Moderater Alkoholkonsum korreliert mit besserer kognitiver Funktion3. August 2020 Foto: ©SIMONE BECCHETTI – stock.adobe.com Ein geringer bis moderater Alkoholkonsum scheint einen positiven Einfluss auf die kognitive Funktion haben. Zu diesem Ergebnis kommt eine große populationsbasierte, prospektive Kohortenstudie aus den USA. Der Effekt könnte möglicherweise gefäßvermittelt sein, wie DGN-Generalsekretär Prof. Peter Berlit erklärt. Eine große populationsbasierte Kohortenstudie1, die die Daten von fast 20.000 Menschen aus den USA auswertete, brachte ein interessantes Ergebnis. Es handelte sich um eine Sekundäranalyse der „Health and Retirement Studie“ (HRS), deren Teilnehmer seit 1992 alle zwei Jahre allgemeinmedizinisch untersucht werden. Die vorliegende Analyse wertete Daten der dritten Erhebungswelle (1996 und später) aus und schloss nur Studienteilnehmer ein, die mindestens drei zweijährliche Gesundheitschecks durchlaufen hatten. Bei allen Teilnehmern, die bei Einschluss 65 Jahre und älter waren, wurden seit Beginn der HRS auch kognitive Funktionstests durchgeführt. Ab 1998 wurden diese Tests dann bei allen Studienteilnehmern unabhängig vom Alter vorgenommen. Insgesamt wurden dabei drei Domänen evaluiert: Die Worterinnerung, der Wortschatz und der mentale Status. Dieser umfasst verschiedene kognitive Fähigkeiten wie zum Beispiel Gedächtnisleistung, Konzentrationsfähigkeit, Orientierung, Urteilsvermögen, mathematische Fähigkeiten. Ziel der aktuellen Auswertung war, zu erheben, welchen Einfluss ein geringer bis moderater Alkoholkonsum auf die kognitive Funktion hat und ob er zu einer Veränderung der kognitiven Funktion zwischen mittlerer Lebensphase und Alter führt. Geringer bis moderater Alkoholkonsum wurde definiert als weniger als acht Drinks pro Woche bei Frauen und weniger als 15 Drinks pro Woche bei Männern (im Kontext wissenschaftlicher Studien ist mit einem Drink ein kleines Glas Wein (150 ml) oder Bier (350 ml) gemeint). Studienteilnehmer mit diesem Trinkverhalten wurden hinsichtlich der Entwicklung ihrer kognitiven Funktion mit Nicht-Trinkern und starken Trinkern verglichen. Die ausgewertete Kohorte bestand insgesamt aus 19.887 Studienteilnehmern, die im Durchschnitt 61,8 Jahre alt waren. Mehr 60 Prozent waren Frauen und mehr als 85 Prozent waren weiß. Im Ergebnis zeigte sich, dass geringer bis moderater Alkoholkonsum mit einer höheren kognitiven Funktionskurve und einem geringeren kognitiven Abbaurate einherging. Die Wahrscheinlichkeit für einen kognitiven Abbau war bei ihnen im Vergleich zu Abstinenzlern um 34 Prozent geringer (OR: 0,66), auch die Unterschiede zwischen den Gruppen im Hinblick auf mentalen Status, Worterinnerung und Wortschatz waren signifikant – die moderaten Trinker waren den Nicht-Trinkern bei den Testergebnissen überlegen. Der jährliche kognitive Funktionsverlust war in der Gruppe mit maßvollem Alkoholkonsum signifikant niedriger. Dieser Zusammenhang war bei Menschen weißer Hautfarbe besonders deutlich ausgeprägt. Allerdings bestand zwischen Alkoholkonsum und kognitiver Funktion eine klare U-Kurven-Beziehung: Bei schweren Trinkern nahm die kognitive Funktion rasant ab. „Auch in dieser Studie zeigt sich also, dass die Dosis das Gift macht. Alkohol ist letztlich ein Zellgift, auf das Nerven- und Gehirnzellen besonders empfindlich reagieren. Übermäßiger Alkoholkonsum schädigt nicht nur die Leber, sondern kann zu lebensgefährlichen neurologischen Folgen führen“, warnt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Der Experte möchte daher diese Studie keinesfalls als Freibrief für den ungezügelten Alkoholkonsum verstanden wissen. Dennoch bleibt die Frage offen, warum ein geringer bis moderater Alkoholkonsum für die kognitive Funktion zuträglich sein könnte. „Dieser positive Effekt des moderaten Alkoholkonsums ist wahrscheinlich gefäßvermittelt“, erklärt der Experte. Assoziationsstudien haben beispielsweise gezeigt, dass ein Glas Rotwein pro Tag mit einem geringeren kardiovaskulären Risiko einhergeht, also gefäßprotektiv wirken könnte. Vermutet werden antioxidative sowie anti-thrombotische und vasodilatierende Effekte, auch positive Effekte auf den Lipidstoffwechsel durch Anhebung des HDL-Cholesterins.2 Dennoch müsse betont werden, so Berlit, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen moderatem Alkoholkonsum und positiven Effekten auf die Gefäß- und Gehirngesundheit bislang nicht nachgewiesen wurde, da Assoziationsstudien grundsätzlich keine Beweiskraft haben. „Wenn aber die Hypothese, dass ein maßvoller Alkoholkonsum eine gefäßschützende Wirkung hat, stimmt, wäre leicht zu erklären, warum er sich auch günstig auf die kognitive Funktion auswirken könnte. Ein großer Teil aller Demenzen wird durch Gefäßschäden mitverursacht, wir sprechen von einer vaskulären kognitiven Beeinträchtigung. Alles, was die Gefäßgesundheit erhält – Reduktion von Übergewicht, Bewegung, gesunde Kost und Senkung eines zu hohen Blutdrucks –, schützt vor einer Demenz.“ Literatur: 1. Zhang R et al. Association of Low to Moderate Alcohol Drinking With Cognitive Functions From Middle to Older Age Among US Adults. JAMA Netw Open 2020 Jun; 3(6): e207922. 2. Laufs B, Böhm M. Einfluss von Alkohol auf das kardiovaskuläre Risiko. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 2001;52:27–30. 3. Ferner RE. Alcohol intake: measure for measure. It’s hard to calculate how much you are drinking—but you should know. BMJ 2001;323: 439–1440.
Mehr erfahren zu: "Zustimmung: Bundesrat billigt Kompromiss zu Kassenbeiträgen" Zustimmung: Bundesrat billigt Kompromiss zu Kassenbeiträgen Eine Ausgabenbremse bei den Kliniken zum Stabilisieren der Kassenbeiträge im neuen Jahr kann kommen. Nach dem Bundestag billigte auch der Bundesrat eine Änderung an einem vorgesehenen Sparpaket.
Mehr erfahren zu: "Europäische Union fördert Projekt zum Repräsentationsdrift" Europäische Union fördert Projekt zum Repräsentationsdrift Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert ein neues Projekt der Universität des Saarlandes zum Repräsentationsdrift mit zwei Millionen Euro.
Mehr erfahren zu: "Eine Dosis Psilocybin, ein Schuss Tollwut: Neue Ansätze gegen Depression" Eine Dosis Psilocybin, ein Schuss Tollwut: Neue Ansätze gegen Depression Eine internationale Forschungskooperation unter der Leitung von Wissenschaftlern der Cornell University (USA) nutzte eine Kombination aus Psilocybin und dem Tollwutvirus, um zu kartieren, wie und wo die psychedelische Substanz die […]