Metastasierter Prostatakrebs: Radioligandentherapie verlängert Überlebenszeit und verbessert Lebensqualität

Die Nuklearmedizin nutzt die Strahlung von Radionukliden für Diagnostik und Therapie von Krankheiten. Foto: ©natali_mis – stock.adobe.com

Metastasierter Prostatakrebs ist nach wie vor unheilbar. Zwei neue Studien zeigen jedoch, dass die Radioligandentherapie (RLT) die Erkrankung auch dann noch erfolgreich zurückdrängen kann, wenn Patienten im fortgeschrittenen Stadium auf andere Behandlungen wie Medikamente, Hormon- oder Chemotherapie nicht mehr ansprechen.

„Die RLT verlängert das Leben aktuellen Erkenntnissen zufolge um mehrere Monate“, sagt Dr. Norbert Czech vom Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e. V. (BDN). „Die Patienten spüren weniger Schmerzen und haben wieder Appetit.“

Die RLT – auch Radionuklidtherapie genannt – ist eine nuklearmedizinische Behandlung, die in Deutschland entwickelt wurde und seit 2011 Anwendung findet. Sie ist zur Therapie aller Tumore und Metastasen geeignet, die das prostataspezifische Membran-Antigen (PSMA) auf der Oberfläche der Krebszellen aufweisen. Ob das der Fall ist, kann mittels PSMA-gerichteter Positronenemissions-/Computertomographie (PSMA-PET/CT) ermittelt werden. Eine PSMA-PET/CT kommt infrage, wenn Patienten die folgenden Voraussetzungen erfüllen: Das Prostatakarzinom hat sich trotz Operation, Bestrahlung, Hormonentzugstherapie und moderner Medikamente weiterentwickelt, was sich am ansteigenden PSA-Wert ablesen lässt. Wenn die PSMA-PET/CT Hinweise darauf gibt, dass eine RLT anschlagen könnte, so können gesetzlich Versicherte diese Therapie als Heilversuch in Anspruch nehmen. Experten erwarten laut BDN, dass die RLT bald regulär zugelassen wird.

Ob ein Patient eine Radionuklidtherapie erhält, entscheidet ein interdisziplinäres Tumorboard. Geben die Mediziner grünes Licht, wird dem Patienten eine radioaktive Therapiesubstanz in die Vene injiziert: Eiweißmoleküle, die mit dem Betastrahler Lutetium-177 markiert sind. Diese binden an das PSMA auf den Tumorzellen, und die Strahlung des Lutetium-177 schädigt die bösartigen Zellen. „Es handelt sich im Prinzip um eine punktgenaue Bestrahlung von innen, die sich direkt gegen die Krebszellen richtet, das gesunde Gewebe nicht schädigt und kaum Nebenwirkungen hat“, erläutert Czech. In der Regel erhalten die Patienten vier RLT-Zyklen im Abstand von etwa acht Wochen.

Studien, die in diesem Jahr veröffentlicht wurden, bestätigen jetzt die Erfahrungen bisheriger Untersuchungen und Anwendungen, wonach eine RLT mit Lutetium-177 die Metastasen bei austherapierten Prostatakrebspatienten für weitere Monate zurückdrängen und das Überleben verlängern kann. So kommt die randomisierte, prospektive Phase-III-Studie VISION (1) mit 831 Patienten zu dem Ergebnis, dass sich das durchschnittliche Gesamtüberleben durch eine Lutetium-177-Therapie um vier Monate verlängert: Während das mediane Gesamtüberleben bei Patienten, die mit Lutetium-177-Therapie plus Standardtherapie behandelt wurden, 15,3 Monate betrug, belief sich diese Zeitspanne auf nur 11,3 Monate bei Patienten, die einzig die Standardtherapie erhielten. Die Autoren plädieren dafür, die RLT mit Lutetium-177 in die klinische Routine zu übernehmen.

Ob und wie gut eine RLT anschlagen wird, sagt eine PSMA-PET/CT acht bis zehn Wochen nach dem zweiten RLT-Zyklus mit großer Zuverlässigkeit voraus. Dies zeigt eine weitere Studie, die in diesem Jahr erschien (2). „Zentrale Ergebnisse unserer Untersuchung lauten: 75 Prozent der Patienten sprechen auf eine RLT an und gewinnen damit zusätzliche Lebenszeit, die bis zu zwölf Monate betragen kann“, erläutert Studienautor Czech. „Und: Diese Patienten können wir mithilfe der PSMA-PET/CT präzise herausfiltern.“ Für die weitere Therapieplanung sei eine solche Information wichtig. „Denn man muss andere Wege gehen, etwa eine Chemotherapie oder eine Behandlung mit Alpha-Strahlen erwägen, wenn ein Patient von der RLT nicht profitiert“, führt der Nuklearmediziner aus (3).

Insgesamt ist die RLT aus Sicht des BDN-Experten ein großer Gewinn für Patienten mit metastasiertem Prostatakrebs: „Die Nebenwirkungen der RLT wie Mundtrockenheit und Müdigkeit sind gering.“ Gleichzeitig sei der Gewinn an Lebensqualität durch deutliche Schmerzreduktion und wiedergewonnenen Appetit groß. „Es ist beruhigend, dass wir über eine solche lebensverlängernde Option verfügen“, resümiert Czech.

(BDN/ms)

Literatur:

  1. Michael J. Morris, Johann S. De Bono, Kim N. Chi, Karim Fizazi, Ken Herrmann, Kambiz Rahbar, Scott T. Tagawa, Luke T. Nordquist, Nitin Vaishampayan, Ghassan El-Haddad, Chandler H. Park, Tomasz M. Beer, Wendy J Pérez-Contreras, Michelle Desilvio, Euloge E. Kpamegan, Germo Gericke, Richard Adam Messmann, Bernd J. Krause, A. Oliver Sartor. Phase III study of lutetium-177-PSMA-617 in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer (VISION). Journal of Clinical Oncology 2021 39:18_suppl, LBA4-LBA4. https://ascopubs.org/doi/abs/10.1200/JCO.2021.39.15_suppl.LBA4
  2. Prasad V, Huang K, Prasad S, Makowski MR, Czech N and Brenner W (2021) In Comparison to PSA, Interim Ga-68-PSMA PET/CT Response Evaluation Based on Modified RECIST 1.1 After 2nd Cycle Is Better Predictor of Overall Survival of Prostate Cancer Patients Treated With 177Lu-PSMA. Front. Oncol. 11:578093. doi: 10.3389/fonc.2021.578093
  3. Khreish, F., Ebert, N., Ries, M. et al. 225Ac-PSMA-617/177Lu-PSMA-617 tandem therapy of metastatic castration-resistant prostate cancer: pilot experience. Eur J Nucl Med Mol Imaging 47, 721–728 (2020). https://doi.org/10.1007/s00259-019-04612-0