Leberkrebs in Europa: UEG und DGVS stellen konkrete Forderungen auf26. Oktober 2025 Abbildung: © Sebastian Kaulitzki/stock.adobe.com Leberkrebs gehört zu den krebsassoziierten Todesursachen mit am stärksten zunehmender Bedeutung in Europa. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass die Sterblichkeitsrate in den kommenden zehn Jahren voraussichtlich stark ansteigen wird. Als Reaktion auf diese Krise haben die United European Gastroenterology (UEG) und die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) eine gemeinsame Erklärung zur Prävention und Früherkennung von Leberzellkarzinomen (HCC) veröffentlicht. Das Papier wurde Anfang Oktober auf der UEG Week in Berlin vorgestellt. Zunehmende Belastung durch Leberkrebs in Europa In den vergangenen drei Jahrzehnten hat die Leberkrebslast in Europa deutlich zugenommen. Die altersstandardisierten Inzidenz- und Sterblichkeitsraten sind zwischen 1990 und 2021 stetig gestiegen. Im Jahr 2022 forderte die Erkrankung in der Europäischen Union (EU) mehr als 50.000 Todesopfer. Dabei wiesen Männer eine höhere Sterblichkeitsrate auf als Frauen. Das Leberzellkarzinom (HCC) als häufigste Form des primären Leberkrebs, sei maßgeblich für diesen Anstieg verantwortlich, teilte die UEG mit. Prof. Patrizia Burra, Vorsitzende der UEG Public Affairs Group, kommentierte: „Eine einheitliche, evidenzbasierte Strategie ist unerlässlich, um die steigende Zahl von Leberkrebserkrankungen in Europa zu stoppen. Die Bewältigung dieser dringenden Herausforderung für die öffentliche Gesundheit erfordert einen zweigleisigen Ansatz, der sich sowohl auf Prävention als auch auf Früherkennung konzentriert.“ Ernährung: Wichtiger Bestandteil der Prävention Die Prävention beginne auch mit der richtigen Ernährung, ergänzte Burra. „Eine mediterrane Ernährungsweise reduziert beispielsweise das Risiko für eine Stoffwechseldysfunktion-assoziierte steatotische Lebererkrankung (MASLD), während ein hoher Konsum hochverarbeiteter Lebensmittel das Leberkrebsrisiko erhöht.“ Die Gastroenterologin von der Universitätsklinik Padua (Italien) betonte, dass Prävention jedoch über individuelle Entscheidungen hinausgehen müsse: Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit seien unerlässlich. Darunter versteht die Medizinerin eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln und eine Beschränkung von Werbung für ungesunde Lebensmittel, die sich an Kinder richtet. Weitere Strategien, die Burra nennt, sind eine frühzeitige Ernährungserziehung und stärkere Investitionen in die öffentliche Gesundheit und die Ausbildung von Ärzten. Früherkennung und risikobasierter Überwachung stärker umsetzten Doch die Früherkennung von Lebererkrankungen ist natürlich ebenso entscheidend. Die UEG und die DGVS unterstützen eine gezielte, risikostratifizierte Überwachung, die sich auf Patienten mit dem höchsten Risiko konzentriert und gleichzeitig unnötige Tests für Personen mit geringem Risiko reduziert. Bei Hochrisikogruppen können nach Ansicht der Fachgesellschaften moderne biochemische Tests, bildgebende Verfahren und idealerweise genetische Tests die Früherkennung verbessern und so eine kurative Behandlung und bessere Langzeitergebnisse ermöglichen. Europaweit gebe es Evidenz dafür, dass dieser Ansatz die Früherkennungsraten erhöht, das Überleben verlängert – und dass er zudem für die Gesundheitssysteme kosteneffizient ist. „Die frühzeitige Erkennung von Leberkrebs rettet Leben“, betont auch Prof. Birgit Terjung. Die Mediensprecherin der DGVS ist nicht nur Chefärztin des Bereiches Innere Medizin – Gastroenterologie an den GFO Kliniken Bonn, sondern hat auch eine Honorarprofessur für das Thema „Gesundheitsversorgung und gesellschaftlicher Wandel“ an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg inne. „Risikobasierte Überwachung konzentriert die Ressourcen auf diejenigen, die am wahrscheinlichsten an HCC erkranken“, erklärt sie. „Das verbessert die Behandlungsergebnisse und vermeidet gleichzeitig unnötige Tests für Patienten mit geringem Risiko.“ Forderungen: Public Health, ärztliche Ausbildung, Überwachung, Lebensmittelkennzeichnung Aufbauend auf Prävention und Früherkennung fordert die gemeinsame Erklärung von UEG und DGVS die politischen Entscheidungsträger dazu auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung von Leberkrebs in ganz Europa zu ändern. Dazu sei es nötig, dass die Politik anerkenne, dass Leberkrebs eine potenziell vermeidbare Erkrankung ist, die zunehmend an Priorität gewinnt. Nötig sei auch die Etablierung und Finanzierung strukturierter HCC-Überwachungsprogramme, die sich an Risikoschwellenwerten orientieren. Foto: © Markus Mainka/stock.adobe.com Zudem fordern die Experten Unterstützung für Initiativen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, die auf die Reduzierung von Adipositas, Alkoholabusus und der Übertragung von Hepatitis abzielen. Notwendig sei auch, so die Fachgesellschaften, der Ausbau ärztlicher Ausbildung auf den Gebieten Ernährung und Hepatologie sowie ein gleicher Zugang für alle Personen in Hochrisikogruppen zu Screening-Instrumenten. Lebensmittel, die die Entwicklung von Adipositas begünstige, müssten höher besteuert, Steuerbelastung für gesunde Lebensmittel hingegen gesenkt werden, lautet eine weitere Forderung der UEG und der DGVS. Zudem müsse eine EU-weite Kennzeichnung von Lebensmittel hinsichtlich der darin enthaltenen Nährwerte gefördert werden (Nutri-Score). Der Stellenwert der Risikofaktoren Alkohol, Virushepatitis und MASLD wird in einem Bericht der Lancet-Kommission deutlich, der im Sommer dieses Jahres veröffentlicht wurde. Demnach sind mehr als 60 Prozent der Leberkrebserkrankungen weltweit durch eine Reduzierung dieser Risikofaktoren vermeidbar (wir berichteten). Koordination auf allen Ebenen ist unerlässlich Beide Gesellschaften schlossen an ihre Forderungen die klare Botschaft an, dass Europa es sich nicht leisten kann, die tickende Zeitbombe Leberkrebs zu ignorieren. Die Erkenntnisse, Instrumente und Strategien seien bereits vorhanden – jetzt sei der politische Wille zum Handeln gefragt. „Der Erfolg hängt von koordinierten Maßnahmen auf allen Ebenen ab“, sagt Terjung hinzu. „Von der Prävention und Früherkennung bis hin zum gleichberechtigten Zugang zur Versorgung müssen Regierungen, Gesundheitsdienstleister und die Öffentlichkeit alle ihren Teil dazu beitragen, den Kampf gegen Leberkrebs zu gewinnen.“ (ac/BIERMANN)
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