Kinder mit Übergewicht leiden unter Versorgungslücken und Diskriminierung9. November 2018 Foto: © adrian_ilie825 – Fotolia.com In der Versorgung übergewichtiger Kinder und Jugendlicher gibt es erhebliche Defizite: So werden wissenschaftlich-basierte Behandlungskonzepte oft nicht von den Kassen finanziert. Zudem verhindern gesellschaftliche Vorurteile einen frühen Therapiebeginn oft ganz. Darauf weisen die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) hin. „Übergewicht und Adipositas im Kindes- und Jugendalter wirken sich negativ auf die Gesundheit der Heranwachsenden aus. So begünstigt ein hoher Body-Mass-Index (BMI) Störungen des Fett- und Glukosestoffwechsels, was die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines Typ-2-Diabetes erhöht“, sagte Prof. Martin Wabitsch, Tagungspräsident der Deutschen Adipositas-Gesellschaft. „Zudem gehen Übergewicht und Adipositas mit einem hohen Leidensdruck einher“, ergänzte er. Bereits im Kindesalter werden Menschen mit Übergewicht stigmatisiert, das setzt sich im Jugend- und Erwachsenenalter fort. „Betroffene sind tagtäglich Diskriminierung ausgesetzt – in der Familie, am Arbeitsplatz, in den Medien und leider auch im Gesundheitssystem“, sagte der Leiter der Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Ulm. „Diese Vorurteile sind häufig auch ein Hindernis beim Einstieg in die Berufswelt. Bei der Einstellung werden junge Heranwachsende aufgrund ihres Äußeren oftmals benachteiligt – und dies bei gleicher oder gar höherer fachlicher Qualifikation.“ Gerade bei Kindern und Jugendlichen liege die Schuld an einem zu hohen Körpergewicht nicht bei ihnen selbst. „Welches Körpergewicht ein Mensch hat, ist zunächst genetisch bedingt und wird in der frühen Kindheit geprägt“, sagte der Facharzt für Kinderheilkunde. „Die Lebensbedingungen, unter denen Kinder und Jugendliche heute aufwachsen, also ein überreichliches, zu fettes, zu süßes, zu salziges Angebot hoch verarbeiteter Lebensmittel sowie der weit verbreitete Bewegungsmangel unterstützen dann die Ausprägung der Adipositas und wirken sich ungünstig auf den Stoffwechsel aus.“ In betroffenen Familien komme es darüber hinaus häufig zu Konflikten. „Eltern versuchen zwar, ihren Kindern zu helfen, haben aber meist keine Anlaufstelle, um sich Unterstützung zu holen. Die Hilflosigkeit entlädt sich oft in Form von Vorwürfen und endet im Streit“, sagte Stefanie Wirtz, 1. Vorsitzende der AdipositasHilfe Deutschland e. V. Jugendliche mit extremer Adipositas (BMI über 30) sind dann medizinisch nur noch schwer zu erreichen. „Nur ein kleiner Prozentsatz sucht aktiv nach einer Behandlung“, so Wabitsch. „Warum das so ist, ist nicht klar. Hierfür mag es viele Gründe geben, zum Beispiel das junge Alter der Betroffenen, ein überwiegend niedriges Bildungsniveau und ein niedriger Sozialstatus. Auch funktionelle Beeinträchtigungen infolge eingeschränkter körperlicher Mobilität und psychische Begleiterkrankungen können Ursache dafür sein. Häufig sind die Jugendlichen nach erfolglosen Versuchen des Abnehmens auch einfach frustriert“, sagte der Experte. Die Behandlung von Jugendlichen mit extremer Adipositas ist sehr aufwändig und es bedarf neuer Wege. „Konventionelle verhaltenstherapeutische Gewichtsreduktionsprogramme bleiben meist erfolglos. Bariatrisch-chirurgische Maßnahmen sind aufgrund der notwendigen strengen Indikationsstellung oft nicht möglich“, erklärte Wabitsch. Welche Maßnahmen notwendig sind, um die Therapie von Kindern und Jugendlichen mit starkem Übergewicht zu verbessern und um der Stigmatisierung innerhalb der Gesellschaft entgegenzuwirken, erläutern die Teilnehmer der gemeinsamen DDG-Herbsttagung und DAG-Jahrestagung in Wiesbaden.
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