Kleines Molekül steuert Lungenkrebs: Mechanismus der Tumorkommunikation entschlüsselt12. Oktober 2021 Das Forschungsteam „Extracellular Vesicles & miRNA Research“ des Fachbereichs Biologie der Technischen Universität Darmstadt: Meike Saul (Mitte) mit ihren wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Julia Donzelli (rechts) und Eva Pröstler (links). (Foto: © Sheila Nevermann) Forschende der Technischen Universität Darmstadt haben einen Mechanismus entdeckt, der maßgeblich zur zellulären Kommunikation im Tumor beiträgt. Die Entdeckung könnte zum Grundstein für innovative Therapieoptionen bei Lungenkrebs werden, glauben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Funktionieren eines mehrzelligen Organismus erfordert die genaue Koordination aller beteiligten Zellen – in gesundem Gewebe ebenso wie in Tumoren. Die Kommunikation zwischen den Zellen ist dabei von wesentlicher Bedeutung und erfolgt über direkten zellulären Kontakt oder über Botenstoffe. Neueste Studien zeigen zudem, dass Zellen kleine extrazelluläre Vesikel (Exosome) mit einer Größe von 50 bis 200 Nanometern in die Umgebung abgegeben, die wesentlich zur zellulären Kommunikation beitragen. Lange Zeit wurde diesen Vesikeln wenig biologische Bedeutung beigemessen. Man ging davon aus, dass die Zellen damit überflüssige Moleküle entsorgen. Mittlerweile weiß man von der fundamentalen Bedeutung dieser Vesikel für die Regulation verschiedener physiologischer Prozesse und Krankheiten wie beispielsweise Krebs. Bei der Kommunikation innerhalb der Zelle spielen besonders die in Exosomen enthaltenen mikroRNA (miRNA) eine wichtige Rolle. In einem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Forschungsprojekt hat die Arbeitsgruppe um Dr. Meike Saul, Fachbereich Biologie der Technischen Universität Darmstadt, die physiologische Funktion von solchen exosomalen miRNA untersucht und konnte zuletzt mit ihren Untersuchungen zum Lungenkrebs einen Erfolg erzielen. Es ist bekannt, dass die meisten Fälle von nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom mit einer Überexpression des pro-inflammatorischen Lipidmediators Prostaglandin E2 (PGE2) einhergehen, der das Tumorwachstum stark fördert. Das Ausmaß, in dem entzündungs- und tumorfördernde Lipidmediatoren die Kommunikation per Exosom zwischen Zellen beeinflussen, wurde bisher noch nicht untersucht. In ihrer Studie hat Saul mit ihren wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, Dr. Julia Donzelli und Eva Pröstler, gemeinsam mit weiteren Forschenden der TU Darmstadt, der Universität Gießen und des Karolinska Institutet (Stockholm/Schweden) zum ersten Mal zeigen können, dass PGE2 die exosomale Sekretion der mikroRNA miR-574-5p aus Lungenkrebszellen signifikant steigert. Das Team fand zudem heraus, dass diese miR-574-5p, die im Exosom transportiert wird, einen Immunrezeptor aktiviert, wodurch der PGE2-Spiegel sinkt. Innerhalb der Zelle dagegen stößt miR-574-5p die PGE2-Biosynthese an. Die Studie zeigte: Eine Kombination aus intrazellulärer und exosomaler miR-574-5p steuert den PGE2-Spiegel über eine Rückkopplungsschleife. So lässt sich möglicherweise auch das Tumorwachstum beeinflussen. Beim nichtkleinzelligen Lungenkarzinom werden verschiedene Subtypen unterschieden. Beim Adenokarzinom konnte ein Einfluss der exosomalen miR-574-5p auf die PGE2-Biosynthese beobachtet werden. Das Forschungsteam um Saul führt dies auf die einzigartige Zusammensetzung unterschiedlicher Proteine auf der exosomalen Oberfläche zurück. Mit dieser Studie konnten Saul und ihre Kolleginnen und Kollegen erstmalig zeigen, dass die Funktion einer miRNA innerhalb der Zelle gegensätzlich zu ihrer Funktion im Exosom sein kann. Abhängig vom Aufnahmemechanismus kann eine exosomale miRNA an unterschiedlichen Stellen innerhalb einer Zelle freigesetzt werden, was die Funktion der miRNA entscheidend beeinflussen kann. Dieser neu entdeckte Zusammenhang zwischen miR-574-5p und PGE2 eröffnet eine neue therapeutische Möglichkeit für Lungenkrebs. „Die Ergebnisse geben die Grundlage für die Entwicklung innovativer und personalisierter Therapieansätze“, so Saul. „Die Kombination von Standard-Krebstherapien mit Inhibitoren der PGE2-Synthese stellt eine vielversprechende Behandlungsstrategie dar.“ Zu den bekannten PGE2-Hemmern gehören zum Beispiel nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR). „Leider konnte die tumorhemmende Wirkung von PGE2-Inhibitoren nicht bei allen Tumorpatienten und -patientinnen beobachtet werden“, sagt Saul. Dies sei auf die individuelle PGE2-Syntheserate der Erkrankten zurückzuführen. Ziel ist es daher, einen Biomarker zu finden, der Patientinnen und Patienten identifiziert, die von der Gabe von PGE2-Inhibitoren profitieren könnten (Stratifizierungsmarker). „Die miR-574-5p kann als Tumor- und Stratifikationsmarker dienen, um Lungentumorpatientinnen und -patienten auszuwählen, die auf die pharmakologische Hemmung der PGE2-Biosynthese ansprechen. Wir führen zurzeit eine klinische Studie durch, um unsere Hypothese weiter zu validieren“, sagt Saul.
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