Lebensmittelzusätze: Manche können Entzündungen im Darm verstärken, andere sind unbedenklich19. August 2025 Forscher empfehlen, dass Lebensmittelhersteller die Menge jedes Zusatzstoffes auf den Produktetiketten angeben sollten, damit Verbraucher besser nachvollziehen können, was und wieviel sie konsumieren. (Foto: © Sia/stock.adobe.com) Ein Überblick über die Ergebnisse von Tierstudien deutet darauf hin, dass manche Lebensmittelzusatzstoffe wie künstliche Farb- und Süßstoffe, Emulgatoren und antimikrobielle Konservierungsmittel die Darmgesundheit schädigen können. Eine In-vitro-Studie indessen bietet einen ersten Einblick darin, wie Bindemittel dank natürlicher Polysaccharide in der Ernährung von Darmbakterien verdaut werden. Review von Tierstudien zu Zusatzstoffen und Darmgesundheit Eine kürzlich in der Zeitschrift der Federation of American Societies for Experimental Biology („FASEB Journal“) veröffentlichte Übersichtsarbeit fasst relevante Literatur zum Zusammenhang zwischen Zusatzstoffen in Lebensmitteln und der Darmgesundheit zusammen und zeigt im Ergebnis, dass weitere klinische Studien erforderlich sind, um die potenziellen Auswirkungen auf den Menschen sicher zu bewerten. Dies gilt laut den Autoren insbesondere für Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen. Bis weitere Erkenntnisse vorliegen, schlagen die Wissenschaftler politische Maßnahmen vor, die dazu beitragen können, dass Menschen fundiertere Entscheidungen bezüglich der von ihnen konsumierten Lebensmittel treffen. Während Lebensmittelzusatzstoffe die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern oder diese für Verbraucher attraktiver machen, besitzen sie keinen intrinsischen Nährwert und können den Magen-Darm-Trakt sogar schädigen. Dabei nimmt die Verwendung von Lebensmittelzusatzstoffen zu – ebenso wie die Prävalenz gastrointestinaler Erkrankungen. Letztere werden häufig mit Umweltfaktoren wie auch Zusatzstoffen in Verbindung gebracht. Um einen besseren Überblick über den aktuellen Wissensstand zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Lebensmittelzusatzstoffen zu erhalten, recherchierten Waliul Khan und Kollegen von der McMaster University in Kanada die verfügbare Literatur und fassten deren Ergebnisse zusammen. Chemische Lebensmittelzusatzstoffe sind häufig in hochverarbeiteten Lebensmitteln enthalten. Der Kontakt mit diesen Zusatzstoffen wirkt sich nachweislich auf den Magen-Darm-Trakt aus, indem er das Darmmikrobiom verändert, die Darmschleimhautschicht dünner macht, die Barrierefunktion beeinträchtigt und anomale Immunreaktionen auslöst. Dies deutet darauf hin, dass der Verzehr dieser Lebensmittelzusatzstoffe negative Auswirkungen auf die Darmgesundheit haben kann, was die Notwendigkeit einer weiteren Erforschung dieser Zusatzstoffe auf experimenteller, epidemiologischer und klinischer Ebene unterstreicht. (Abbildung: FASEB/FASEB Journal) Weniger wäre mehr – vor allem bei Menschen mit bestehenden Darmerkrankungen In der Übersicht beschreibt das Team die Ergebnisse mehrerer Tierstudien, aus denen negative Auswirkungen von Zusatzstoffen auf den Darm berichtet werden. So können viele künstliche Lebensmittelfarbstoffe, wie Azofarbstoffe, und einige künstliche Süßstoffe Darmentzündungen verstärken, die Darmdurchlässigkeit verändern und das Darmmikrobiom in Mausmodellen stören. „Die aktuellen Erkenntnisse zeigen, dass der Kontakt mit bestimmten Lebensmittelzusatzstoffen sich nachteilig auf die Darmgesundheit auswirken kann“, erklärt Khan. „Da diese Zusatzstoffe keinen Nährwert besitzen, kann die Reduzierung oder sogar Vermeidung von zusatzstoffhaltigen Lebensmitteln für Verbraucher, insbesondere für Menschen mit Darmerkrankungen, eine sinnvolle Entscheidung sein.