Immuntherapie vor Leberkrebsoperation: Abtöten des Tumors und wahrscheinlich auch von verbleibenden Krebszellen

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Bei einem Drittel der Leberkrebspatientinnen und -patienten in einer gerade veröffentlichten Studie hat eine vor der Operation verabreichte Immuntherapie zum Absterben des Tumors geführt. Das berichteten die Autorinnen und Autoren vom Krankenhaus und der Medizinischen Fakultät Mount Sinai (USA).

Die Ergebnisse der Phase-II-Studie deuteten darauf hin, dass die neoadjuvante Immuntherapie nicht nur den Tumor abtöten kann, sondern auch mikroskopisch kleine Krebszellen, die bei der Operation übersehen würden und später dazu führen könnten, dass der Krebs wieder auftritt oder metastasiert. Tatsächlich lehre die Therapie das Immunsystem, wiederholte Angriffe abzuwehren, schreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

„Letztendlich denken wir, dass es für die Patientin/den Patienten besser ist, vor der Operation eine Immuntherapie zu bekommen, weil die Betroffenen vor der Metastasierung gesünder sind und ihr Immunsystem in einer besseren Verfassung ist, um den Krebs abzuwehren“, erklärt Seniorautor Dr. Thomas Marron, Direktor des Early Phase Trials Unit am Tisch Cancer Institute und außerordentlicher Professor für Medizin (Hämatologie und medizinische Onkologie) an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai. „Diese Studie unterstützt zusammen mit Untersuchungen zur neoadjuvanten Immuntherapie bei vielen anderen Tumorarten die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Evaluierung der perioperativen Immuntherapie, um die Rezidivraten zu senken.“

Marron fügte hinzu: „Normalerweise ist Krebs, wenn er rezidiviert, keine heilbare Krankheit mehr. Größere Studien in der Zukunft werden dazu beitragen, den Nutzen, die Sicherheit und das Überleben bei der neoadjuvanten Immuntherapie, insbesondere dieser Art der PD-1-Blockade, zu definieren.“

Die Forschenden verabreichten im Jahr 2020 einer Gruppe von Leberkrebspatientinnen und -patienten (n=21) im Frühstadium der Erkrankung vor deren Operation zwei Zyklen des Immuntherapeutikums Cemiplimab, eines Anti-PD-1-Antikörpers. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten das Absterben des Tumors und die Aktivierung des gegen den Krebs gerichteten Immunsystems mittels Magnetresonanztomographie sowie Blut, Tumor- und Stuhlproben. Sie stellten fest, dass bei einem Drittel der Betroffenen ein Großteil der jeweiligen Tumore vor der Operation abgestorben war. Patientinnen und Patienten, deren Immunsystem bereits gegen den Krebs arbeitete, reagierten tendenziell stärker auf die Immuntherapie, was darauf hindeutet, dass das Immunsystem weiter aktiviert wurde und mikroskopisch kleine Tumorreste abtötet. Das Absterben eines Tumors in Reaktion auf eine neoadjuvante Therapie ist ein Hinweis auf bessere Outcomes bei vielen Krebsarten. Die Forschenden beobachten derzeit die Patientinnen und Patienten aus der Studie nach, um festzustellen, ob dies auch für das Hepatozelluläre Karzinom (HCC) gilt.

Marron und Kollegen nutzten für die Messung der Reaktion des Immunsystems einen neuen kooperativen Ansatz zwischen Forschung und Klinik: Die neoAdjuvant Research Group to Evaluate Therapeutics (TARGET), die nützliche Informationen maximiert, die aus kleineren neoadjuvanten klinischen Studien gewonnen werden können. Die TARGET-Plattform konzentriert sich auf die Koordination detaillierter Echtzeit-Profile der Reaktion des Immunsystems bei Patientinnen und Patienten, die eine Krebs-Immuntherapie als neoadjuvante Behandlung erhalten.

Die TARGET-Plattform zeigte, wie die PD1-Blockade die Anzahl aktivierter Immunzellen, die in HCC-Tumoren eindringen, eine Tumornekrose induzierte und Tumore vor der Operation schrumpfen ließ. Die Plattform half den Forschenden bei der Feststellung, dass eine PD1-Blockade wahrscheinlich beim HCC von Vorteil ist. Dabei aber nur einige der untersuchten Betroffenen eine robuste Reaktion zeigten, muss die Immuntherapie möglicherweise in Kombination mit anderen Behandlungen angewendet werden. Ziel der eingehenden Analyse von Gewebeproben ist es, Biomarker zu identifizieren, die helfen zu bestimmen, wer auf eine Therapie gut anspricht und wer nicht. Ziel von TARGET ist es, die optimale Therapie für jede Patientin/jeden Patienten zu ermitteln und die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass suboptimale Behandlungen in große Phase-III-Studien einfließen und Ressourcen sowie Zeit und Mühe der Betroffenen verschwenden.

„Normalerweise kann man nicht so detailliert untersuchen, wie Medikamente beim Menschen wirken“, erklärt Studienautorin Prof. Miriam Merad, Direktorin des Precision Immunology Institute und des Human Immune Monitoring Center (HIMC) at Icahn Mount Sinai.. „Bei einfachen Biopsien erhält man sehr wenig Gewebe und die Analyse liefert oft keine detaillierten Informationen über den Krebs oder die Reaktion des Immunsystems. Mit der Analyse dieser Plattform erhält man vor der Behandlung mehrere Biopsien sowie Blut- und Stuhlproben. Wenn der Tumor dann operativ entfernt wird, analysieren wir diesen sowie mehr Blut- und Stuhlproben, sodass wir viel detailliertere Informationen darüber haben, was mikroskopisch vor sich geht, als je zuvor.”