Morbus Basedow: Lässt der Stress nach, erholt sich manchmal auch die Schilddrüse

Foto: © Dr_Microbe/stock.adobe.com

Einschneidende und belastende Lebensereignisse können dazu beitragen, dass die Schilddrüsenerkrankung Morbus Basedow ausbricht. Eine aktuelle Publikation zeigt, dass auch das gegenläufige Phänomen beobachtet werden kann.

Die in der Fachzeitschrift „Journal of the Endocrine Society“ publizierte Sammlung von elf Fallberichten lässt vermuten, dass ein Teil der Betroffenen sogar auf schilddrüsenhemmende Medikamente verzichten kann, wenn die auslösende Belastungssituation vorüber ist. Die Arbeit unterstreiche die Bedeutung der Psyche für die Entstehung der Basedow-Krankheit, so der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner (BDN). Außerdem könne sie Anlass sein, die bisherige medikamentöse Praxis zu überdenken.

Seit Langem weiß man, dass die Basedow-Krankheit eine psychische Komponente besitzt. „Dem ersten Auftreten von Krankheitssymptomen gehen oft einschneidende Ereignisse wie der Tod eines nahen Angehörigen, eine schwere Erkrankung in der Familie, Beziehungskrisen oder der Verlust des Arbeitsplatzes voraus“, erklärt Professor Detlef Moka, Vorsitzender des BDN. Wie sich das Ende einer solchen psychischen Krise auf den Verlauf der Schilddrüsenüberfunktion auswirkt, sei bislang jedoch noch nicht untersucht worden, heißt es in der Publikation.

Berichte von elf Fallbeispielen

Die Mediziner um Jeresa Willems vom Zuyderland Medical Center im niederländischen Sittard-Geleen berichten nun über elf Patienten, die nach starkem emotionalen Stress aufgrund solcher einschneidender Ereignisse an einem Morbus Basedow erkrankten. Die übliche Behandlung mit Thyreostatika lehnten sie jedoch ab. Überraschenderweise normalisierten sich bei neun Personen dennoch die klinischen Symptome sowie die Hormonspiegel im Blut, nachdem die emotionale Belastungssituation beendet war. Bei fünf dieser Patienten hielt der krankheitsfreie Zustand dauerhaft an – die Nachbeobachtungszeit lag im Mittel bei 2,3 Jahren. Bei den übrigen vier Patienten kehrte der Morbus Basedow nach ein bis vier Jahren zurück.

Dass sich die Schilddrüsenfunktion bei Basedow-Betroffenen wieder normalisieren kann, ist bekannt. Auch verweisen die Studienautoren auf frühere Studien, nach denen eine Psychotherapie oder Psychopharmaka, die zeitgleich mit der thyreostatischen Therapie angewendet werden, die Remission beschleunigen und das Rückfallrisiko verringern. „Wie wirksam eine Stressreduktion ohne begleitende medikamentöse Therapie ist, wurde bislang aber noch nicht untersucht“, erläutert Moka. „Dass ein Teil der Patientinnen und Patienten davon unmittelbar profitieren könnte – und in dem kleinen Kollektiv fast die Hälfte sogar dauerhaft – belegt eindrucksvoll den Einfluss der Psyche auf das Autoimmungeschehen“, betont der Nuklearmediziner aus Essen.

Die beim Morbus Basedow übliche Thyreostatika-Therapie kann mit unangenehmen Nebenwirkungen wie Ausschlägen, Juckreiz oder Haarausfall einhergehen und auf Dauer die Leber belasten. Deshalb werden die Medikamente häufig nur für zwölf bis 18 Monate verabreicht; nach dieser Zeit haben rund 60 Prozent der Betroffenen eine Remission erreicht. „Die niederländischen Fallbeispiele ermutigen dazu, nicht bei allen Patientinnen und Patienten sofort mit der medikamentösen Therapie zu beginnen, die einen stressbedingten Morbus Basedow erleiden“, so Moka. Auch die Dauer der Thyreostatika-Gabe könne möglicherweise flexibler gehandhabt und in manchen Fällen deutlich früher ein Auslassversuch gestartet werden.

Sowohl der BDN-Vorsitzende als auch die niederländischen Forschenden sehen allerdings noch weiteren Forschungsbedarf. Von großer Bedeutung für die Praxis wäre es etwa, wenn sich Untergruppen von Patienten identifizieren ließen, die sich hinsichtlich ihrer Chancen auf eine Remission unterscheiden. Die Fallbeispiele legen nahe, dass Basedow-Betroffene mit sehr hohen Autoantikörper- und Schilddrüsenhormonspiegeln letztlich nicht auf die Medikamentengabe verzichten können. Gleiches gilt für Betroffene, bei denen Augenbeschwerden hinzugekommen sind. „Um diese Fragen zu klären, müssen aber deutlich größere Patientenkollektive untersucht werden“, so Moka.