Mikro- und Nanoplastik: Zusammen mit Umweltschadstoffen noch gefährlicher für intestinales Gewebe

Der langsame Zerfall von Plastikmüll in der Umwelt kann für den Menschen weitreichende Folgen haben. (Abbildung, KI-generiert: © ศิริธัญญา ตันสกุล/stock.adobe.com)

Plastikpartikel von einer Größe im Mikro- und Nanometer-Bereich, die in den Erdboden und ins Wasser gelangen, können dazu führen, dass Pflanzen und Zellen im menschlichen Darmtrakt signifikant größere Mengen an toxischen chemischen Stoffen aufnehmen.

Das zeigen zwei neue Studien von Wissenschaftler der Rutgers Health und befeuern damit die Sorge, was Lebensmittelsicherheit und Umweltverschmutzung durch Kunststoffe angeht.

In der ersten Studie – erschienen in der Zeitschrift „NanoImpact“ – stellten deren Autoren fest, dass Salat bei einer Exposition gegenüber Nano-Plastikpartikeln und anderen häufig die Umwelt belastenden Stoffen wie Arsen erheblich mehr dieser toxischen Substanzen aufnahm als solche, die ausschließlich mit den häufigen Schadstoffen in Kontakt kamen. Diese bestätige das Risiko der „Polykontamination“ in der Nahrungskette. Eine begleitende Veröffentlichung im Journal „Microplastics“ führten zu ähnlichen Ergebnissen bei menschlichem intestinalen Gewebe. Nimmt man die Erkenntnisse beider Studien zusammen, lässt dies die Schlussfolgerung zu, dass Mikro- und Nanoplastik in der Umwelt – ein Produkt des Zerfalls von Kunststoffen – zu einem gefährlichen Kreislauf der Kontamination führen kann: Unter dieser Voraussetzung nehmen Pflanzen mehr giftige Stoffe auf, die dann wiederum über die Ernährung in den menschlichen Körper gelangen, während dieser mit höherer Wahrscheinlichkeit sowohl diese Toxine als auch die Plastik-Kleinstteilchen aufnimmt, was das Risiko für Erkrankungen insbesondere in anfälligen Populationen erhöht.

„Wir haben bereits rund sieben Milliarden metrische Tonnen Plastik in die Umwelt gebracht, das langsam auseinanderfällt“, erklärt Philip Demokritou, Leiter des Nanoscience and Advanced Materials Center am Environmental Occupational HealthSciences Institute der Rutgers University. Er fungierte als Seniorautor beider genannter Arbeiten. „Es vergiftet alles um uns herum – das Wasser, das wir trinken, die Lebensmittel, die wir essen, und die Luft, die wir atmen.“

Erhöhte Aufnahme von Schadstoffen in Anwesenheit von Nanoplastik

Unter Verwendung eines Zellmodells des menschlichen Dünndarms, gekoppelt mit einem Labor-basierten Apparat, der das Verdauungssystem simuliert, stellten die Wissenschaftler Folgendes fest: In Anwesenheit von Nano-Plastikpartikeln nahm die Menge aufgenommenen Arsens um fast das Sechsfache zu – verglichen mit einer alleinigen Exposition gegenüber Arsen. Derselbe Effekt wurde beobachtet für das Fungizid Boscalid. Laut der Gruppe von Forschenden von Rutgers Health, der Connecticut Agriculture Experiment Station (CAES) und dem New Jersey Institute of Technology (NJIT) bestand dieser Zusammenhang zudem auch in die andere Richtung: Die Anwesenheit dieser beiden Umweltschadstoffe erhöhte die Menge von Plastik, dass über das menschliche intestinale Gewebe aufgenommen wurde, signifikant, nämlich ungefähr um das Doppelte.

„Wir wissen, dass Materialien im Nanobereich biologische Barrieren überwinden können“, sagt Demokritou, Professor für Nanowissenschaften und Umwelt-Bioengineering an der Rutgers School of Public Health und der Rutgers School of Engineering. „Je kleiner die Partikel sind, desto besser können sie die biologischen Barrieren durchdringen, die den Körper schützen.“

Plastikpartikel in Pflanzen nachgewiesen

Für die zweite aktuelle Arbeit setzten die Wissenschaftler Salatpflanzen Polystyrenpartikeln in zwei Größen (20 bzw. 1000 Nanometer) aus, zusammen mit Arsen und Boscalid. Die Forschenden stellten fest, dass die kleineren Partikel die stärksten Auswirkungen besaßen und die Aufnahme von Arsen in den essbaren Pflanzenteilen im Vergleich zu einer alleinigen Arsenexposition um fast das Dreifache erhöhten. Die Effekte waren sowohl in hydroponischen Systemen als auch in Erde unter realistischeren Bedingungen zu beobachten. Unter Verwendung fortschrittlicher Bildgebungs- und Analyseverfahren konnten die Forschenden zeigen, dass sich auch die Plastikpartikel selbst in den Pflanzengeweben ansammelten. Dabei gelangten die kleineren Teilchen mit höherer Wahrscheinlichkeit von der Wurzel in die Triebe.  

„Selbst wenn wir die Produktion oder die Verwendung von Kunststoff sofort stoppen – es gibt leider schon Unmengen davon in der Umwelt“, unterstreicht Demokritou. Die aktuellen Arbeiten sind Teil eines größeren, vom US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium geförderten Projektes, im Rahmen dessen Fragestellungen zur Lebensmittelsicherheit im Zusammenhang mit Mikro- und Nanoplastik untersucht werden. Die Wissenschaftler betonen, dass mehr geforscht werden muss, um die langfristigen Auswirkungen wirklich zu verstehen und mögliche Lösungen zu entwickeln. „Wir müssen uns an die ‚Drei R‘-Abfall-Strategie halten“, erklärt Demokritou. Das bedeutet: reduzieren, wiederverwenden („reuse“) und recyceln. „In Bereichen, in denen diese drei ‚Rs‘ nicht angewendet werden können – wie in der Landwirtschaft, wo viel Kunststoff zur Unkrautbekämpfung und zu anderen Zwecken eingesetzt wird – muss man auf abbaubare Kunststoffe umsteigen.“ Solche neuen abbaubaren Materialien, die herkömmliche Kunststoffe ersetzen können, werden von den Studienautoren derzeit entwickelt, ebenso wie Vefahren, um Plastikpartikel in Lebensmitteln und Wasser bessert zu erkennen und zu messen. Priorität aber, so unterstreichen die Forschenden, sollte die Vermeidung weiterer Kontamination der Umwelt haben.

„Es ist nicht, dass wir einige dieser Probleme technisch nicht lösen könnten“, macht Demokritou deutlich. „Es wird aber definitiv eine Herausforderung sein, alle Vorteile dieses sehr nützlichen Materials zu behalten und gleichzeitig die Schäden zu reduzieren, die es verursacht. Die Hürden, die es in puncto Produktion und Verwendung von Kunststoff zu überwinden gilt, sind sozialer und ökonomischer Natur.“