Molekulare Signaturen von Bauchfell-Metastasen: Identifizierung in verschiedenen Modellen26. Oktober 2021 Gezeigt wird ein dünner Schnitt durch einen Tumor aus einem PDX-Modell. Durch die histologische Färbung sind Strukturen der Tumorzellen und der Tumorumgebung (Stroma) erkennbar. (Foto: © AG Stein, ECRC) Auf welche Therapie Darmkrebs-Fernmetastasen ansprechen, könnten neue Biomarker vorhersagen. Wie Forschende vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), der Charité sowie Industriepartnern in „Molecular Cancer“ berichten, haben sie die molekularen Signaturen mit Maus- und 3-D-Modellen identifiziert. Mit der chirurgischen Entfernung des Primärtumors ist es meist nicht getan. Jede zweite Darmkrebspatientin oder Darmkrebspatient entwickelt Fernmetastasen. Bei etwa 30 Prozent entstehen sie im Peritoneum. Und das ist tückisch. „Normalerweise fordern Metastasen ab einer bestimmten Größe Raum. Das führt dann etwa zu Schäden in der Leber oder Lunge. Oder zu Verhaltensauffälligkeiten, wenn sie im Gehirn wachsen. Doch im Bauchraum ist viel Platz. Hier wuchern sekundäre Tumore lange unerkannt. Und wenn sie entdeckt werden, haben sie sich meist schon stark ausgebreitet“, sagt Dr. Mathias Dahlmann vom Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung des MDC und der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er ist einer von drei Erstautorinnen und -autoren der Studie. Damit Patientinnen und Patienten in diesem fortgeschrittenen Krebsstadium noch möglichst viel Lebenszeit bleibt, sollte keine Zeit mit erfolglosen Therapien vergeudet werden. Doch die Frage, welche die effektivste ist, kann nur die Metastase selbst beantworten. Während an Leber- oder Lungenmetastasen bereits länger geforscht wird, weiß man über Bauchfellmetastasen nur wenig. Zeit, das zu ändern, fanden Prof. Ulrike Stein, Letztautorin und Leiterin der Arbeitsgruppe „Translationale Onkologie solider Tumore“ am ECRC, Charité und MDC, und Prof. Beate Rau, Tumor-Chirurgin und Leiterin des Peritonealkarzinose-Zentrums der Charité. „Patientinnen und Patienten mit Bauchfellmetastasen haben die schlechteste Prognose, verglichen mit allen anderen Metastasierungsorten“, betont Rau. Ein einzelnes Modell reicht nicht „Im Rahmen eines durch den Europäischen Fond für Regionale Entwicklung (EFRE) geförderten Projektes haben wir zunächst operativ entfernte Bauchfellmetastasen von zehn Patientinnen und Patienten grundlegend charakterisiert und dann weitere Forschungspartner ins Boot geholt“, berichtet Stein. Ein Teil des Tumorgewebes wurde direkt nach Entnahme an die EPO GmbH nach Berlin-Buch geschickt. EPO ist spezialisiert auf Tiermodelle, wie „Patient derived Xenografts“ (PDX). Dabei werden Mäusen kleine Tumorwürfel unter die Haut gepflanzt, wo sie an- und weiterwachsen. „Mausmodelle sind im Vergleich zu Zellkulturen allerdings relativ langsam. Es dauert in der Regel mehrere Monate, bis man Tumore geeigneter Größe erhält und mitunter ist der Patient inzwischen verstorben“, sagt Mathias Dahlmann. Deshalb nutzten die Forschenden noch eine zweite Technologie. Parallel ging also ein weiteres Stück des Patienten-Tumorgewebes an die CELLphenomics GmbH, um daraus Organoide wachsen zu lassen. Damit solche Miniaturabbilder des Tumorgewebes (PDO-Modelle) entstehen können, wird das Gewebe im Labor aufgearbeitet und in eine gelartige Matrix eingebettet, die das Bindegewebe des Körpers biochemisch nachahmt. Dort wachsen die Tumorzellen so weiter, dass die Organoide die Architektur des Orginalgewebes widerspiegeln und – anders als in 2-D-Zellkulturen – auch die Heterogenität des Tumors rekapitulieren können. In kurzer Zeit lassen sich so beliebig viele, mikroskopisch kleiner Tumore eines/r Patienten/Patientin züchten, an denen die Forschenden dann 17 Standard-Therapeutika testeten. Beide Modellsysteme zusammen ergaben ein aussagekräftiges Bild. Wirkstoffe an Modellsystemen zu testen, war jedoch nur ein Ziel. Die Forschenden ging es vor allem darum, spezifische molekulare Marker in den Krebszellen finden. Gene, die mutiert oder besonders aktiv in bestimmten Metastasen sind, die auf Behandlung X, Y oder Z ansprechen – um anhand dieser Biomarker individuelle Vorhersagen für die Therapie machen zu können. Wie könnte man die Metastasen behandeln? Dahlmann bereitete die Gewebeproben beider Modellsysteme und weitere Proben aus der Tumordatenbank für die Genomanalysen vor. Diese wurden dann zentral vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung in Heidelberg durchgeführt. Anschließend machte sich Proteomics-Spezialist Dr. Philipp Mertins am MDC an die Arbeit, um die nächste Ebene zu analysieren: die von den Genen kodierten Proteine. Alle Rohdaten landeten dann wieder bei Dahlmann, der nun in einem Puzzle aus Millionen Teilen nach Mustern und Zusammenhängen suchte. Und er fand Biomarker, die sich zur Vorhersage für das Therapieansprechen eignen. In 85 Prozent der Metastasenproben wurden schwerwiegende Mutationen des BRCA2-Gens gefunden, das eine zentrale Rolle bei der Reparatur von Zellschäden spielt. Bei den Wirkstofftests zeigte sich dann, dass ansonsten therapieresistente Metastasen mit dieser Signatur auf eine Kombination der Standard-Medikamente 5-FU mit zusätzlichem PARP-Inhibitor ansprachen. Bei anderen hemmte die Kombination von MEK- und PARP-Inhibitoren das Tumorwachstum erfolgreich. Langer Weg in die Klinik „Man darf nicht vergessen, woran Krebspatientinnen und -patienten sterben. In den allermeisten Fällen nicht am Primärtumor – sondern zu 90 Prozent an den Metastasen“, betont Stein. Bauchfellmetastasen treten nicht nur bei Darmkrebs auf, sondern auch bei anderen soliden Tumoren. Und Mutationen des BRCA2-Gens sind vor allem von anderen Krebsarten bekannt – an Brust, Eierstöcken, Magen oder Prostata. Auch hier versagt oft die Therapie der Metastasen. Im nächsten Schritt wollen die Forschenden ihre Studien zunächst auf eine größere Anzahl Gewebeproben von Darmkrebspatientinnen und -patienten ausweiten. Sollten sich die Ergebnisse bestätigen, werden klinische Studien folgen. „Bis Patientinnen und Patienten davon profitieren können, wird es noch dauern. Denn die Techniken, um die molekularen Veränderungen zu erkennen, müssen deutlich schneller und noch genauer werden“, sagt Rau. „Aber wir sind bereits auf einem guten Weg.“
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