Körper ausbreiten können»”, erklärt Bichsel. Erstmals konnte so nachgewiesen werden, dass Perizyten beim Wachstum von Lungenkarzinomen eine wichtige Rolle spielen und der Mechanismus dahinter erklärt werden. Die Forschenden erhoffen sich durch weitere Studien neue Ansätze für die Immuntherapie von Lungenkrebs. Originalarbeit: Bichsel CA et al. Scientific Reports 2017;7:10636 Quelle: Universität Bern
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