Leberkrebs: Drei von fünf Fällen sind auf vermeidbare Risikofaktoren zurückzuführen

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Mehr als 60 Prozent der Leberkrebserkrankungen weltweit wären durch eine Reduzierung von Risikofaktoren – Virushepatitis, Alkohol und mit einer Stoffwechseldysfunktion assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD) – vermeidbar. Das geht aus dem aktuellen Bericht einer Lancet-Kommission hervor.

Für Leberkrebs prognostiziert diese Lancet-Kommission, dass der Anteil der Fälle aufgrund einer mit Stoffwechseldysfunktion assoziierten Steatohepatitis (MASH) bis 2050 um 35 Prozent (von 8 auf 11%) zunehmen wird. Die Autoren fordern daher ein stärkeres öffentliches, medizinisches und politisches Bewusstsein für das wachsende MASLD-Risiko – insbesondere in den USA, Europa und Asien –, mit Schwerpunkt auf Hochrisikogruppen, darunter Menschen mit Diabetes und Adipositas.

Da sich die Zahl der Neuerkrankungen an Leberkrebs in den nächsten 25 Jahren voraussichtlich verdoppeln wird, wenn nicht sofort Maßnahmen ergriffen werden, formuliert die Kommission eine Senkung der Neuerkrankungen um zwei bis fünf Prozent jährlich als Ziel. Werde dieses erreicht, könnten bis zu 17 Millionen Leberkrebsfälle und bis zu 15 Millionen Todesfälle verhindert werden.

Mehr Hepatitis-B-Impfungen, stärkere Regulierungen

Die meisten Leberkrebsfälle könnten laut der Analyse der Lancet-Kommission durch eine Verringerung der Virushepatitis, des Alkoholkonsums und der MASLD verhindert werden. Die Autorengruppe zeigt verschiedene Möglichkeiten zur Reduzierung dieser Risikofaktoren auf: Dazu gehören eine bessere Abdeckung mit dem Hepatitis-B-Impfstoff und gesundheitspolitische Maßnahmen gegen Adipositas und Alkoholkonsum.

In früheren Analysen war prognostiziert worden, dass sich die Zahl der Leberkrebs-Neuerkrankungen von 870.000 im Jahr 2022 auf 1,52 Millionen im Jahr 2050 fast verdoppeln wird. Dies sei hauptsächlich auf das Bevölkerungswachstum und die Alterung der Bevölkerung zurückzuführen, meinen Experten, die die größten Zuwächse in Afrika erwarten. Die Zahl der Todesfälle durch Leberkrebs wird voraussichtlich von 760.000 im Jahr 2022 auf 1,37 Millionen im Jahr 2050 steigen.

Leberkrebs ist bereits heute eine der Hauptursachen für Tod und Lebensbeeinträchtigung. Weltweit ist er die sechsthäufigste Krebsart und die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache. Mehr als 40 Prozent der weltweiten Leberkrebsfälle treten in China auf, hauptsächlich aufgrund der dort relativ hohen Hepatitis-B-Infektionsraten.

Der Vorsitzende der Lancet-Kommission, Prof. Jian Zhou von der Universität Fudan (China), erklärt: „Leberkrebs ist ein weltweit zunehmendes Gesundheitsproblem. Er ist eine der am schwierigsten zu behandelnden Krebsarten, mit Fünf-Jahres-Überlebensraten zwischen etwa fünf und 30 Prozent. Ohne dringende Maßnahmen, mithilfe derer sich dieser Trend umkehren lässt, riskieren wir eine nahezu Verdoppelung der Fälle und Todesfälle durch Leberkrebs im nächsten Vierteljahrhundert.“

„Da drei von fünf Leberkrebsfällen mit vermeidbaren Risikofaktoren – vor allem Virushepatitis, Alkohol und Adipositas – in Zusammenhang stehen, bietet sich für Länder eine enorme Chance, diese Risikofaktoren gezielt zu bekämpfen, Leberkrebsfällen vorzubeugen und Leben zu retten“, fügt Erstautor Prof. Stephen Chan von der Chinesischen Universität Hongkong (Hongkong, China) hinzu.

Veränderungen bei den Ursachen von Leberkrebs

In ihrer neuen Analyse schätzt die Kommission, dass mindestens 60 Prozent der Leberkrebserkrankungen durch die Kontrolle veränderbarer Risikofaktoren, darunter Hepatitis-B-Virus (HBV), Hepatitis-C-Virus (HCV), MASLD und Alkohol, vermeidbar wären.

MASH gilt als die weltweit am schnellsten wachsende Ursache für Leberkrebs, gefolgt von Alkohol. Die Kommission sagt voraus, dass der Anteil der mit MASH assoziierten Leberkrebsfälle von acht Prozent im Jahr 2022 auf elf Prozent im Jahr 2050 steigen wird. Alkoholbedingte Leberkrebsfälle werden voraussichtlich von 19 Prozent im Jahr 2022 auf 21 Prozent im Jahr 2050 zunehmen.

Im Gegensatz dazu gehen die Experten davon aus, dass der Anteil der mit HBV assoziierten Leberkrebsfälle voraussichtlich von 39 Prozent im Jahr 2022 auf 37 Prozent im Jahr 2050 sinken wird. Die HCV-bedingten Fälle werden laut der Schätzung im selben Zeitraum voraussichtlich von 29 Prozent auf 26 Prozent zurückgehen.

