Kolorektalkarzinom: Viele nicht diagnostizierte Fälle beginnen vor dem Screening-Alter, schätzen Forscher

Dr. Jordan Karlitz, Hauptautor der Studie, ist Professor an der Tulane University School of Medicine und Gastroenterologe beim Southeast Louisiana Veterans Healthcare System. (Foto: © Cheryl Gerber)

Eine Analyse der Kolorektalkrebsraten nach Lebensjahren, bezogen auf erwachsene Patienten in den USA, hat eine Zunahme neu diagnostizierter Fälle unter Personen im Alter von 49 bzw. 50 Jahren um 46 Prozent ergeben. Dies deute darauf hin, dass es viele latente Fälle gebe, die bis zum Einsetzen routinemäßiger Screenings im Alter von 50 Jahren unerkannt bleiben.

Die Wissenschaftler beobachteten, dass es sich bei 93 Prozent um Fälle einer invasiven Erkrankung handelte, die also einer aggressiveren Behandlung, einschließlich einer Operation, bedurften. Sie bestanden mit hoher Wahrscheinlichkeit schon für einige Zeit vor der Diagnose.

„Unsere Ergebnisse lassen die Schlussfolgerung zu, dass es eine hohe Last präklinischer, nicht entdeckter, früher Kolorektalkarzinome bei Patienten im Alter unter 50 Jahren gibt, die in den beobachteten Inzidenzraten nicht abgebildet wird“, erklärt Hauptautor Dr. Jordan Karlitz, Professor an der Tulane University School of Medicine und Gastroenterologe beim Southeast Louisiana Veterans Health Care System.

Da die Raten jüngerer Erwachsener mit Kolorektalkarzinomen kontinuierlich steigen, wird auch in den USA heftig diskutiert, ob die Altersgrenze für die empfohlenen Screenings heruntergesetzt werden sollte. Im Jahr 2018 forderte die American Cancer Society einen Beginn des Screenings im Alter von 45 Jahren. Die US Preventive Services Task Force jedoch, die die Bundesstandards für Screenings festlegt, empfiehlt derzeit einen Start des Screenings für Personen mit durchschnittlichem Risiko im Alter von 50 Jahren. Die Behörde untersucht das Problem, um festzustellen, ob Veränderungen in diesem Punkt die Outcomes verbessern können.

Die Gegner eines Screening-Beginns im Alter von 45 Jahren argumentierten in der Vergangenheit, dass die Inzidenzraten bei Personen zwischen dem 45. und dem 49. Lebensjahr als relativ gering anzusehen wären, wenn man sie mit der Personengruppe der 50- bis 54-Jährigen vergleicht. Die Autoren der aktuellen Studie nun befürchten, dass die Risiken für Personen zwischen 45 und 49 Jahren unterschätzt werden, weil die Inzidenzdaten für diese Altersgruppe wahrscheinlich nur solche Fälle mit einschließen, die erkannt werden, weil sie symptomatisch werden und/oder weil es eine familiäre Vorgeschichte gibt – anders als bei Personen im Alter von 50 Jahren oder älter, deren Krebserkrankung bei einem Screening entdeckt wird.

Die Forscher analysierten daher die Inzidenzraten für Kolorektalkarzinome in 1-Jahres-Schritten zwischen dem Alter von 30 und 60 Jahren für die Jahre 2000 bis 2015. Sie vermuteten, dass wenn es viele unentdeckte Krankheitsfälle gebe, es zu einem deutlichen Anstieg diagnostizierter Erkrankungen im Alter von 49/50 Jahren kommen würde, wenn das Screening beginnt.

Die Wissenschaftler beobachteten einen steilen Anstieg von 34,9 Diagnosen pro 100.000 Personen im Alter von 49 Jahren auf 51 Diagnose pro 100.000 Personen im Alter von 50 Jahren. Starke Zunahmen wurden zudem festgestellt sowohl bei Männern (52,9%) als auch bei Frauen (39,1%), bei weißen (46,2%) und bei schwarzen (47,3%) Populationen, und zwar für Kolonkarzinome (51,4%) und Rektumkarzinome (37,6%). In früheren Studien hatte man diese Anstiege der Inzidenz zwischen dem 49. und 50. Lebensjahr nicht erkannt, weil lediglich Altersgruppen untersucht worden waren.

Auch das Stadium, in dem die Krebserkrankungen bei ihrer Entdeckung waren, wurde von den Studienautoren untersucht. Sie fanden eine Spitze lokaler und regionaler Erkrankungen, die ein chirurgisches Vorgehen erfordern würden, ebenso möglicherweise eine Chemotherapie und Bestrahlung.

Die Studie liefert der Debatte um einen möglichen früheren Beginn des Kolorektalkrebs-Screenings in einem Alter von 45 Jahren neuen Zündstoff. Laut Karlitz könnte die kombinierte Last unentdeckter und entdeckter früh beginnender Kolorektalkarzinome bei Personen im Alter von 45 bis 49 Jahren tatsächlich an die von Personen in ihren frühen 50er-Jahren heranreichen.

„Unsere Daten untermauern, dass die Inzidenz von Kolorektalkarzinomen bei Personen in deren frühen 50er-Jahren im Vergleich zu solchen in den späten 40ern erheblich ansteigt – nicht nur, weil die Raten tatsächlich unter von Personen zwischen 45 und 49 Jahren liegen, sondern weil ein Kolorektalkrebs besteht, aber nicht diagnostiziert wird, bevor schließlich mit dem Screening begonnen wird“, erklärt der Mediziner.

Eine Einschränkung der Studie besteht in ihrem bevölkerungsbasierten Design: Dadurch konnten die Forscher nur begrenzt exakt bestimmen, bei welchen Patienten im Alter von 50 Jahren bei einem Screening oder einem diagnostischen Test eine Krebserkrankung erkannt wurde.

„Dennoch stützt die signifikant hohe Rate von Fällen einer invasiven Erkrankung die Auffassung, dass beinahe alle Krebserkrankungen die bei dem Anstieg der Rate zwischen dem 49. und dem 50. Lebensjahr berücksichtigt wurden, eine aggressive Behandlung erforderten – unabhängig davon, wann sie entdeckt wurden“, sagt Karlitz.