Kolorektalkrebs: Screening-Verfahren im Vergleich, Plädoyer für die Koloskopie

Für das Kolorektalkrebs-Screening sei ein Bluttest sicher besser als gar keine Untersuchung, urteilen die Autoren einer neuen Studie – sie warnen aber vor höheren Darmkrebsraten, wenn zu viele Menschen ausschließlich dieses Verfahren nutzen und bei einem positiven Befund keine Koloskopie durchführen lassen. (Foto: © luchschenF/stock.adobe.com)

US-Wissenschaftler haben die aktuell verfügbaren Verfahren des Screenings auf Kolorektalkrebs hinsichtlich ihres Einflusses auf Krebsraten, Todesfälle und Kosten-Nutzen-Verhältnis auf Bevölkerungsebene miteinander verglichen.

Die Studie, die unter der Leitung von Forschenden der Universität Stanford (USA) durchgeführt wurde, zeigt, dass neue Tests zur Identifizierung von Darmkrebs-DNA im Blut zwar für Patienten attraktiv sind, die vor einer Koloskopie zurückschrecken und sich auch mit dem Gedanken an eine Untersuchung auf okkultes Blut im Stuhl nicht anfreunden können. Sollten aber zu viele Menschen, die sich bisher diesen herkömmlichen Verfahren unterzogen haben, auf einen Bluttest umsteigen, werden die Darmkrebsraten steigen, warnen die Studienautoren.

„Die erste Generation von Bluttests stellt eine wirklich interessante Entwicklung des Paradigmas des Darmkrebs-Screenings dar“, erklärt der Gastroenterloge Prof. Uri Ladabaum, Erstautor der kürzlich publizierten Arbeit. „Zum jetzigen Zeitpunkt aber sollte man, wenn man in der Lage und Willens ist, sich einer Koloskopie oder einem stuhlbasierten Test zu unterziehen, nicht zu einem Bluttest wechseln.“ Ladabaum betont auch, dass die Bluttests auf zellfreie DNA auf Bevölkerungsebene nur dann wirksam bei der Senkung der Kolorektalkrebsrate sein werden, wenn zu Untersuchende, die verlässlich alle drei Jahre ihr Blut auf Darmkrebs-DNA untersuchen lassen, eine Koloskopie durchführen lassen, wenn der Bluttest positiv ausfällt.

Abwägen der Möglichkeiten

Die Koloskopie bietet im Gegensatz zu den beiden anderen Verfahren der Darmkrebserkennung einen entscheidenden Vorteil: Sie dient nicht nur der Detektion, sondern auch der Prävention, können doch verdächtige Polypen bei der Koloskopie gleich abgetragen werden. „Das macht die Koloskopie zu einem einzigartigen Krebs-Screening-Verfahren, weil man so auch die Möglichkeit der Verhinderung von Krebserkrankungen hat“, betont Ladabaum. „Trotzdem gibt es viele Menschen, die gar nicht gescreent werden, oder nicht so häufig, wie sie sollten.“ Daten zeigen dann auch, dass etwa einer von drei US-Amerikanern im Altersbereich, für den ein Screening empfohlen wird, noch niemals auf Kolorektalkrebs untersucht worden ist. Man hofft daher, die Screening-Raten durch neue Untersuchungsverfahren erhöhen zu können.

In einer randomisierten kontrollierten Studie verglichen Ladabaum und Kollegen die drei zur Verfügung stehenden Verfahren. Sie trugen zuvor veröffentlichte Daten zu sechs Blut- und Stuhl-Test zusammen (entweder noch in der Entwicklung befindlich oder bereits kommerziell erhältlich), ebenso wie publizierte Daten zur Koloskopie. Aus diesen Informationen modellierten sie die relativen Daten von Kolorektalkrebs und damit in Verbindung stehenden Todesfällen unter 100.000 Personen mit durchschnittlichem Kolorektalkrebsrisiko, die sich jedem der drei Screening-Verfahren unterzogen.

Die Wissenschaftler errechneten Folgendes: Von 100.000 Personen, bei denen alle zehn Jahre eine Darmspiegelung durchgeführt wird, erkranken 1543 an Darmkrebs und 672 versterben daran. Bei jährlichen oder alle drei Jahre stattfindenden stuhlbasierten Tests (das Untersuchungsintervall ist abhängig vom Produkt) reicht die Darmkrebsinzidenz von 2181 bis 2498 pro 100.000 Personen und die Todesfälle von 904 bis 1025. Für die neuen Bluttests, für die ein Intervall von drei Jahren vorgesehen ist, berechneten die Forschenden eine Kolorektalkrebsinzidenz von 4310 bis 4365 und Todesfälle zwischen 1604 und 1679 pro 100.000 Personen – etwa zweieinhalb mal so viele wie bei der Darmspiegelung. Wird keines der verfügbaren Screening-Verfahren genutzt, kommt es den Berechnungen zufolge zu 7470 Kolorektalkrebsfällen und zu 3624 damit in Verbindung stehenden Todesfällen pro 100.000 Personen.

Bei der Betrachtung der Kosten für die jeweiligen Verfahren stellten die Studienautoren außerdem für Koloskopie und stuhlbasierte Untersuchungen ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis fest. Ladabaum macht deutlich: „Eine Untersuchung des Blutes ist sicherlich besser als gar kein Test – aber wenn von Koloskopien auf die erste Generation der Bluttests umgestiegen wird, hat dies auf Bevölkerungsebene schlechtere Outcomes und zudem höhere Kosten zur Folge.“

Modellierung von Patientenentscheidungen

Als Ladabaums Arbeitsgruppe die Auswirkungen der Patientenentscheidungen auf die bevölkerungsweite Kolorektalkarzinomrate modellierte, stellten sie fest, dass die meisten Menschen im besten Fall weiterhin eine Koloskopie oder Stuhltests zur Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen. Bluttests sehen die Forschenden als Möglichkeit ausschließlich für Personen an, die sich sonst gar nicht untersuchen lassen würden.

Laut den Wissenschaftlern sind Real-World-Daten zu Patientenentscheidungen in Bezug auf die Darmkrebsvorsorge nötig, um das Modell zur Auswirkung der Bluttests auf die Krebsraten zu verfeinern. Ladabaum weist auch auf mögliche Weiterentwicklungen der Bluttests hin: Die aktuell gewonnenen Erkenntnisse könnten dann für zukünftige Testgenerationen möglicherweise nicht mehr gelten. Für den Moment hoffen die Forschenden, dass Patienten – und Ärzte – bei den derzeit wirksamsten verfügbaren Vorsorgeverfahren bleiben. „Als Ideal wünschen wir uns, dass sich so viele Menschen wie möglich auf Kolorektalkrebs untersuchen lassen, und das wird wahrscheinlich bedeuten, dass in der gesamten Bevölkerung eine Kombination verschiedener Tests zum Einsatz kommt“, sagt Ladabaum.

Ebenfalls an der Studie beteiligt waren Forschende von den Universitäten Pittsburgh und Washington sowie von der Oregon Health and Sciences University (alle USA).