Inwieweit hilft eine Hypnotherapie beim Reizdarm-Syndrom?

Eine Hypnotherapie kann laut der IMAGINE-Studie bei IBS-Patienten zwar nicht die Symptomschwere reduzieren, aber die inneren Bewältigungsstrategien verbessern. (Foto: © RFBSIP/Fotolia)

Eine auf den Darm gerichtete und von Psychologen durchgeführte Hypnotherapie scheint sowohl in Gruppen- oder Einzelsitzungen wirksam zu sein und bietet möglicherweise eine neue Behandlungsoption für das Reizdarm-Syndrom (IBS) in der Primär- und Sekundärversorgung. Das berichten Forscher aus den Niederlanden.

Eine Hypnotherapie könnte bei einigen Patienten bis zu 9 Monate nach Ende der Behandlung zur Linderung der Beschwerden beim Reizdarmsyndrom beitragen, so die Ergebnisse einer randomisierten, kontrollierten Studie mit 354 Erwachsenen mit IBS in der Primär- und Sekundärversorgung.

Nach 3-monatiger Behandlung erreichten mehr Patienten, die eine entsprechende Einzeltherapie (40% für die Daten verfügbar waren) beziehungsweise eine Gruppentherapie (33%) erhielten, eine adäquate Linderung der IBS-Symptome als diejenigen, die lediglich eine Schulung und unterstützende Behandlung erhielten (17%). Diese Vorteile persistierten auch noch nach 9 Monaten (42% und 50% vs.
22%).

Die Ergebnisse deuten somit darauf hin, dass die Gruppenhypnotherapie ebenso wirksam ist wie Einzelsitzungen, wodurch deutlich mehr Patienten mit IBS zu reduzierten Kosten behandelt werden könnten, so die Studienautoren.

Die vorgelegte Untersuchung ist laut den Wissenschaftlern die bisher größte randomisierte Studie zur Hypnotherapie bei IBS und eine der ersten, die in der Grundversorgung durchgeführt wurde, wo die große Mehrheit der IBS-Patienten behandelt wird.

Die Studie ergab, dass IBS-Patienten, die sich einer Hypnotherapie unterziehen, eine größere allgemeine Verbesserung ihres Zustands erreichten und in der Lage waren, mit ihren Symptomen besser zurechtzukommen als diejenigen, die eine unterstützende Therapie mit Schulung erhielten. Dabei schien jedoch die Hypnotherapie den Schweregrad der Symptome nicht zu verringern.

Obwohl die Ergebnisse vielversprechend sind, schließen die Autoren, dass weitere Forschungen erforderlich sind, um die optimale Anzahl von Hypnotherapiesitzungen zu ermitteln sowie den Effekt, den die Erwartungen der Patienten auf das Behandlungsergebnis haben können. Auch müsse weiter erforscht werden, inwieweit die Ergebnisse der Hypnotherapie vom Ausmaß der psychischen Probleme des jeweiligen Patienten beeinflusst werden.

“Unsere Studie zeigt, dass die Hypnotherapie unabhängig von der Schwere der Symptome und dem IBS-Subtyp als Behandlungsoption für Patienten mit IBS in Betracht gezogen werden kann”, sagt Dr. Carla Flik vom University Medical Center Utrecht, die die Forschung leitete. “Als vielversprechend werten wir auch, dass eine Gruppenhypnotherapie genauso wirksam ist wie Einzelsitzungen. Das kann bedeuten, dass mehr Menschen zu geringeren Kosten auf diese Weise behandelt werden könnten, falls dies in weiteren Studien bestätigt wird.”
“Was an diesen Befunden auffällt, ist das Ausmaß, in dem sich die Patientenwahrnehmung in Bezug auf ihre Erkrankung auf ihr Leiden auswirkt, und dass ihre Symptomwahrnehmung offenbar genauso so wichtig ist wie die tatsächliche Schwere der Symptome.”

Psychologische Interventionen haben sich in der Vergangenheit zwar als wirksam erwiesen, jedoch wird ihr Einsatz durch einen Mangel an ausgebildeten Therapeuten eingeschränkt. Die Hypnotherapie hat schon zuvor vielversprechende Ergebnisse beim IBS gezeigt – jedoch wurde die Mehrzahl der Studien in hochspezialisierten Zentren durchgeführt, und es muss noch weiter erforscht werden, ob die Hypnotherapie in der Primär- und Sekundärversorgung, wo die meisten Patienten behandelt werden, von Nutzen ist.

