Leberkrebs: Durch MASH geschädigte Hepatozyten als tickende Zeitbomben

Die Abbildungen zeigen Leberschnitte von Mäusen unter dem Mikroskop. Die Tumore sind gelb und grün umrandet und weisen auf die Expression verschiedener Proteine in den Zellen hin. Bei der linken Spalte handelt es sich um Aufnahmen aus einer Kontrollgruppe. In der mittleren Spalte wird das nachgewiesene Protein (TBG-Cre) in allen Leberzellen exprimiert, sodass das gesamte Bild grün erscheint. In der rechten Spalte wird das nachgewiesene Protein (p21-Cre) nur in seneszenten Leberzellen exprimiert. Da Grün nur im Tumorbereich sichtbar ist, zeigen die Ergebnisse, dass Lebertumoren aus zuvor seneszenten Leberzellen stammen. (Abbildung: © UC San Diego Health Sciences)

Wissenschaftler von der Medizinischen Fakultät der University of California in San Diego (USA) beleuchten in einer neuen Veröffentlichung die Entwicklung von Krebserkrankungen der Leber.

Die in „Nature“ publizierte Arbeit beschreibt ein komplexes Zusammenspiel zwischen Zellmetabolismus und DNA-Schäden, das die Progression einer Fettlebererkrankung zu Leberkrebs vorantreibt. Die neuen Forschungsergebnisse könnten neue Wege in der Prävention und Behandlung von Leberkrebs ermöglichen und haben laut den Studienautoren signifikante Auswirkungen auf das Verständnis des Ursprungs solcher Krebserkrankungen und der Effekte, die die Ernährung auf die menschliche DNA hat.

Leberkrebs nach MASH: Häufiges Szenario

Die Inzidenz des Hepatozellulären Karzinoms (HCC), der häufigsten Form von Leberkrebs, ist den vergangenen 20 Jahren um 25 bis 30 Prozent gestiegen. Dabei gehe ein großer Teil dieser Zunahme auf den dramatischen Anstieg von Fettlebererkrankungen zurück, wie aus einer Mitteilung der University of California in San Diego anlässlich der Veröffentlichung der neuen Studie hervorgeht. Von einer solchen Erkrankung seien in den USA aktuell etwa 25 Prozent aller Erwachsenen betroffen. Rund 20 Prozent der Menschen mit einer Fettlebererkrankung litten an einer Stoffwechseldysfunktion-assoziierten Steatohepatitis (MASH), die das HCC-Risiko stark erhöht, heißt es weiter. Dabei sei aber noch nicht gut verstanden, wie sich Leberkrebs aus einer MASH heraus entwickelt. „Die Progression einer MASH zu Leberkrebs ist ein häufiges Szenario, wobei die Folgen tödlich sein können“, erklärt Prof. Michael Karin vom Institut für Pharmakologie der University of California in San Diego. „Wenn man an einer MASH leidet, endet dies entweder in einer Zerstörung der Leber, weshalb eine Transplantation nötig wird, oder die Erkrankung schreitet zu häufig letalem Leberkrebs fort. Was im Rahmen dieses Prozesses auf subzellulärer Ebene geschieht, weiß man aber noch nicht.“

Die Autoren der aktuellen Studie kombinierten Mausmodelle, menschliche Gewebeproben und Datenbanken, um zu zeigen, dass zu einer MASH führende Ernährungsweisen – reich an Fett und Zucker – in Leberzellen zu DNA-Schäden führen, die eine Seneszenz zur Folge haben. Die Zellen sind also nach wie vor lebensfähig und metabolisch aktiv, können sich aber nicht mehr teilen. Als normale Reaktion auf zellulären Stress gibt der Zustand der Seneszenz dem Körper Zeit zur Reparatur von Schäden oder der Eliminierung geschädigter Zellen, bevor es zu einer Proliferation und der Entstehung von Krebs kommt. Die US-Forscher stellten aber nun fest, dass dies bei Hepatozyten nicht immer der Fall ist: Manche der geschädigten Leberzellen überleben diesen Prozess. Karin beschreibt diese Zellen als „tickende Zeitbomben, die jederzeit wieder mit der Proliferation starten und kanzerös werden können“.  Co-Autor Prof. Ludmil Alexandrov vom Moores Cancer Center der University of California in San Diego ergänzt: „Umfassende Genomanalysen von Tumor-DNA deuten darauf hin, dass sie von Leberzellen stammen, die durch eine MASH geschädigt wurden. Dies unterstreicht einen direkten Zusammenhang zwischen ernährungsbedingten DNA-Schäden und der Entwicklung von Krebs.“

Schlechte Ernährungsgewohnheiten ausgleichen, neue Antioxidanzien entwickeln

Die Ergebnisse der „Nature“-Publikation lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Entwicklung neuer Wirkstoffe, die DNA-Schäden verhindern oder rückgängig machen, insbesondere bei Patienten mit MASH zur Vermeidung von Leberkrebs beitragen könnte. „Es gibt ein paar Möglichkeiten, wie man dies für zukünftige Therapien nutzen könnte, doch es wird mehr Zeit und Forschung brauchen, um diese Ideen zu untersuchen“, sagt Karin. „Eine Hypothese lautet, dass eine Ernährung mit hohem Fettgehalt zu einem Ungleichgewicht der Rohmaterialien führt, die die Zellen benötigen, um DNA zu bauen und zu reparieren, und dass man Wirkstoffe oder Nutri-Chemikalien einsetzen könnte, um dieses Ungleichgewicht zu korrigieren. Eine andere Idee ist die Entwicklung neuer Antioxidanzien, die effizienter und spezifischer sind als diejenigen, die derzeit zur Verfügung stehen. Diese könnten verwendet werden, um den zu DNA-Schäden führenden Zellstress von vorneherein zu verhindern oder umzukehren.“

Abgesehen von neuen Möglichkeiten zur Behandlung von Leberkrebs liefert die Studie auch neue Einblicke in den Zusammenhang zwischen dem Alterungsprozess und Krebserkrankungen. Karin: „Wir wissen, dass das Altern das Risiko für praktisch alle Krebserkrankungen erhöht und dass es mit zellulärer Seneszenz assoziiert ist. Das bringt uns aber zu einem Paradoxon, weil die Seneszenz vor Krebs schützen soll. Die Studie trägt dazu bei, die zugrunde liegende molekulare Biologie zu verdeutlichen, die es Zellen erlaubt, nach der Seneszenz wieder in den Zellzyklus einzutreten. Wir glauben, dass ähnliche Mechanismen bei einer ganzen Reihe von Krebserkrankungen am Werke sind.“ Die neuen Forschungsergebnisse helfen auch, die schädlichen Auswirkungen einer schlechten Ernährung auf den Zellstoffwechsel direkt zu quantifizieren. Dies könnte laut Karin für die Formulierung von Public-Health-Botschaften in Bezug auf Fettlebererkrankungen von Nutzen sein. „Eine ungünstige Ernährungsweise mit viel Fast-Food kann auf lange Sicht genauso gefährlich sein wie das Rauchen. Die Bevölkerung muss begreifen, dass schlechte Ernährungsgewohnheiten weitaus mehr Folgen haben als nur die Veränderung des kosmetischen Erscheinungsbildes. Sie verändern die Zellfunktion des Menschen in fundamentaler Art und Weise – bis hin zur DNA-Ebene.“