Kolorektalkrebs: Diagnose beeinflusst das Leben jüngerer Betroffener anders als das Älterer

Die Darmkrebsraten unter jüngeren Erwachsenen nehmen zu. Forschende und Mediziner haben es in solchen Fällen nicht nur mit häufig aggressiveren Tumoren zu tun, sondern auch mit Patienten, die anders im Leben stehen als Ältere und deshalb auch anders ganzheitlich betreut werden müssen. (Foto: © contrastwerkstatt/stock.adobe.com)

Zwei Studien beleuchten die Tatsache, dass jüngere Erwachsene andere Ressourcen und Hilfestellungen benötigen, um aggressivere Krebserkrankungen zu vermeiden, daraufhin zu screenen und um damit fertigzuwerden.

Die beiden Forschungsarbeiten wurden kürzlich auf der Jahrestagung des American College of Surgeons (ACS) in San Francisco (USA) vorgestellt.

Jüngere Erwachsene, die an Kolonkrebs erkranken, erhalten ihre Diagnose tendenziell in einem späteren Krankheitsstadium und leiden mit höherer Wahrscheinlichkeit an einer aggressiveren Erkrankung. Zudem unterscheiden sich die negativen Folgen auf das Leben der jüngeren Patienten von denen, die Darmkrebs auf Ältere hat. „Wir wissen, dass in den vergangenen 20 Jahren die Raten der Darmkrebsdiagnosen unter Personen im Alter von 66 Jahren und älter um 20 Prozent gesunken sind“, sagte Dr. Kelley Chan vom Loyola University Medical Center (USA), Hauptautor einer der auf dem ACS-Kongress vorgestellten Studien. Um zu verstehen, warum immer mehr jüngere Menschen von Darmkrebs betroffen sind, untersuchten die Forschenden soziodemografische Faktoren und die Tumorbiologie bei Patienten aus dieser Altersgruppe. Dafür griffen sie auf die National Cancer Data Base zu, eine große, krankenhausbasierte Datenbank, in der drei Viertel aller diagnostizierten Krebsfälle in den USA erfasst sind. Die Studienautoren verglichen zwei Gruppen: jüngere Erwachsene (18-44 Jahre) und ältere (45 Jahre und älter), bei denen zwischen 2015 und 2021 ein Kolonkarzinom festgestellt wurde.

Diagnose in jüngerem Alter: Häufig fortgeschritteneres Stadium und aggressivere Tumorbiologie

Die Wissenschaftler machten 318.951 Fälle von Kolonkrebs in Krankenhäusern ausfindig, die von der Commission on Cancer (CoC) des ASC zertifiziert sind. Davon betrafen 16.974 Fälle (5,6%) jüngere Erwachsene und 301.977 (94,4%) ältere. Ein Vergleich der beiden Altersgruppen ergab, dass ein höherer Anteil jüngerer Erwachsener an einer Erkrankung späteren Stadiums litten und dass die Tumore von einem aggressiveren Typ waren. Ein weiteres Ergebnis: Ein höherer Anteil der jüngeren Patienten mit Kolonkrebs bestand aus Schwarzen nichthispanischer Abstammung (16,9%), verglichen mit einem Anteil dieser Gruppe an der gesamten Allgemeinbevölkerung in den USA von 12,1 Prozent.

„Diese Ergebnisse unterstreichen, dass es bei der Inzidenz von Kolonkrebs in dieser Population Unterschiede gibt“, erklärte Chan. „Dies stimmt mit älteren Untersuchungen überein, die zeigten, dass die Zahlen für die Diagnose von früh im Leben auftretenden Kolonkrebs unter nichthispanischen Schwarzen im Vergleich zu anderen Gruppen am höchsten sind.“ Die Autoren der aktuellen Studie beobachteten, dass die Erkrankung bei jüngeren Erwachsenen – nach Berücksichtigung soziodemografischer Faktoren und anderen schweren Erkrankungen – in einem engen Zusammenhang steht mit Adipositas, Krebserkrankungen des Kolons in der Familiengeschichte, Chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und Symptomen wie Schmerzen im Abdomen oder rektale Blutungen.

