Kindliche Störungen mit 3D-gedruckten Synapsen verstehen

PD Dr. Natascha Schäfer, Institut für Klinische Neurobiologie am Universitätsklinikum Würzburg (UKW), und Prof. Robert Harvey, University of the Sunshine Coast (UniSC), arbeiten gemeinsam an 3D-gedruckten Synapsen. (Quelle: © Anna-Lena Wießler | UKW)

Wie können wir neurologische Erkrankungen bei Kindern besser verstehen – und das ohne Tierversuche? Forschende des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) und der University of the Sunshine Coast (UniSC) in Australien wollen dieser Frage mit dreidimensionalen, biogedruckten Modellen künstlicher Synapsen nachgehen.

Rund 16.000 Kilometer trennen das UKW und die UniSC – in der Forschung sind sie sich jedoch ganz nah. Mit einem Development Grant entwickeln PD Dr. Natascha Schäfer vom Institut für Klinische Neurobiologie am UKW und ihr australischer Kollege Prof. Robert Harvey gemeinsam eine tierversuchsfreie Methode zum Verständnis neurologischer Erkrankungen weiter. Hierfür erhalten die Forschenden im Rahmen der Bayern-Queensland-Forschungsallianz eine staatliche Förderung in Höhe von 70.000 Euro über zwei Jahre. Ergänzt wird diese Förderung durch substanzielle Sachleistungen privater Partner: Die Firma PELOBiotech stellt Humane Zellkulturen, spezielle Zellkulturmedien und Medienentwicklungslösungen im Verlauf des Projekts im Wert von über 50.000 Euro zur Verfügung, während RevoBITs moderne Biodruck-Technologie und technische Infrastruktur im Umfang von über 180.000 Euro einbringt.

„Um menschliche Erkrankungen wirklich zu verstehen, benötigen wir menschliche Zellmodelle“, betont die Molekularmedizinerin Schäfer. „Unser Ziel ist es, die Erforschung des Nervensystems auf ein neues Niveau zu heben – ohne auf tierisches Gewebe angewiesen zu sein.“

Einblicke in die molekularen Mechanismen der Signalübertragung

Schäfer und Harvey haben in den vergangenen Jahren bereits Pionierarbeit auf dem Gebiet künstlicher Synapsen geleistet. In Zellkulturen gelang es ihnen, die Anschaltung neuronaler Rezeptoren und ihrer Partnerproteine präzise zu steuern. Dieses System ermöglichte wichtige Einblicke in die molekularen Mechanismen der Signalübertragung im Nervensystem.

„Unsere bisherigen Modelle sind jedoch noch auf tierisches Gewebe angewiesen. Gleichzeitig beruhen sie auf klassischen zweidimensionalen Zellkulturen, bei denen das Wachstum in der Petrischale nur auf einer flachen Oberfläche stattfindet“, erklärt Schäfer. „Eine solche 2D-Umgebung bildet jedoch nicht die dreidimensionale Organisation nach, in der Nervenzellen im Gehirn oder Rückenmark miteinander vernetzt sind. In der Realität bilden sie ein hochdynamisches, räumliches Netzwerk – und genau das wollen wir im Labor nachbilden.“

Dreidimensionale neuronale Gewebemodelle dank Biodruck

Im Mittelpunkt des neuen Projektes steht deshalb die Entwicklung von dreidimensionalen, biogedruckten Modellen künstlicher Synapsen auf Basis menschlicher induzierter pluripotenter Stammzellen (iPSCs). Diese Zellen können aus Haut- oder Blutzellen gewonnen und in nahezu jeden Zelltyp des Körpers umgewandelt werden. Unterstützt durch präzisen Biodruck können Synapsen in einer dreidimensionalen Struktur nachgebildet werden.

Das Team greift dafür auf die Technologie und Expertise des bayerischen 3D-Biodruck-Start-ups RevoBITs zurück, dessen Biodruck-Plattform speziell für die Herstellung anspruchsvoller Gewebemodelle entwickelt wird. Die benötigten iPSC-Zellen liefert der Partner PELOBiotech, der ein breites Spektrum an Primärzellen, Stammzellen und genetisch modifizierten Zellsystemen bereitstellt.

„Die Arbeit mit tierischem Gewebe hat nicht nur ethische Grenzen, sondern schränkt auch viele Labore ohne Tierhaltungsanlagen in ihren Forschungsmöglichkeiten ein“, erklärt Schäfer. „Mit unserer Methode wollen wir ein zugängliches, reproduzierbares System schaffen, das auf menschlichen Zellen basiert.“

Im Fokus: Autismus-Spektrum-Störungen und Epilepsie

Schäfers Arbeitsgruppe am Institut für Klinische Neurobiologie widmet sich seit 2022 der Entwicklung von dreidimensionalen Gewebemodellen des Rückenmarks, um Krankheiten des Nervensystems besser zu verstehen. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus ihren bisherigen 2D-Modellen wollen die Forschenden nun die komplexen neuronalen Schaltstellen in dreidimensionaler Umgebung analysieren – insbesondere jene, die bei kindlichen Nervenerkrankungen eine Rolle spielen.

Das neue Projekt nimmt gezielt neurologische Erkrankungen im Kindesalter in den Blick – darunter Autismus-Spektrum-Störungen, Epilepsie oder Entwicklungsverzögerungen. Schäfer und Harvey konzentrieren sich dabei auf Mutationen in Neurotransmitter-Rezeptoren, die für die Kommunikation zwischen Nervenzellen entscheidend sind. Insbesondere GABA- und Glycinrezeptoren, deren Fehlfunktionen unter anderem zu Epilepsie führen können, stehen im Fokus.

„Wenn wir verstehen, wie genau Störungen der neuronalen Kommunikation bei Kindern wirken, können wir langfristig den Grundstein für neue, personalisierte Therapieansätze entwickeln“, ist Schäfer überzeugt.