Kolorektalkrebs im sozioökonomischen Kontext: Wie das Lebensmittelangebot in der Nachbarschaft den Darm beeinflusst

Große Supermärkte mit einem großen Angebot auch an gesunden Lebensmittel sind in sozioökonomisch benachteiligten Wohngebieten in den USA, in den der Anteil der afroamerikanischen Bevölkerung hoch ist, in der Regel Mangelware. Eine neue Studie sieht einen Zusammenhang zwischen diesem Umstand, ungesunder Ernährung, Gallensäuren, dem Darmmikrobiom – und letzten Endes Kolorektalkarzinomen und deren Häufigkeit in der schwarzen Bevölkerung. (Foto: © Maha Heang 245789/stock.adobe.com)

Experten erwarten für die USA, dass Darmkrebs im Jahr 2022 mehr als 52.000 Einwohner das Leben kosten wird. Und: Wenn in dieser Hinsicht dieses Jahr wie die meisten anderen in der Vergangenheit verläuft, werden Schwarze die Hauptlast tragen. Um diesen Unterschied zu verstehen, haben Forschende der University of Illinois (USA) untersucht, ob und wie Gallensäuren, Darmmikroben, Ethnie und die Lebensmittelversorgung in der näheren Umgebung der Betroffenen bei der Entstehung von Darmkrebs zusammenhängen.

„Unsere Überprüfung macht sich wichtige Grundlagenforschung zunutze, um mikrobielle Mechanismen bei den Unterschieden in Bezug auf Krebs und Gesundheit im Zusammenhang mit Hindernissen bezüglich der Lebensmittelbeschaffung in der näheren Wohnumgebung zu untersuchen“, erklärt Hauptautorin Patricia Wolf.

Gallensäuren helfen bei der Verdauung und Aufnahme von Fetten, Cholesterin und bestimmten Vitaminen. Mikroben verstoffwechseln diese Säuren zu sekundären Gallensäuren. Einige davon sind nützlich, andere verursachen Entzündungen oder schädigen die DNA. Wenn sich diese negativen Auswirkungen aufbauen, kann Krebs die Folge sein.

Was das Gleichgewicht zwischen nützlichen und schädlichen sekundären Gallensäuren beeinflusst, weiß man nicht genau. Bekannt ist aber, dass die Ernährung eine große Rolle spielt. Laut Wolf bringen viele Forschungsergebnisse Darmkrebs mit der westlichen Art der Ernährung in Verbindung, vor allem mit fetthaltiger Kost und verarbeiteten Lebensmitteln. Da sich aber Vertreter aller Ethnien in den USA potenziell nach westlichem Vorbild ernähren, müsse es bei Afroamerikanern noch einen anderen Grund geben, mutmaßen die Studienautoren.

„Im Durchschnitt leben Schwarze beziehungsweise Afroamerikaner mehr als eine Meile weiter von Supermärkten mit einem umfassendem Lebensmittelangebot entfernt als nichthispanische Weiße. Menschen, die in solchen Lebensmittelwüsten leben, haben keine andere Wahl, als in Mini-Märkten oder Bodegas einzukaufen. Das wirkt sich auf die Nahrungsaufnahme aus – weniger Vollwertkost, weniger Ballaststoffe und Kalzium – und verändert wahrscheinlich das Umfeld im Darm“, sagt Wolf.

Patricia Wolf (li.) von der University of Illinois untersuchte zusammen mit Rex Gaskins (re.), wie sich das Lebensmittelangebot in der Wohnumgebung auf Gallensäuren auswirkt, die wiederum Darmkrebs beeinflussen. (Foto: © Universität von Illinois)

Die Forscherin betont, dass sie und ihre Kollegen nicht die ersten sind, die sogenannte Lebensmittelwüsten, schlechte Ernährung und Bevölkerungsgruppen unterschiedlicher Ethnie miteinander in Verbindung bringen. Sie sagt aber auch, dass ihre Untersuchungen noch einen Schritt weitergingen: Die Autoren der aktuellen Studie untersuchten, wie sich diese Unterschiede auf Gallensäuren, Darmmikroben und das Auftreten von Krebserkrankungen auswirken. Sie legen dar, wie jeder Aspekt der Lebensmittelversorgung im Wohnumfeld sowie andere sozioökonomische Gegebenheiten diese nachgelagerten Auswirkungen beeinflussen.

Zum Beispiel erklären die Autoren in ihrer Übersicht, dass Lebensmittel, die reich an Taurin und Cystein sind, schädliche sekundäre Gallensäuren und Schwefelwasserstoff fördern. Diese Verbindungen können Zellmembranen zerstören, Entzündungen verursachen und die DNA schädigen.

Der übermäßige Konsum gesättigter und mehrfach ungesättigter Fette wie in Mais- und Distelöl wird mit einem Anstieg der Gallensäuren insgesamt und sekundärer Gallensäuren in Verbindung gebracht, einschließlich mehrerer spezifischer Formen, die das Entzündungs- und Krebsrisiko erhöhen. Starker Alkoholkonsum bewirkt im Wesentlichen dasselbe. Und Wolf merkt an, dass in US-amerikanischen Wohnvierteln, in denen es kaum gesunde Lebensmittel zu kaufen gibt, häufig mit Fast-Food-Restaurants und Spirituosengeschäften geradezu übersät sind.

Umgekehrt verringern Ballaststoffe und Kalzium die Bioverfügbarkeit sekundärer Gallensäuren und bieten einen Schutz vor Zell- und DNA-Schäden. Diese Nährstoffe fehlen aber in Fast-Food oder verarbeiteten Lebensmitteln sowie in den Lebensmitteln, die in Mini-Märkten verkauft werden, entweder völlig oder sind für den Körper weniger verfügbar.

Die Übersicht weist auch auf aktuelle Forschungsergebnisse hin, die darauf hindeuten, dass Störungen des zirkadianen Rhythmus mikrobielle Prozesse, einschließlich des Gallensäurestoffwechsels, beeinflussen können. Nach Ansicht der Studienautoren könnten somit ungewöhnliche Essenszeiten aufgrund von Schichtarbeit zum Darmkrebsrisiko beitragen – insbesondere vor dem Hintergrund einer qualitativ schlechten Ernährung.