Möglichen Therapieansatz für das FOXP1-Syndrom entdeckt

Die mikroskopischen 3D-Darstellungen zeigen in beige Mikrogliazellen, Immunzellen des Gehirns: links unverändert, in der Mitte die veränderte Mikrogliazelle einer Maus mit nur einer Foxp1-Genkopie, rechts bei einer solchen Maus nach Behandlung mit dem Pde10a-Hemmer. Grün sind Synapsen, die Kontaktstellen von Nervenzellen, dargestellt. (Quelle: © Universitätsklinikum Heidleberg/Institut für Humangenetik)

Das FOXP1-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, bei der die Gehirnentwicklung betroffener Kinder stark beeinträchtigt ist. Ein Forschungsteam der Universität Heidelberg hat nun gezeigt, dass bei Mäusen die Blockade eines bestimmten Enzyms im Gehirn auffällige Verhaltensweisen und Fehlfunktionen von Immunzellen im Gehirn verbessern kann. 

Ein Forschungsteam der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg hat bei Mäusen erstmalig einen möglichen Therapieansatz für das seltene FOXP1-Syndrom, eine angeborene Entwicklungsstörung bei Kindern, gefunden. Die seltene Erkrankung ist genetisch bedingt und geht mit geistiger Behinderung, Störungen der Sprachentwicklung und autistischen Verhaltensweisen einher. In einer experimentellen Studie unter Leitung von Prof. Gudrun Rappold und Dr. Henning Fröhlich vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) wurde nachgewiesen, dass bei Mäusen mit einem entsprechenden Gendefekt die Inhibierung eines bestimmten Enzyms im Gehirn auffällige Verhaltensweisen und Fehlfunktionen von Hirn-Immunzellen nahezu normalisieren kann. Weitere Studien müssen nun zeigen, ob sich eine solche Wirkung auch beim Menschen erreichen lässt.

Die Forschungsgruppe um Rappold beschäftigt sich bereits seit 2010 mit dem Gen FOXP1. Damals entdeckte das Team, dass der angeborene Verlust einer von zwei natürlich vorhandenen Kopien des Gens bei Kindern zu Entwicklungsstörungen mit einem eigenständigen Krankheitsbild führt, das heute als FOXP1-Syndrom bekannt ist. Das Gen FOXP1 kodiert für einen Transkriptionsfaktor, der die Aktivität zahlreicher anderer Gene steuert und einen wichtigen Einfluss auf die Gehirnentwicklung nimmt. Dabei entfaltet FOXP1 seine Wirkung entweder allein oder gemeinsam mit dem genetisch sehr ähnlichen Sprachentwicklungsgen FOXP2. Daher stellt die gestörte Sprachentwicklung neben den geistigen und weiteren Beeinträchtigungen ein Schlüsselsymptom des FOXP1-Syndroms dar.

Signalwege geraten aus dem Gleichgewicht

In der aktuellen Studie zeigen die Forschenden, dass Mäuse mit einem Verlust einer Foxp1-Genkopie – einem etablierten Modell für das menschliche FOXP1-Syndrom – deutlich verringerte Mengen eines bestimmten Enzyms (Pde10a) in einer für Verhalten und Motorik zentralen Hirnregion aufweisen. Durch die damit einhergehende verminderte Enzymaktivität geraten wichtige Signalwege im Gehirn aus dem Gleichgewicht. Gleichzeitig kommt es zu einer krankhaften Aktivierung der Mikroglia sowie zu gestörten Kontakten zwischen den Nervenzellen. Wurde diesen Mäusen direkt nach der Geburt über vier Wochen ein spezifischer Pde10a-Hemmer verabreicht, verbesserten sich nicht nur auffällige Verhaltensweisen wie gestörtes Sozialverhalten, Ängstlichkeit und Hyperaktivität. Auch die Mikrogliazellen zeigten wieder eine normale Struktur und Funktion. „Durch die vollständige Blockade von Pde10a kann das sensible Gleichgewicht der Signalübertragung im Gehirn offensichtlich wiederhergestellt werden“, erklärt Rappold.

„Die gezielte Hemmung von Pde10a könnte einen Therapieansatz darstellen, der direkt am molekularen Ursprung des Syndroms ansetzt und zentrale Symptome des FOXP1-Syndroms lindern kann“, erläutert Fröhlich. „Ob dieser Ansatz auch entsprechend erfolgreich bei Menschen wirkt, muss nun in weiterführenden klinischen Studien geklärt werden.“ Der verwendete Pde10a-Hemmer wurde bereits in klinischen Studien anderer Erkrankungen eingesetzt und zeigte sich dort als gut verträglich, es liegen also erste Erfahrungen zur Wirkung bei Menschen vor (z. B. NCT01175135).

Von der Idee zur gezielten Therapie

„Es ist schön zu sehen, wie sich aus einer Idee über die Jahre eine eigenständige Forschungsrichtung mit klinischem Potenzial entwickelt hat. Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gezielten Therapie für diese Patientengruppe“, betont Rappold.

Weitere Forschungsarbeiten werden unter anderem von der International FOXP1-Foundation ([email protected]) unterstützt, die sich für die Förderung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Entwicklung gezielter Therapien für Betroffene engagiert.