Mit CRISPR gegen Muskelschwund9. Januar 2025 Links: Diese Muskelfasern stellen wieder Dysferlin her (violett). Sie wurden aus geneditierten Muskelstammzellen gezüchtet und einer Maus transplantiert, der sonst Dysferlin fehlt. Rechts: Erkrankte Muskelfasern der Maus, denen Dysferlin fehlt. (Quelle: © Andreas Marg, AG Spuler | ECRC / Max Delbrück Center) Mithilfe der Genschere CRISPR wollen Forschende des Experimental and Clinical Research Center in Berlin eine gezielte Therapie für Muskeldystrophie entwickeln. Ihre präklinischen Ergebnisse stellen sie in „Nature Communications“ vor. Sie ebnen den Weg für erste Studien am Menschen. Das Protein Dysferlin ist vor allem für die Reparatur von Zellmembranen verantwortlich. Menschen mit bestimmten Mutationen in dem für Dysferlin kodierenden Gen erkranken an Muskeldystrophie – eine Gruppe von Muskelschwundkrankheiten, die weltweit Tausende betrifft. Prof. Simone Spuler und ihre Arbeitsgruppe „Myologie“ am ECRC haben nun unter der Leitung von Dr. Helena Escobar Fernandez Muskelstammzellen von zwei Patienten mit Gliedergürtel-Muskeldystrophie entnommen, den genetischen Fehler korrigiert und funktionierende Dysferlin-Proteine in einer Zellkultur produziert. Bei Mäusen verwendeten sie das gleiche Verfahren, um Zellen zu entnehmen, zu bearbeiten und die korrigierten Zellen wieder in Mäuse zu transplantieren. Auch in diesem Modell konnten sie die Proteinfunktion wiederherstellen: Die Muskeln begannen zu wachsen. Das berichten sie in „Nature Communications“. Die präklinischen Ergebnisse ermutigen die Forschenden, mit Studien am Menschen zu beginnen. Dabei würden sie Betroffenen Muskelzellen entnehmen, diese im Labor editieren und wieder in die Zielmuskeln transplantieren. Das Team weist darauf hin, dass die angestrebte Therapie keine vollständige Heilung verspricht – sie wäre zunächst auf ein oder zwei Muskeln beschränkt. „Unser Körper hat über 600 Muskeln, und es ist nicht einfach, sie alle gezielt anzusteuern“, erkärt Spuler. „Wir fangen ganz bescheiden mit ein oder zwei Muskeln an, die wir ansteuern. Aber wenn diese Therapie funktioniert, kann sie zumindest diesen Muskel heilen.“ Eine Gesamtleistung Seit fast 20 Jahren arbeiten Spuler und ihre Mitarbeiter daran, die Rolle von Dysferlin bei Muskeldystrophie zu verstehen und Möglichkeiten zur Heilung dieser seltenen, aber verheerenden Erbkrankheit zu verstehen. Bei der Gliedergürtel-Muskeldystrophie schreitet der Muskelabbau immer weiter fort. Bereits junge Erwachsene verlieren die Fähigkeit, zu gehen sowie ihre Arme und Hände normal zu benutzen. „Als Teenager ist man noch sportlich und mit 40 Jahren sitzt man im Rollstuhl“, berichtet Spuler. Sie erlebt es bei Patienten in ihrer Hochschulambulanz am ECRC aus nächster Nähe mit. Escobar, Erstautorin der Studie und Molekularbiologin in Spulers Arbeitsgruppe, arbeitet an Methoden, um Patienten Muskelstammzellen zu entnehmen und die dort vorliegende Mutation mithilfe der Genedititierung zu beheben. „Wir haben mit einer Mutation begonnen, die vergleichsweise häufig vorkommt, damit wir so vielen Erkrankten wie möglich helfen können“, erklärt Escobar. Klassisches CRISPR Um die Dysferlin-Mutation zu reparieren, verwendet Escobar CRISPR-Cas9. Für diese als „Gen-Schere“ bekannte Methode gab es im Jahr 2020 den Nobelpreis. Die molekulare Schere wird zu einer präzise definierten Stelle entlang des DNA-Moleküls geführt und schneidet dort. Dadurch ist die Zelle gezwungen, ihre DNA zu reparieren. Das Ziel ist, dass die krankmachende Mutation während dieses Reparaturprozesses korrigiert wird, sodass das Gen wieder korrekt funktioniert. Die Forschenden testeten ihr Verfahren in mehreren Zellmodellen, mit sehr ähnlichen Ergebnissen: Das Verfahren funktionierte mit einer hohen Erfolgsquote und die unbeabsichtigten Folgen waren minimal. Die Genom-Editierung führte allerdings nicht ganz genau zu der gewünschten Gensequenz – es gab vier Abweichungen im erzeugten Dysferlin-Protein. Diese Veränderungen hat das Team in Zusammenarbeit mit Prof. Oliver Daumke, dem Leiter der Arbeitsgruppe „Strukturbiologie Membran-assoziierter Prozesse“ am Max Delbrück Center, gründlich analysiert. „Selbst mit diesen vier Änderungen ist das erzeugte Protein in seiner Funktion dem Wildtyp sehr ähnlich, also der Version, die wir bei gesunden Individuen sehen. Wir haben es entlang beschädigter Zellmembranen nachgewiesen; der Muskel wurde dadurch regeneriert“, berichtet Escobar. Unverzichtbare Modelle und klinische Studien In Zusammenarbeit mit Dr. Ralf Kühn, Leiter der Arbeitsgruppe „Genom-Editierung und Krankheitsmodelle“ am Max Delbrück Center, haben die Forschenden ein neues Mausmodell für die Erkrankung entwickelt. Es ahmt die spezifische Dysferlin-Mutation und die daraus resultierende Krankheit genau nach und ermöglicht es, die Funktionsweise der Therapie zu bewerten: Muskelstammzellen entnehmen, sie korrigieren und die Zellen zurück zu transplantieren. Sie wollten insbesondere herausfinden, ob das Immunsystem die Zellen abstoßen oder die erzeugten Dysferlin-Proteine angreifen würde. „Wir konnten keine Immunreaktion gegen die transplantierten Zellen oder die erzeugten Proteine feststellen. Das ist vielversprechend, wenn wir diese Therapie nun in einer klinischen Studie erproben“, betont Spuler. Für diesen nächsten Schritt wirbt das Team noch Mittel ein. Sollte die klinische Studie erfolgreich sein, würde es dennoch etliche Jahre dauern, bis die Therapie allgemein zugänglich ist. Spuler und Escobar sind Miterfinderinnen einer aktuell laufenden Patentanmeldung zur Genom-Editierung menschlicher Muskelstammzellen. Spuler ist Mitbegründerin der MyoPax GmbH und der MyoPax Denmark ApS. Die Studie wurde von der Stiftung Gisela Krebs finanziert.
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