Mit elektrischen Impulsen gegen nächtliche Atemaussetzer29. März 2018 Vor allem Männer im mittleren Alter, wollen sich nicht für ihr restliches Leben mit einer Schlafmaske arrangieren“, sagt ISSS-Kongresspräsident Heiser. Foto: © thenikonpro/Fotolia Schnarchen ist für den Bettpartner belastend. Für den Schnarchenden selbst ist es darüber hinaus oft das Anzeichen einer ernst zu nehmenden Erkrankung: Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) erhöht das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Wem die gefährlichen, nächtlichen Atemaussetzer den erholsamen Schlaf verderben, der bekommt das zudem oft auch am Tag zu spüren. Wenn PD Dr. Clemens Heiser (München) von einer „Volkskrankheit“ spricht, ist das nicht übertrieben. „Schlafbezogene Atmungsstörungen gehören zu den häufigsten Erkrankungen in den westlichen Industrieländern“, sagt der Oberarzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Leiter des Schlaflabors am Klinikum rechts der Isar der TU München. Laut einer Studie aus der Schweiz könnten sogar bis zu 40 Prozent der Männer, 30 Prozent der Frauen von solchen Atmungsstörungen im Schlaf betroffen sein. Lange galt in der Behandlung der Obstruktiven Schlafapnoe die Atemmaske (CPAP-Therapie) als Mittel der Wahl. „Doch viele Patienten, besonders Männer im mittleren Alter, wollen sich nicht für ihr restliches Leben mit einer Schlafmaske arrangieren“, sagt Clemens Heiser. Chirurgische Verfahren gewinnen zuletzt immer mehr an Bedeutung. „Besonders die Neurostimulationsverfahren sind derzeit groß im Kommen“, sagt Heiser. Jetzt ist der Münchner Mediziner gemeinsam mit Prof. Thomas Verse, Chefarzt der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Asklepios Klinikum Harburg (Hamburg) Gastgeber der Jahrestagung der ISSS, der International Surgical Sleep Society, der weltweit bedeutendsten Fachgesellschaft auf dem Gebiet der Chirurgie bei schlafbezogenen Atmungsstörungen. Bis zu 400 Fachärzte erwartet Heiser vom 5. bis 7. April am Klinikum rechts der Isar, um neueste Diagnostik und Therapieverfahren zu diskutieren. „Für uns ist es eine große Ehre, die bedeutendste wissenschaftliche Tagung auf diesem Gebiet ausrichten zu dürfen“, sagt Heiser. Heiser gilt als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Neurostimulation. Das Verfahren, Patienten einen Schrittmacher einzusetzen, welcher den Unterzungennerv während des Schlafens mittels elektrischer Impulse stimuliert und damit die Atemwege in der Nacht offen hält, gilt mittlerweile als eine der wichtigsten chirurgische Alternativen in der OSA-Therapie. Weltweit, so heißt es, wurden bislang 3.000 Patienten erfolgreich damit versorgt, 500 in Deutschland. An 15 Zentren hierzulande werden laut ISSS heute bei entsprechender Indikation die Kosten für den Eingriff von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Von den Patienten, so Heiser, werde die Behandlung sehr gut angenommen und vertragen, wie mittlerweile mehrere internationale sowie etliche kleinere Singlecenter-Studien über einen hinreichend langen zeitlichen Horizont belegen. Ein Vorteil der Therapie ist, dass auch nach Jahren noch eine individuelle Anpassung der Stimulation an den Patienten und seine Erkrankung möglich ist. Derzeit sind in Deutschland und Europa zwei Systeme zugelassen, ein weiteres befindet sich in der klinischen Prüfung. Darüber hinaus gebe es zahlreiche weitere wissenschaftliche Ansätze, in Zukunft auch andere Nerven zur Öffnung der Atemwege während des Schlafens mittels Neurostimulation anzusprechen, so Heiser. Ein wichtiges Stichwort in der Diskussion um künftige Therapieoptionen ist Individualisierung. „In der Vergangenheit“, sagt Heiser, „schickte man praktisch jeden OSA-Patienten mit Maske nach Hause. Das ist ungefähr so, als wollten Sie einen Typ Turnschuh jedem Fuß dieser Welt anpassen.“ Viele Patienten kämen unbestritten mit der CPAP-Beatmung in der Nacht sehr gut zurecht. In anderen Fällen mag die konkrete Ursache für die nächtlichen Atemaussetzer aber eine ganz andere Behandlung nahelegen. „In Zukunft wird man wesentlich genauer hinschauen, welcher Patient für welche Therapie geeignet ist“, sagt Heiser. Auch der Bereich der diagnostischen Möglichkeiten entwickelt sich. Heiser nennt beispielsweise das PAT-Messverfahren (Periphere Arterielle Tonometrie), welches lediglich über einen Fingersensor fast den kompletten Schlaf messen kann: vom Sauerstoffgehalt im Blut über die Herzfrequenz bis hin zur Schnarchintensität und den einzelnen Schlafstadien. Die Technik vermag Patienten unbequeme Nächte im Schlaflabor, hinderliche Brust- und Bauchgurte sowie die nasale Luftstrommessung zu ersparen. Stattdessen erfolgt die Schlafdiagnostik bequem zu Hause. Andererseits werde etwa auch die Schnarchgeräuschanalyse immer weiter vorangetrieben, sodass in Zukunft womöglich mit Hilfe von Apps der Entstehungsort des Schnarchens analysierbar wird. Technisch möglich ist das zum Teil schon heute. Der ISSS gehören nach eigenen Angaben weltweit 500 Fachmediziner an. Sie organisiert den regelmäßigen Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse und Fortschritte und verfolgt das Ziel, stete Weiterbildung für Ärzte zu ermöglichen sowie die Öffentlichkeit über aktuelle Behandlungsmöglichkeiten bei Schnarchen und schlafbezogenen Atmungsstörungen zu informieren. Die Jahrestagung der ISSS findet 2018 zum ersten Mal in Deutschland statt.