Jugendliche mit Zöliakie: Erhöhtes Risiko für gestörtes Essverhalten

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In einer neuen Studie der Universität Tel Aviv (TAU) haben Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Zöliakie und einer höheren Inzidenz von gestörtem Essverhalten während der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter gefunden.


Die Forscher fanden heraus, dass 19 Prozent der untersuchten weiblichen Teenager und sieben Prozent der männlichen Heranwachsenden mit Zöliakie ein gestörtes Essverhalten zeigten. Bei Gleichaltrigen ohne Zöliakie waren davon nur acht beziehungsweise vier Prozent betroffen.

Ein gestörtes Essverhalten weisen etwa zehn Prozent aller Jugendlichen auf. Sie umfassen ein breites Spektrum an abnormalem Essverhalten, einschließlich Ess-Sucht, Diäten, regelmäßiges Auslassen von Mahlzeiten, selbst hervorgerufenes Erbrechen und obsessives Kalorienzählen. Diese Verhaltensweisen treten am häufigsten bei älteren, übergewichtigen weiblichen Jugendlichen mit Zöliakie auf, wie die Wissenschaftler mitteilen.

Die Studie wurde von Dr. Itay Tokatly-Latzer von der Sackler-Fakultät für Medizin der TAU und der Abteilung für Pädiatrie am Chaim Sheba Medical Center geleitet.

Frühwarnzeichen sind von entscheidender Bedeutung

„Wir haben festgestellt, dass es bei Jugendlichen mit Zöliakie vermehrt zu Essstörungen gekommen ist“, berichtet Tokatly-Latzer. „Angehörige von Zöliakiepatienten sollten sich der Möglichkeit bewusst sein, dass diese an Ess-Störungen leiden. Wird eine solche Erkrankung frühzeitig erkannt, kann eine Progression zu manifesten Erkrankungen wie Anorexia nervosa und Bulimie verhindert werden.“

„Solches Essverhalten kann dazu führen, dass die Ernährungs- und Stoffwechselbedürfnisse nicht erfüllt werden, was die psychosoziale Funktion stark beeinträchtigt“, fährt Dr. Tokatly-Latzer fort. „Hausärzte und Gastroenterologen, die mit Jugendlichen, die an einer Zöliakie leiden, zu tun haben, sollten sich bewusst machen, dass in dieser Population das Essverhalten potenziell gestört ist. Wenn der Verdacht aufkommt, können sie die Betroffenen in psychologische und ernährungsmedizinische Behandlung überweisen.“

Die Forscher führten eine internetbasierte Umfrage unter 136 Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren, die an Zöliakie litten. Beurteilt wurde dabei zum einen die Rate gestörten Essverhaltens unter den Teilnehmern sowie die Einhaltung einer glutenfreien Ernährung. Die ein Jahr dauernde Untersuchung umfasste zwei Fragebögen zur Selbsteinstufung: den Eating Attitudes Test-26 und den Fragebogen zur glutenfreien Ernährung. Nur 32 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass sie sich strikt an eine glutenfreie Diät hielten.

Worauf sollten Mediziner achten?

„Die Ätiologie von Ess-Störungen ist verwirrend; sie umfasst biologische, soziologische, psychologische und umweltbedingte Faktoren“, erklärt Tokatly-Latzer. „Die übermäßige Beschäftigung mit Nahrungsmitteln erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen mit Zöliakie Ess-Störungen entwickeln. Auch der Aspekt der Einschränkung von Nahrungsmitteln jeglicher Art triggert möglicherweise eine Prädisposition für die Entwicklung pathologischer Ess-Störungen.“

„Diese Studie sollte Medizinern bewusst machen, wie wichtig es ist, Jugendliche mit Zöliakie genau auf ein gestörtes Essverhalten hin zu beobachten – insbesondere, wenn es sich um Mädchen, Übergewichtige oder ältere Jugendliche handelt. Da Personen mit gestörtem Essverhalten ein erhöhtes Risiko dafür haben, eine klinische Form einer solchen Störung zu entwickeln, kann eine frühe Identifizierung und Intervention die therapeutischen Ergebnisse verbessern.“