Lebertransplantationen in der ersten COVID-19-Welle weltweit: Stärkster Einfluss in am schwersten betroffenen Ländern

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Eine Umfrage unter 128 Lebertransplantationszentren weltweit hat ergeben, dass die COVID-19-Pandemie die klinische Praxis dramatisch verändert hat. Die Auswirkungen waren weltweit unterschiedlich zu spüren, mit besonders nachteiligen Auswirkungen in den von der Pandemie schwer betroffenen Ländern.

In der von der European Association for the Study of Liver Disease, der European Liver and Intestine Transplant Association, der European Society of Organ Transplantation und der International Liver Transplantation Society organisierten Umfrage wurden Informationen zu Transplantationsprozessen, Therapie, Lebendspendeverfahren, und Organbeschaffung für den Zeitraum 1. Januar bis 1. Juli 2020 im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2019 eingeholt.

Es stellte sich heraus, dass in den meisten Zentren Transplantationen von Organen verstorbener Spender zu Beginn der Pandemie verschoben wurden. Eine Ausnahme bildeten Patienten, die in einem kritischen Zustand an die Zentren überwiesen wurden. Wie erwartet wurden in Ländern, die als von der COVID-19-Pandemie „schwer getroffen“ eingestuft wurden, weniger Patienten auf die Warteliste für Lebertransplantationen gesetzt und auch weniger Lebertransplantationen durchgeführt. In Ländern, die in geringerem Ausmaß unter der COVID-19-Pandemie zu leiden hatten, wurde jedoch eine höhere Sterblichkeitsrate auf der Warteliste beobachtet. Zudem stellten die Studienautoren fest, dass in Ländern, in der zur Transplantation häufiger Lebendspenderorgane verwendet werden, im Jahr 2019 im Vergleich zu 2020 mehr Patienten auf die Warteliste gesetzt und mehr Transplantationen durchgeführt wurden.

Dr. Francesco Paolo Russo von der Abteilung für Chirurgie, Onkologie und Gastroenterologie an der Universitätsklinik Padua (Italien) und leitender Prüfarzt der Studie vermutet, dass dies auf strenge Lockdowns aufgrund von COVID-19 in diesen Regionen zurückzuführen sein könnte.

„Es ist zwar umsichtig, die Transplantationsaktivitäten, insbesondere von Lebendspenden, während einer Pandemie einzustellen, jedoch wäre eine Neubewertung des Umgangs mit Patienten, die an chronischen Lebererkrankungen leiden, in einer Pandemie gerechtfertigt, wenn Lockdowns oder die Angst vor der Inanspruchnahme medizinischer Versorgung eine erhöhte Sterblichkeit zur Folge hat“, betont Russo.

Beobachtungen aus dieser Umfrage können Anhaltspunkte dafür geben, wie Lebertransplantationsprogramme mit zukünftigen Pandemiewellen oder anderen Krisen umgehen. „Es ist wichtig zu erkennen, dass die Häufigkeit von Pandemien in den vergangenen 20 Jahren zugenommen hat”, sagt Russo und ergänzt: “Es ist unwahrscheinlich, dass SARS-CoV-2 die letzte globale Gesundheitskrise sein wird, die wir erleben. Die gemachten Erfahrungen könnten entscheidendes Kenntnisse für die Zukunft liefern.“