Kardiologen beunruhigt durch niedrige Impfquote23. Juli 2021 Foto: ©kebox /stock.adobe.com Eine vierte Welle der Corona-Pandemie birgt vor allem für Menschen mit Herzerkrankungen eine große Gefahr. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) beobachtet daher den sich erneut verlangsamenden Impffortschritt und die große Zahl Ungeimpfter mit wachsender Sorge. Nachdem die Infektionszahlen in den vergangenen Monaten stark gesunken waren, kommt es nun zu einem erneuten und deutlichen Anstieg der Corona-Neuinfektionen in Deutschland. Darauf macht die DGK in einer aktuellen Pressemitteilung aufmerksam. Mit Verweis auf Modellierungen im aktuellen MODUS-COVID-Bericht von Forschenden der TU Berlin befürchten die Kardiologen, dass mit einem exponentiellen Wachstum und einer vierten Welle unter den Erwachsenen ab spätestens Oktober gerechnet werden müsse. Neue Varianten des Virus sowie Lockerungen im Alltag und bei Großveranstaltungen würden diesen Trend befeuern. Hinzu komme, dass ein recht großer Anteil von Erwachsenen Impfangebote nicht annehme, obwohl der Impfstoff mittlerweile in ausreichender Menge verfügbar sei. Trotz Impfung: Herzkranke sind gefährdet Eine niedrige Impfquote zum Zeitpunkt einer vierten Welle berge jedoch gerade für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein großes Risiko, wie die DGK erläutert. So konnte eine Meta-Analyse bereits früh in der Pandemie zeigen, dass diese Patientengruppe bei einer COVID-19-Erkrankung ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und Tod hat. Eine weitere Übersichtsarbeit von Dezember 2020 kommt auf eine bis zu elffach erhöhte Sterblichkeit hospitalisierter COVID-19-Erkrankter mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Auch Geimpfte können sich erneut mit COVID-19 infizieren“, mahnt die DGK. Es sei leider davon auszugehen, dass Herz-Kreislauf-Erkrankte hier deutlich häufiger schwere Verläufe erleiden als herzgesunde Personen. Als Beispiel führt die Gesellschaft Daten aus Israel an. Aus diesen wird ersichtlich, dass bereits Geimpfte mit Herzinsuffizienz anderthalb bis fünf Mal so häufig wegen einer COVID-19-Infektion im Krankenhaus behandelt werden mussten wie nicht geimpfte Herzgesunde. Ein Preprint amerikanischer Wissenschaftler weist zudem darauf hin, dass die Impfeffektivität bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen leicht geringer ist. Umso wichtiger sei es, dass ein überwiegender Teil der Bevölkerung geimpft ist, bekräftigt DGK-Präsident Prof. Stephan Baldus: „Eine Impfquote von über 80 Prozent hätte einen entscheidenden Effekt auf die oben genannten Punkte und stellt aus unserer Überzeugung einen ganz wesentlichen Hebel dar, um die Prognose herz- und kreislauferkrankter Patientinnen und Patienten in der Pandemie zu verbessern.“ Maßnahmen für eine höhere Impfquote Die Experten der DGK bringen daher ihre Sorge über die große Zahl der Impfunwilligen in Deutschland zum Ausdruck und bitten politische Entscheidungsträgerinnen und -träger eindringlich, umgehend aktiv zu werden. Eine intensivere Aufklärung, das Schaffen von positiven Anreizen und gleichzeitig das frühzeitige Formulieren von geplanten Einschränkungen für Nichtgeimpfte seien vielversprechende Ansätze, um die Impfquote jetzt kraftvoll zu erhöhen. Deutschland solle ferner alle Anstrengungen unternehmen, seine Partnerländer mit niedrigem Impfstatus kurzfristig und maximal mit der Lieferung von Impfstoffen zu unterstützen, um das globale Pandemiegeschehen besser einzudämmen, so die Herzgesellschaft weiter. Prof. Michael Böhm, Pressesprecher der DGK: „Nur auf diesem Weg werden wir es in Deutschland schaffen, die besonders gefährdeten Patientengruppen, insbesondere auch die Herz-Kreislauf-Erkrankten besser zu schützen, um in einer Phase erneut steigender Infektionszahlen Morbidität und Mortalität unserer Patientinnen und Patienten niedrig zu halten.“ Herzmuskelentzündungen nach Impfung mit mRNA-Impfstoffen In diesem Zusammenhang nimmt die DGK auch Stellung zu dem Auftreten von Herzmuskelentzündungen bei hauptsächlich jungen Männern in den ersten 14 Tagen nach einer zweiten Impfung mit den Vakzinen von BioNTech (Comirnaty) und Moderna (Spikevax). Ein Rote-Hand-Brief, der am 19. Juli veröffentlicht wurde, berichtet, dass bis zum 31. Mai im europäischen Wirtschaftsraum 145 Fälle von Myokarditis bei Personen, die mit Comirnaty, und 19 Fälle bei Personen, die mit Spikevax geimpft wurden, festzustellen waren. Zusätzlich traten nach der Anwendung von Comirnaty 138 Fälle von Perikarditis auf und nach der Gabe von Spikevax 19 Fälle. „Auch wenn der Zusammenhang vermutlich kausal ist, müssen wir diese Zahlen ins Verhältnis zu den verabreichten Impfdosen setzen“, betont Prof. Holger Thiele, zukünftiger Präsident der DGK. Bis zum 31. Mai wurden im europäischen Wirtschaftsraum schätzungsweise 177 Millionen Dosen Comirnaty und 20 Millionen Dosen Spikevax verabreicht. „Sowohl die Patientinnen und Patienten als auch wir Ärztinnen und Ärzte müssen daher wachsam sein und auf die entsprechenden Symptome achten. Dennoch kann gar nicht oft genug betont werden, dass der Nutzen der Impfung die Risiken bei weitem überwiegt“, verdeutlicht der Kardiologe. „Herzmuskelentzündungen sind gut behandelbar. Gehen Sie daher lieber einmal zu oft in die Arztpraxis oder ins Krankenhaus als einmal zu wenig.“ Wer Symptome einer Herzmuskelentzündung verspüre, solle umgehend medizinische Hilfe suchen. Dies gelte nicht nur, aber besonders, für frisch geimpfte Personen. (ah)
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