„In anderen Untersuchungen ist gezeigt worden, dass Kolonkrebs bei jüngeren Erwachsenen aggressivere molekulare und genetische Eigenschaften hat. Somit unterstreichen unsere Ergebnisse, dass intensiver geforscht werden muss, um zu verstehen, wie und warum sich Kolonkrebs bei Erwachsenen im Alter unter 45 Jahren entwickelt. Auch muss man die Beurteilung des individuellen Krebsrisikos neu überdenken, um Prävention und Screening dieser Krebserkrankungen zu verbessern und sie zu erkennen, bevor sie sich in ein fortgeschrittenes Stadium entwickeln.“

Die vorgestellte Untersuchung unterlag jedoch auch Einschränkungen. So wird ein Viertel aller Krebskranken in den USA in Krankenhäusern ohne COC-Zertifizierung behandelt und wurde daher in der Studie nicht berücksichtigt. Dies bedeutet, dass einige der beobachteten Unterschiede möglicherweise nicht auf alle Regionen und ethnischen Gruppen zutreffen.

Nicht nur die Krankheit, sondern den Patienten behandeln

Für jüngere Erwachsene hat eine Krebsdiagnose viele weitreichende Konsequenzen, die noch nicht gut wissenschaftlich beschrieben sind. Das weiß auch Dr. Samantha Savitch von der University of Michigan in Ann Arbor (USA), Hauptautorin der zweiten auf dem ASC-Kongress vorgestellten Arbeit. Sie sagte: „Kolorektalkrebs tritt immer häufiger bei jungen Erwachsenen auf, verbunden mit einer Reihe besonderer Umstände. Wir müssen verstehen, dass Darmkrebs jüngere Menschen in einer Phase ihres Lebens betrifft, in der sich dieses noch entwickelt. Wir müssen deshalb ganzheitlichere Wege finden, um ihre Probleme zu lösen.“

Um die Erfahrungen junger Erwachsener mit Darmkrebs besser zu verstehen, führte das Forschungsteam Interviews mit 35 Patienten, bei denen vor dem 50. Lebensjahr ein Kolorektalkarzinom diagnostiziert wurde. Die Teilnehmer wurden in drei akademischen Lehrkrankenhäusern rekrutiert, in denen sie wegen ihrer Krebserkrankung behandelt wurden. Die Forschenden stellten den Teilnehmern offene Fragen dazu, welchen Einfluss die Krebsdiagnose auf ihr Leben hatte sowie zu täglichen Herausforderungen und ihren Sorgen bezüglich der Zukunft.

Die größte Belastung empfanden die Befragten in vier Bereichen, die ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden betrafen: körperliche Gesundheit, geistige Gesundheit, Familienplanung und Karriere. Die Antworten der Patienten zeigten insbesondere, dass Infertilität, Angst und Unsicherheit im Zusammenhang mit der Diagnose und dem langfristigen Überleben als am wichtigsten empfunden werden – ebenso wie die Angst, dass sie kein Vermögen aufbauen, eine höhere Ausbildung absolvieren oder einen sicheren Arbeitsplatz finden können. Darüber hinaus waren diese Sorgen nicht geschlechtsspezifisch: Karriere, körperliche Gesundheit, finanzielle Sicherheit, psychische Gesundheit, Fruchtbarkeit und Familienplanung waren für Männer und Frauen gleichermaßen wichtig.

Die Autoren der Studie hoffen, dass dieses Verständnis der Sorgen von Patienten weitere Diskussionen über die umfassenden Bedürfnisse jüngerer Patienten anregen und das Interesse an der Schaffung von Programmen zur Infertilitätsberatung, finanziellen Unterstützung und psychologischen Beratung wecken wird. „Diese Aspekte der Krebsbehandlung werden selten besprochen, daher ist es wichtig verstehen, dass sich Patienten um Fertilität und Familienplanung, ihre Karriereziele und den Vermögensaufbau sorgen – alles Dinge, die sie aufgrund ihrer Krebsdiagnose auf Eis legen müssen“, erläuterte Savitch. „Das betrifft nicht nur Darmkrebs. Krebserkrankungen nehmen bei jüngeren Patienten generell zu. Es gibt viele Patienten, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, daher brauchen wir mehr Forschung, um diese Probleme bei Patienten mit Kolorektalkrebs und anderen Krebsarten besser zu verstehen und letztendlich unsere umfassenden Krebsprogramme neu zu strukturieren. So können wir sicherstellen, dass wir den Patienten und nicht nur die Krankheit behandeln.“