Zunehmender Risikofaktor: MASLD

Schätzungen zufolge leidet etwa ein Drittel der Weltbevölkerung an einer MASLD. Allerdings entwickeln nur 20 bis 30 Prozent der davon betroffenen Patienten die schwerere Form MASH. Es wird erwartet, dass die Rate an MASLD-assoziiertem Leberkrebs im nächsten Jahrzehnt aufgrund der wachsenden Adipositasrate steigen wird, insbesondere in den USA, Europa und Asien. In den USA nimmt die MASLD-Prävalenz parallel zur Adipositasepidemie weiter zu: Bis zum Jahr 2040 könnten dort mehr als 55 Prozent der Erwachsenen an einer MASLD erkranken.

Der Autor der Lancet-Kommission, Prof. Hashem B. El-Serag vom Baylor College of Medicine (USA), sagt dazu: „Früher ging man davon aus, dass Leberkrebs hauptsächlich bei Patienten mit Virushepatitis oder alkoholbedingter Lebererkrankung auftritt. Heute jedoch stellen steigende Adipositasraten einen zunehmenden Risikofaktor für Leberkrebs dar – vor allem aufgrund der zunehmenden Fälle von überschüssigem Fettgewebe um die Leber herum.“

Ein Ansatz zur Identifizierung von Patienten mit hohem Leberkrebsrisiko wäre die Einführung eines Leberkrebs-Screenings im Rahmen der routinemäßigen Gesundheitsversorgung, das sich an Patienten mit hohem MASLD-Risiko richtet. Dies wären Personen mit Adipositas, Diabetes und kardiovaskulären Erkrankungen. Zudem sollte eine Beratung bezüglich der Lebensgewohnheiten in die Routineversorgung integriert werden. So könnten Patienten bei der Umstellung auf eine gesunde Ernährung und regelmäßige körperliche Aktivität unterstützt werden. Darüber hinaus sollte es ein Ziel sein, dass politische Entscheidungsträger ein gesundes Ernährungsumfeld fördern: Dazu gehören Maßnahmen wie Zuckersteuern sowie eine klare Kennzeichnung von Produkten mit hohem Fett-, Salz- und/oder Zuckergehalt.

Globale Ziele und Empfehlungen

Die Kommission schätzt, dass neun bis 17 Millionen neue Leberkrebsfälle verhindert und acht bis 15 Millionen Menschenleben gerettet werden könnten, wenn die Länder die Zahl der Leberkrebsfälle bis 2050 jährlich um zwei bis fünf Prozent senken könnten.

Da mehr Patienten als je zuvor mit Leberkrebs leben, besteht neben Bemühungen um die Prävention dringender Bedarf an verstärkter Forschung und Aufmerksamkeit für diese Patienten, um ihre Lebensqualität zu verbessern.

Die Lancet-Kommission schlägt verschiedene Strategien zur Reduzierung der globalen Belastung durch Leberkrebs vor: So sollten Regierungen sich stärker bemühen, die Zahl der HBV-Impfungen zu erhöhen – beispielsweise durch Impfpflichten in Ländern, in denen die HBV-Prävalenz hoch ist. Die Lancet-Kommission empfiehlt auch ein allgemeines HBV-Screening für Erwachsene ab 18 Jahren sowie gezielte HCV-Screenings in Hochrisikogebieten, vorausgesetzt, solche lassen sich mit einem günstigen Kosten-Nutzen-Verhältnis einführen.

Eine weitere Maßnahme, die vorgeschlagen wird, ist die Einführung von Mindestpreisen für alkoholische Getränke sowie von Warnhinweisen und Werbebeschränkungen für alkoholische Getränke. Wichtig ist auch: Öffentliche Aufklärungskampagnen und der Einsatz von Ressourcen zur Früherkennung müssen für die nationalen Gesundheitsbehörden und Krebsbekämpfungsprogramme bei der Finanzierung von Maßnahmen Priorität haben.

Öffentliches Bewusstsein für das Problem schärfen

Die Lancet-Kommission ruft außerdem Fachgesellschaften und die Pharmaindustrie zur Zusammenarbeit auf, um Ungleichheiten im klinischen Management von Leberkrebs abzubauen, die zwischen den östlichen und den westlichen Regionen der Welt bestehen. Eine weitere Empfehlung richtet sich an Krankenhäuser und Fachgesellschaften: Die Lancet-Kommission sieht diese in der Pflicht, Schulungen in Sachen Palliativversorgung anzubieten, damit diese in die Behandlung von Patienten mit entsprechendem Bedarf bereits in der Frühphase integriert werden kann.

Kommissionsautorin Prof. Valérie Paradis vom Beaujon-Krankenhaus (Frankreich) erklärt abschließend: „Es ist dringend notwendig, das Bewusstsein der Gesellschaft dafür zu schärfen, dass es sich bei der steigenden Zahl von Leberkrebsfällen um ein schwerwiegendes, zunehmendes Gesundheitsproblem handelt. Im Vergleich zu anderen Krebsarten ist Leberkrebs sehr schwer zu therapieren, weist aber ausgeprägtere Risikofaktoren auf, die zur Entwicklung spezifischer Präventionsstrategien beitragen. Wir sind überzeugt, dass durch gemeinsame und kontinuierliche Anstrengungen viele Leberkrebsfälle verhindert und sowohl das Überleben als auch die Lebensqualität von Patienten mit Leberkrebs erheblich verbessert werden können.“