Mini-Organe aus dem Labor enthüllen Strategien aggressiver Bakterien12. Juni 2025 Darstellung von Shigella flexneri. (Abbildung, KI-generiert: dDenVil/stock.adobe.com) Eine Untersuchung von Forschenden des Würzburger Helmholtz-Institutes für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) und der schwedischen Universität Uppsala eröffnet neue Möglichkeiten, schwerwiegende bakterielle Shigella-Infektionen des Darms künftig besser zu erforschen – mithilfe menschlicher Organoide. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich anhand von Organoiden nachvollziehen lässt, wie Mikroben die Darmschleimhaut besiedeln. Das Team des HIRI in Würzburg – einem Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) – und der Universität Uppsala konzentrierte sich dabei insbesondere auf Shigella flexneri. Dieses Bakterium verursacht beim Menschen schwere Darmentzündungen und ist jährlich für zahlreiche Todesfälle verantwortlich, insbesondere bei Kleinkindern.„Unsere Ergebnisse liefern ein realistischeres Bild der Faktoren, die die Besiedlung unseres Darms mit Shigella beeinflussen“, sagt Lars Barquist, assoziierter Wissenschaftler am HIRI, Professor an der Universität Toronto in Kanada und Co-Seniorautor der Studie. „Künftig könnten sie neue medizinische Behandlungsansätze ermöglichen.“ Maria Letizia Di Martino von der Universität Uppsala, die die Entwicklung des experimentellen Systems leitete, ergänzt: „Zum ersten Mal konnten wir die Gene kartieren, die Shigella für eine Infektion braucht – und zwar mithilfe eines menschlichen Modells, das echtes Darmgewebe imitiert. Die Studie zeigt außerdem, dass sich gezüchtete menschliche Mini-Organe zur Untersuchung verschiedener schwerer Infektionen eignen – insbesondere solcher, bei denen bislang fehlende Tiermodelle die Forschung erschwert haben.“ Shigella-Bakterien sind invasive Krankheitserreger, die das Körpergewebe mit unterschiedlichen Waffen angreifen, um in die Darmschleimhaut einzudringen und die Funktionen des körpereigenen Immunsystems zu beeinflussen. In der aktuellen Studie konzentrierten sich die Forschenden darauf, die Gene zu identifizieren, die für die Produktion dieser Waffen verantwortlich sind. Dazu entwickelten sie aus Stammzellen Darmorganoide. Mit einer genetischen Methode, bei der einzelne Gene gezielt ausgeschaltet werden, testeten sie, welche Auswirkungen diese Veränderungen auf die Fähigkeit von Shigella haben, das menschliche Darmmodell zu infizieren. Erste umfassende Karte der von Shigella benötigten Gene Eine der größten Herausforderungen bei der Anwendung eines solchen Screenings ist das Vorhandensein von Populationsengpässen. Diese Engpässe entstehen zum Beispiel durch Nährstoffmangel oder Konkurrenz um Siedlungsorte. Dadurch sinkt die Zahl der Bakterien vorübergehend – unabhängig davon, wie anpassungsfähig einzelne Mutanten sind. Das führt zu einem zufälligen Verlust von Mutanten und kann somit die Ergebnisse umfangreicher Screenings verfälschen. Um diesen Verlust auszugleichen, hat das Team ein statistisches Modell entwickelt, das Informationen aus einer Vielzahl kleiner Experimente zusammenführt, um eine genomweite Karte zu erstellen. Auf diese Weise gelang es, die erste umfassende Karte der Gene zu erstellen, die Shigella benötigt, um menschliches Darmgewebe zu infizieren.Besonders überraschend war die Entdeckung, dass bestimmte Veränderungen an Transferribonukleinsäuren (tRNAs) die Aktivität des Typ-III-Sekretionssystems steuern können – einem komplexen Apparat, mit dem Bakterien ihre krankmachenden Eigenschaften entfalten. Solche Systeme kosten die Bakterien viel Energie, deshalb steuern sie sie sehr genau. „Bisher war bekannt, dass Bakterien dies beispielsweise durch das Ausschalten fremder DNA oder die Regulierung der Anzahl bestimmter Plasmide – kleiner, ringförmiger DNA-Moleküle – erreichen. Diese Studie zeigt nun einen dritten grundlegenden Mechanismus zur Steuerung auf“, erklärt Laura Jenniches. Sie ist Postdoktorandin im Barquist-Labor und führte die statistische und computergestützte Analyse durch. Screening-Technologie auf viele weitere Erreger übertragbar „Shigella verfügt über etwa 5000 Gene, aber wir haben herausgefunden, dass nur etwa 100 davon notwendig sind, um Gewebe zu besiedeln und aggressive Infektionen zu verursachen“, sagt Mikael Sellin. „Diese Liste ist eine Goldgrube für das Verständnis des Infektionsverlaufes und die Entwicklung neuer Therapien, die das krankmachende Verhalten der Bakterien gezielt ausschalten können.“ Sellin ist Professor an der Universität Uppsala und ein weiterer leitender Autor der Studie. Die eingesetzte Screening-Technologie sei auf viele weitere Erreger übertragbar – und ermögliche künftig realitätsnahe Studien an menschlichen Geweben. Barquist ist überzeugt: „Diese Studie schafft die technischen Voraussetzungen für die Untersuchung zahlreicher Krankheitserreger in realistischen Organoidmodellen, die zentrale Aspekte der menschlichen Physiologie im Labor nachbilden.“Die Studie ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg, der Universität Toronto in Kanada und der Universität Uppsala, dem Universitätsklinikum Uppsala sowie der Universität Umeå in Schweden. Unterstützt wurde sie aus Mitteln der Europäischen Gesellschaft für Klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten (ESCMID), der Carl-Trygger-Stiftung, der Clas-Groschinsky-Gedächtnisstiftung, des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (über bayresq.net), des Schwedischen Wissenschaftsrats, der Schwedischen Stiftung für Strategische Forschung sowie durch Kempestiftelserna und das „SciLifeLab Fellows“-Programm.
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