Long-COVID: Keine Evidenz für Nutzen von Blutwäsche16. August 2023 Foto: © beerkoff – stock.adobe.com Long-COVID ist medizinisch noch rätselhaft und schwer zu behandeln. Ein Ansatz, auf den viele verzweifelte Patienten große Hoffnungen setzen, ist die Blutwäsche. Ein aktueller Cochrane-Review zu einer speziellen Form dieses Verfahrens findet keine verlässlichen Studien, dafür jedoch Zweifel an dem postulierten Wirkmechanismus. Erschöpfung, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Schlafstörungen, Husten, Muskelschwäche, Sprachstörungen – Long-COVID hat viele Gesichter, ein eindeutiges Krankheitsbild lässt sich kaum abgrenzen. Auch über die Mechanismen der Entstehung der unter den Begriffen Long-COVID- bzw. Post-COVID-Syndrom zusammengefassten Langzeitfolgen einer akuten COVID-19-Infektion ist wissenschaftlich noch wenig bekannt. Das gilt auch für die Frage, warum manche Menschen Long-COVID entwickeln, während die große Mehrheit der akut erkrankten die Infektion problemlos übersteht. Dabei kann Long-COVID für Betroffene extrem belastend sein, bis hin zu Pflegebedürftigkeit und Frühberentung. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Therapieangeboten, die über die Behandlung einzelner Symptome hinausgehen. Eine zentrale Rolle nimmt in der Diskussion die Blutwäsche ein, die fachsprachlich überschneidend als Plasmapherese bzw. Apherese bezeichnet wird. Beim Einsatz solcher Verfahren gegen Long-COVID steht oft die Entfernung von Mikro-Gerinnseln (engl. „microclots“) im Vordergrund. Diese sollen einer Hypothese zufolge ursächlich an der Entstehung von Long-COVID beteiligt sein, indem sie den Blutfluss in den feinsten Gefäßen und damit die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff behindern. Ein aktueller Cochrane-Review hat sich nun auf die Suche nach randomisierten kontrollierten Studien zur Wirksamkeit solcher Ansätze einer Blutwäsche zur Entfernung von Mikro-Gerinnseln gemacht – und nicht eine einzige gefunden. Auch aktuell laufende Studien, die diese Evidenzlücke bald schließen könnten, ließen sich nicht identifizieren. Parallel suchten die Autoren auch nach Evidenz aus Laborstudien für den postulierten Zusammenhang zwischen den Partikeln im Blut und COVID. In fünf identifizierten Studien zeigte sich, dass der Begriff „Mikro-Gerinnsel“ medizinisch nicht passend ist. Die Autoren sprechen deshalb korrekter von „Amyloid-Fibrin(ogen)-Partikeln“. Desweiteren ergeben die ausgewerteten Studien, dass solche Partikel sowohl bei Patienten mit Long-COVID als auch bei Gesunden zu finden sind, sie sind also kein spezifisches Merkmal von Long-COVID. Weil die meisten Studien ihre Ergebnisse nur sehr unvollständig berichten, lassen sich den Autoren des Reviews zufolge daraus kaum Rückschlüsse auf die Frage ziehen, ob das Blut von Patienten mit Long-COVID eventuell mehr oder größere Partikel enthielt. Das Fazit der Autoren: „Es gibt keinen Grund für eine Plasmapherese zur Entfernung von Amyloid-Fibrin(ogen)partikeln beim Post‐COVID‐19‐Syndrom und es fehlen Daten über die Sicherheit dieser Behandlung. Patienten sollten keine Plasmapherese außerhalb einer ordnungsgemäß durchgeführten placebokontrollierten randomisierten klinischen Studie erhalten.“ In Deutschland wird im Zusammenhang mit Long-COVID nach einer prominenten Berichterstattung im Fernsehen vor allem das ursprünglich zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen entwickelte Verfahren der H.E.L.P.-Apherese diskutiert – die Abkürzung steht für Heparin induzierte extrakorporale Lipoprotein/Fibrinogen-Präzipitation. Es gibt noch keinen spezifischen Cochrane-Review zur H.E.L.P.-Apherese. Allerdings ist auch hier einem der vermuteten Wirkmechanismen zufolge die Entfernung des Gerinnungseiweißes Fibrinogen aus dem Blut ein wichtiges Ziel, um die vermeintlich gestörte Durchblutung des Körpers bei Long-COVID zu verbessern.
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