In der IMAGINE-Studie wurden 354 Erwachsene (zwischen 18 und 65 Jahren) mit IBS rekrutiert, die zwischen Mai 2011 und April 2016 von niedergelassenen Hausärzten und Krankenhausärzten in elf Krankenhäuser in den Niederlanden überwiesen wurden. Die Teilnehmer wurden randomisiert jeweils 45-minütigen Einzelsitzungen (n=150) oder Gruppensitzungen (n=150) zweimal wöchentlich für 6 Wochen zugewiesen oder einer Schulung und unterstützender Therapie (n=54).

Die Hypnotherapiebehandlung wurde von Psychologen durchgeführt, die zu Hypnotherapeuten ausgebildet wurden und eine Technik der positiven Visualisierung anwendeten. Dabei wurde den Patienten suggeriert, wie sie die Kontrolle über ihren Verdauungstrakt erlangen und somit Schmerzen und Unwohlsein reduzieren könnten. Die Patienten erhielten auch eine CD, damit sie täglich 15-20 Minuten zu Hause Selbsthypnose-Übungen machen konnten.

Sowohl zu Beginn der Studie als auch unmittelbar nach der Behandlung (3 Monate) sowie erneut 9 Monate später wurden der Schweregrad der Symptome, die Lebensqualität und die psychischen Symptome beurteilt. Ebenso wurden zu Beginn und nach 9 Monaten die aufgewendeten Kosten und Fehlzeiten am Arbeitsplatz analysiert.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmer aus den beiden Hypnosegruppen unmittelbar nach der Behandlung in erheblich höheren Raten über eine zufriedenstellende Entlastung berichteten als die Patienten in der Kontrollgruppe. Die Die Analyse ergab auch, dass dieser Vorteil 9 Monate nach Ende der Behandlung noch Bestand hatte.

Eine zufriedenstellende Linderung der Symptome ging jedoch nicht mit einer signifikanten Verbesserung der Symptomschwere einher, wie die Studienautoren betonen. Flik erklärt: “Wir wissen nicht genau, wie die auf den Darm zielende Hypnotherapie funktioniert, aber sie kann die Denkweise und die inneren Bewältigungsmechanismen von Patienten verändern und es ermöglichen, dass sie mehr Kontrolle über autonome Körperprozesse gewinnen – beispielsweise wie sie mit Schmerz umgehen und die Aktivität des Darms modulieren.”

Die Autoren räumen einige Mängel ihrer Studie ein. So brachen 22 (15%) Patienten in der Gruppe mit Einzeltherapie, 22 (15%) in der Gruppe mit Hypnogruppentherapie und 11 (20%) in der Kontrollgruppe die Therapie ab oder traten sie gar nicht erst an. Zudem füllte eine beträchtliche Anzahl von Teilnehmern den Fragebogen 3 und 9 Monaten nach der Behandlung nicht aus, was die Ergebnisse verfälscht haben könnte. Die Wissenschaftler weisen auch darauf hin, dass die Unerfahrenheit von Therapeuten im Umgang mit IBS und die geringe Anzahl (6) von Hypnotherapiesitzungen (die Hälfte der üblichen Anzahl) zu einer Unterschätzung der Auswirkungen der Hypnotherapie geführt haben könnten.

Prof. Olafur Palsson von der University of North Carolina in Chapel Hill beschreibt in einem begleitenden Kommentar Faktoren, die möglicherweise zu den “bescheidenen” therapeutischen Auswirkungen einer Hypnose in der Studie beigetragen haben könnten: “Die Hypnotherapie, die in dieser Studie getestet wurde, war in Bezug auf die Anzahl der Sitzungen oder die Implementierung möglicherweise nicht optimal. Wie die Autoren feststellen, ist der geringere therapeutische Effekt in dieser Studie im Vergleich zu den meisten Hypnotherapiestudien in der Tertiärversorgung möglicherweise darauf zurückzuführen, dass sich das IBS in der Primär- und Sekundärversorgung von dem in der Tertiärversorgung unterscheidet – es ist möglicherweise weniger komplex und von weniger psychischen Faktoren geprägt. Daher bleibt es trotz der beeindruckenden Forschungleistung von Flik und Kollegen unklar, ob eine auf den Darm abzielende Hypnotherapie für die Behandlung von Patienten mit IBS in der Primär- und Sekundärversorgung geeignet ist. Es sind weitere Studien erforderlich, um endgültige Antworten zu liefern.”