Kinderonkologie: Mit Bewegung und Kraftsport gegen die Fatigue

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In einer Studie der Medizinischen Universität Innsbruck haben Forschende den Zusammenhang zwischen Krebstherapie und körperlicher Fatigue bei Kindern untersucht. Daraus lassen sich erste Maßnahmen ableiten.

Krebsbedingte Fatigue bei Kindern und Jugendlichen ist ein bislang wenig erforschtes Thema, trotz ihrer weitreichenden Bedeutung für den Alltag von Betroffenen und Familien. Ein Team um Roman Crazzolara von der Universitätsklinik für Pädiatrie I hat auf Basis der Innsbrucker ePROtect-Studie Daten aus einer Zeitspanne von vier Jahren systematisch ausgewertet. „Wir konnten erstmals detailliert beschreiben, wie sich körperliche Fatigue im Verlauf der Krebserkrankung und unter Chemo- beziehungsweise Immuntherapie verändert. Unsere Ergebnisse sollen helfen, krankheits- und therapiebedingte Belastungsspitzen besser zu erkennen und gezielt zu behandeln“, erklärt der Wissenschaftler. Die Ergebnisse der Studie wurden kürzlich in „eClinicalMedicine“ veröffentlicht.

Forschung inkludiert Patientenperspektive

Von Mai 2020 bis Dezember 2024 übermittelten die an Krebs erkrankten Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre – je nach Alter auch deren Eltern – über die ePROtect-App regelmäßig ihre Symptome. „Insgesamt lagen uns damit über 11.000 persönliche Einschätzungen, sogenannnte Assessments, des gesundheitlichen und körperlichen Befindens vor, die auf einer Skala von 0 für sehr starke Fatigue bis 100 für keine Fatigue eingeordnet wurden. So konnten wir die Symptome im Behandlungsalltag engmaschig dokumentieren und die Befunde krankheits- wie auch therapiebezogen zuordnen“, berichtet Erstautor Alexander Tilg. Dieser Forschungsansatz spiegelt den Schwerpunkt der Innsbrucker Kinderonkologie wider, nämlich die Perspektive der jungen Patienten mittels Patient-Reportet Outcome Measures unmittelbar in den Behandlungsprozess einzubeziehen.

Gamechanger Immuntherapie

Die zentrale Erkenntnis aus der Innsbrucker Studie: Fatigue verläuft wellenförmig und unterscheidet sich je nach Erkrankung und Therapieabschnitt. Besonders ausgeprägt ist die körperliche Erschöpfung bei Non-Hodgkin-Lymphomen und akuter myeloischer Leukämie. Am Beispiel der häufigen akuten lymphatischen Leukämie (ALL, Nicht Hochrisiko) zeigte sich, dass zu Beginn der Erkrankung eine relevante Fatigue besteht, gefolgt von einer Erholung in der Konsolidierungsphase, ehe es nach einer Glukokortikoid-Gabe (Immunsuppressiva) zu einem deutlichen Einbruch kommt. „Unsere Analyse zeigt sehr deutlich, dass Glukokortikoide die Fatigue messbar verschlechtern, während sich die körperliche Verfassung unter Immuntherapie, wie etwa der Antikörpertherapie mit Blinatumomab, erheblich verbessert“, beschreibt Tilg die Ergebnisse.

Gezieltes Körper-Training

Auf Basis der gewonnenen Daten wurden an der Kinderklinik Innsbruck in einem Pilotprojekt bereits konkrete Schritte abgeleitet: In Zusammenarbeit mit dem Institut für Sportwissenschaft der Leopold-Franzens Universität Innsbruck wurden Kinder in Phasen, in denen Fatigue nachweisbar ansteigt, durch gezieltes körperliches Training wie Kraftübungen physisch wie psychisch gestärkt. Dem abgeschlossenen Pilot-Projekt soll schon bald eine klinische Interventionsstudie folgen, um strukturierte Bewegungs- und Kraftprogramme wissenschaftlich zu überprüfen. „Parallel wird auch die telemedizinische Begleitung ausgebaut, um die Eigenverantwortung (Self Empowerment) und das Selbstmanagement der Patientinnen und Patienten zu stärken. Geplant ist eine technisch breitere Umsetzung sowie die Kooperation mit weiteren kinderonkologischen Zentren“, erklärt Crazzolara.

Das Konzept, die Fatigue nicht nur besser zu verstehen, sondern im klinischen Alltag wirksam zu reduzieren und damit die Lebensqualität junger Patienten spürbar zu verbessern, könnte den Forschenden zufolge längerfristig auch als Modell für erwachsene Patientengruppen dienen.