“ Untersuchungen am Menschen und zu Zusatzstoff-Kombinationen sind nötig Da die meisten der identifizierten Studien auf Tiermodellen basierten, kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass weitere Untersuchungen am Menschen erforderlich sind, um die möglichen Auswirkungen von Lebensmittelzusatzstoffen auf die menschliche Magen-Darm-Gesundheit besser beurteilen zu können. Darüber hinaus wurde in den meisten der Studien ein Lebensmittelzusatzstoff isoliert, was nicht der typischen Verwendung dieser Verbindungen in handelsüblichen Lebensmitteln und Getränken entspricht. Die Forscher argumentieren jedoch, dass genügend neue Erkenntnisse vorliegen, um erste politische Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Positiv sei anzumerken, dass sowohl die US-amerikanische Food and Drug Administration als auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Zusatzstoffe bereits neu bewerten. Eine Empfehlung des Forscherteams besteht darin, dass Lebensmittelhersteller die Menge jedes Zusatzstoffes auf den Produktetiketten angeben sollten, damit Verbraucher besser nachvollziehen können, was und wieviel sie konsumieren. Vorstellbar sei auch die Anbringung von Warnhinweisen, wie es in der Europäischen Union bereits üblich ist. Bindemittel: Nicht einfach Passage durch den Darm, sondern Verdauung Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus Kanada liefert derweil erste Einblicke darin, wie Verdickungs- oder Bindemittel in Lebensmitteln tatsächlich von Bakterien im menschlichen Darm verdaut werden – dank natürlicher Polysaccharide. „Forscher gingen bisher davon aus, dass diese Verdickungsmittel – künstliche Derivate natürlicher Zellulose – den Verdauungstrakt unverändert passieren“, erläutert Dr. Deepesh Panwar, Postdoktorand in den Michael Smith Laboratories an der University of British Columbia. Er ist Hauptautor der gerade im „Journal of Bacteriology“ veröffentlichten Arbeit. „Unsere Studie gibt jedoch einen ersten Einblick, wie diese Lebensmittelzusatzstoffe dank natürlicher Polysaccharide in unserer Ernährung tatsächlich von Darmbakterien verdaut werden.“ Deepesh Panwar prüft eine Platte mit Bakterien, die am Stoffwechsel künstlicher Cellulosederivate beteiligt sind. (Foto: © Emily Cook, Michael Smith Laboratories, University of British Columbia) Die komplexe Struktur der betrachteten Zellulosederivate ist der Grund dafür, dass sie in Produkten wie Ketchup, Salatdressing und Zahnpasta als Verdickungs- oder Bindemittel zum Einsatz kommen. Diese Struktur ist auch der Grund, warum Darmbakterien sie schwerer abbauen können – und warum sie in höheren Konzentrationen sogar als Abführmittel eingesetzt werden. Die nun vorgelegte In-vitro-Studie der kanadischen Wissenschaftler zeigt jedoch, dass die Zellulosederivate verdaut werden können, wenn Bakterien im Darm mit natürlichen Polysacchariden wie eine Waffe „scharf gemacht“ werden. Dies liegt daran, dass die natürlichen Polysaccharide Enzyme aktivieren, die auf bakteriellen Zelloberflächen produziert werden und auch künstliche Zellulosemoleküle abbauen können. Weiterhin als unbedenklich einzustufen, aber erforschenswert Das Forscherteam betont, dass die von ihnen gewonnenen Erkenntnisse die „durch jahrelange Tests und die Anwendungsgeschichte belegte Unbedenklichkeit dieser Verbindungen“ nicht infrage stellen. Die neuen Ergebnisse zeigten jedoch, dass die physikalischen, chemischen und biologischen Auswirkungen der Verdauung von Zellulosederivaten durch Darmbakterien noch weiter erforscht werden sollten. Ein Grund dafür, dass die Wissenschaft dies möglicherweise bisher nicht erkannt hat, liegt wohl darin, dass Bakterien im Labor häufig isolierten Polysacchariden, einschließlich Zellulosederivaten, ausgesetzt sind – und nicht Kombinationen, die der tatsächlichen Ernährung des Menschen entsprechen. Denn isoliert können diese Zellulosederivate nicht dieselben Enzyme aktivieren, was ihre Verdauung verhindert. „Es war für uns wirklich unerwartet zu sehen, dass diese Zellulosederivate tatsächlich als Zuckerquelle für das Bakterienwachstum dienen“, berichtet Dr. Harry Brumer, Professor in den Michael Smith Laboratories und an der Fakultät für Chemie der University of British Columbia. „Es ist immer wieder eine Überraschung, wenn eine neue Erkenntnis der gängigen Meinung widerspricht. In diesem Fall zeigt sie, dass diese gängigen Zusatzstoffe nicht nur inaktive Verdickungsmittel sind.“ Die nächsten Forschungsschritte werden laut Brumer darin bestehen, diese Fähigkeit bei einem breiteren Spektrum menschlicher Darmbakterien zu untersuchen und schließlich die möglichen Auswirkungen auf die Ernährung des Menschen zu erforschen. (ac)
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