Influenza A: Bekannte Arzneimittel – Neue Wirkung im Kampf gegen Infektionen?5. Juni 2019 Mit Bioinformatik auf der Suche nach wirksamen Arzneimitteln gegen Grippe. (Quelle: PEI) Influenza-A-Viren sorgen periodisch für schwere Grippewellen. Aufgrund ihrer genetischen Variabilität können neue Subtypen entstehen, vor denen saisonale Influenza-Impfstoffe nicht ausreichend schützen. Auf der Suche nach einer wirksamen Behandlung schwerer Influenzainfektionen haben Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts mit Hilfe der Bioinformatik Therapeutika für andere Indikationen auf ihre potenzielle Wirksamkeit gegen Grippeviren gescreent. Vielversprechende Wirkstoff-Kandidaten wurden zellbasiert und tierexperimentell getestet. Mit Dextromethorphan wurde ein potenzieller Wirkstoff identifiziert. Influenza-A-Viren gehören zu den gefürchteten Krankheitserregern. Sie verursachen regelmäßig Grippewellen. Ihre Hülle enthält das Ionenkanal-bildende M2-Protein sowie die Oberflächen-Glykoproteine Hämagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA). Aufgrund der Antigen-Eigenschaften dieser Glykoproteine werden sie in verschiedene Subtypen unterteilt. Bis heute wurden 18 unterschiedliche Hämagglutinin- und 11 Neuraminidase-Subtypen identifiziert. Die Influenzaimpfstoffe enthalten Antigenbestandteile der verschiedenen zirkulierenden Subtypen. Die hohe genetische Variabilität der Influenza-Virusstämme macht jedoch jährliche Stammanpassungen in den Grippeimpfstoffen erforderlich. Tritt ein neues Influenzavirus auf, brauchen Entwicklung und Herstellung eines Impfstoffs mehrere Monate. Daher stehen zunächst als Behandlungsoption für Erkrankte nur Medikamente zur Verfügung, die das Virus bekämpfen (Virustatika). Allerdings kommt es bei den bisher verfügbaren antiviralen Arzneimitteln – M2-Protein-Ionenkanal-Blockern und Neuraminidase-Hemmstoffen – häufig zur Entwicklung von Resistenzen, sodass sie ihre Wirksamkeit verlieren. Ein als Repurposing (Umnutzung) bekannter Ansatz besteht darin, bereits für andere Anwendungen zugelassene Arzneimittel hinsichtlich ihrer Wirksamkeit gegen andere Krankheiten, hier die Influenza-A, zu untersuchen. Neu ist hier, dass, anders als bei den bisherigen antiviralen Arzneimitteln, nach Wirkstoffen gesucht wurde, die zelluläre Proteine des Menschen adressieren, die das Virus für seine Vermehrung im Körper benötigt. Zum einen lassen sich so Resistenzen durch Veränderung der Virusproteine, gegen deren Funktion ein Wirkstoff gerichtet ist, vermeiden. Zum anderen verspricht man sich hiervon eine Wirksamkeit gegen ein breiteres Spektrum von Virusstämmen. Mit genomweiten Screens der „small interfering“ RNAs (siRNAs) wurden vielversprechende Kandidaten-Proteine und -Signalwege identifiziert, die am Influenzavirus-Vermehrungsszyklus beteiligt sind. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts um Prof. Veronika von Messling, bis September 2018 Leiterin der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, haben in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Forschungseinrichtungen in Singapur diese Zielstrukturen mit den Angriffspunkten bereits zugelassener Wirkstoffe abgeglichen, die bei einer Infektionswelle sofort zur Verfügung stünden. Die dabei identifizierten vielversprechendsten Kandidaten wurden im Anschluss zunächst in vitro (in Zellkultur) getestet und schließlich in Tierversuchen mit Mäusen und Frettchen in vivo auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Von 15 Kandidaten-Wirkstoffen waren vier in der Lage, in vitro eine Influenza-A-Infektion einzudämmen. In Wirksamkeitsstudien an Mäusen führte der Wirkstoff Dextromethorphan zu einer signifikanten Abnahme der Erregermenge in der Lunge und verstärkte zudem die Wirksamkeit des Virustatikums Oseltamivir. Bei mit dem Influenza-A-Virusstamm H1N1 infizierten Frettchen führte die Gabe von Dextromethorphan zudem zu einer Verminderung des Schweregrads der Grippeerkrankung, senkte allerdings hier nicht den Virustiter. „Unsere Daten geben Hinweise darauf, dass Dextromethorphan eine Therapieoption für Influenza sein könnte“, sagt von Messling. Darüber hinaus zeigte die Studie, dass es mit Bioinformatik-basierten Verfahren durchaus möglich ist, die Umnutzung bereits zugelassener Arzneimittel für Infektionskrankheiten zu testen.
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