KI verbessert Lungenkrebsdiagnostik

Eosin-Färbung eines Plattenepithelkarzinoms, Bild: ©Charité/BIFOLD

Ein interdisziplinäres Forschungsteam hat eine neuartige, KI-gestützte Methode entwickelt, um präzisere Prognosen für Lungenkrebspatienten treffen zu können. Die Studie wurde jetzt in „Nature Communications“ veröffentlicht.

Beteiligt waren Wissenschaftler des BIFOLD (Berlin Institute for the Foundations of Learning and Data), der Technischen Universität Berlin, des Universitätsklinikums Köln, der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des KI-Unternehmens Aignostics und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Wahrscheinlichkeit für Rezidive abschätzen

Grafik: ©Charité/BIFOLD

Genauer gesagt hat das Team ein neues Verfahren entwickelt, um die Wahrscheinlichkeit für Rezidive bei Lungenkrebs besser abzuschätzen. Bisher ist dies anhand von Merkmalen wie Tumorgröße oder Lymphknotenbefall insbesondere in frühen Krankheitsstadien nur unzureichend möglich. Das Staging erfasst jedoch nicht die detaillierte Interaktion des Tumors mit den verschiedenen Zelltypen des Immunsystems und Bindegewebes in seiner Umgebung.

In ihrer Arbeit kombinieren die Forschenden histologische Daten, Multiplex-Immunfluoreszenz-Bildgebung und multimodales maschinelles Lernen, um die komplexen zellulären Strukturen und Wechselwirkungen in der Tumorumgebung von 1168 Patienten aus zwei großen deutschen Krebszentren zu analysieren.

43 Zelltypen charakterisiert und zelluläre Nischen identifiziert

Dabei konnten die Wissenschaftler 43 verschiedene Zelltypen und deren räumliche Beziehung im Tumormikromilieu charakterisieren und zelluläre Nischen identifizieren. Das sind kleine „Nachbarschaften“ von Zellen (Radius ca. 34 µm), in denen jeweils die Zusammensetzung der Zelltypen (Tumorzellen, T- und B-Lymphozyten, Makrophagen etc.) analysiert wurde. Durch die KI-gestützte Kombination dieser Muster mit etablierten klinischen Parametern gelang eine deutliche Verbesserung der Risikostratifizierung.

„KI hilft uns, die räumliche Zellorganisation und die Bildung spezifischer Zellnischen im Tumor besser zu verstehen und dieses Wissen in klinisch relevante Entscheidungen zu übersetzen“, erläutert PD Dr. Simon Schallenberg, Pathologe an der Charité und einer der Erstautoren der Studie.

Durch Nischenmuster mehr erfahren

„Diese Nischenmuster liefern prognostisch relevante Informationen zusätzlich zum klassischen Staging. Wir konnten zeigen, dass die Zusammensetzung der Zellen im Tumorumfeld eng mit dem Überleben der Patientinnen und Patienten zusammenhängt, insbesondere bei frühen Lungenkrebsstadien“, erklärt Prof. Frederick Klauschen, Forschungsgruppenleiter am BIFOLD und Pathologe an der LMU München. „Viele dieser Betroffenen können allein durch eine Operation erfolgreich behandelt werden, aber nicht alle. Unsere Methode hilft nun, jene mit höherem Rückfallrisiko zu erkennen, die von einer ergänzenden Therapie profitieren könnten.“

Neue Einblicke, die mit konventionellen Verfahren nicht erreichbar wären

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass multimodale, erklärbare KI Einblicke in die klinische Relevanz biomedizinischer Daten ermöglichen kann, die mit konventionellen Verfahren nicht zu erreichen sind. Das Verfahren kombiniert KI-gestützte Bildanalyse mit KI-basierten Vorhersagemodellen, ist automatisiert und soll in prospektiven Studien weiter validiert werden“, erläutert Prof. Dr. Klaus-Robert Müller, BIFOLD/TU Berlin.

Diese Forschung verdeutlicht, wie künstliche Intelligenz und moderne Bildgebung gemeinsam neuartige Einblicke in die Tumorbiologie ermöglichen – und damit die Grundlage für präzisere Diagnostik und personalisierte Therapie-Entscheidungen schaffen. (sf/BIERMANN)