Mutationen in ONECUT1 stören Entwicklung der Bauchspeicheldrüse 19. Oktober 2021 Alexander Kleger (Foto: © Andreas Keilholz / Uniklinikum Ulm) Ein internationales Team unter deutsch-französischer Leitung hat aufgedeckt, dass Mutationen im Gen ONECUT1 Formen von Diabetes auslösen können. Solche Gendefekte führen zur Fehlfunktion der Bauchspeicheldrüse und beeinträchtigen die Insulinproduktion der Betazellen. Nicht nur bei Patientengruppen mit monogenetischem Diabetes fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Gendefekte in ONECUT1. Sie konnten darüber hinaus auch nachweisen, dass Varianten dieses Gens bei speziellen Formen von Typ-2-Diabetes eine wichtige Rolle spielen, die sich im frühen Erwachsenenalter zeigen. „Mit unserer Studie konnten wir ein bisher unbekanntes humanes Diabetes-Gen identifizieren“, erklärt Heisenberg-Professor Alexander Kleger, Leiter der Pankreas-Arbeitsgruppe an der Klinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Ulm. „Diese Entdeckung ist von hoher klinischer Relevanz, weil sie uns dabei helfen kann, Diabetes-Erkrankungen personalisiert zu behandeln und dabei den genetischen Besonderheiten des Einzelnen Rechnung zu tragen “, ergänzt der Mediziner. Kleger hat zusammen mit Dr. Cécile Julier, Humangenetikerin am renommierten Cochin Institut in Paris, die Studie geleitet. Den Forscherinnen und Forschern ist es nicht nur gelungen, diesen speziellen genetischen Defekt bei Menschen mit Diabetes-Erkrankungen nachzuweisen, sie konnten darüber hinaus auch den Mechanismus näher beleuchten, wie die ONECUT1-Varianten die Funktion der insulin-produzierenden Beta-Zellen beeinträchtigen. Das Gen ONECUT1 spielt nämlich eine wesentliche Rolle in der Pankreasentwicklung. Mutationen in diesem wichtigen Gen stören diesen komplexen Prozess an verschiedenen Stellen. Um die molekular-genetischen Netzwerke der Pankreasentwicklung besser verstehen zu können, wurden humane pluripotente Stammzellen mit deaktiviertem ONECUT1-Gen zu Pankreaszellen differenziert. Außerdem wurden Hautzellen von Patienten zu Stammzellen reprogrammiert, die danach wiederum zu Pankreaszellen entwickelt wurden. Das Ergebnis dieser Laboruntersuchungen zeigte, dass die Bildung von Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse durch die neu entdeckten ONECUT1-Genvarianten entscheidend beeinträchtigt war und zudem die Insulin-produzierenden Beta-Zellen des Pankreas in ihrer Funktion der Blutzuckerregulation nachhaltig gestört waren. Das Forschungsteam konnte zudem die molekular-genetischen Mechanismen entschlüsseln, die diese Funktionsstörung auslösen. „Es zeigte sich unter anderem, dass Mutationen im ONECUT1-Gen andere Transkriptionsfaktoren bei der Bindung an die DNA behindert haben und somit Pankreas-spezifische Genexpressionsregulatoren in ihrer Aktivität reduziert waren“, betont die Ulmer Wissenschaftlerin Dr. Sandra Heller, die zusammen mit dem Bioinformatiker Prof. Ivan Costa vom Uniklinikum Aachen zu den vier Erstautoren der Veröffentlichung gehört. „Das Ergebnis dieser gemeinsamen Studie ist ein Meilenstein. Sie zeigt, wie die Zusammenarbeit aus klinischer Medizin, Humangenetik und patientennaher Grundlagenforschung helfen kann, eine komplexe Stoffwechselerkrankung besser zu verstehen. Vermeintliche Fälle von klassischem Typ-2-Diabetes beispielsweise entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als Fälle von monogenetischem Diabetes. Dies ist nicht zuletzt für die Steuerung der Therapie der Betroffenen bedeutsam“, so die Forschenden. Beteiligt an dem internationalen und interdisziplinären Gemeinschaftsprojekt waren Forschende aus Deutschland, Frankreich und den USA, aus dem Libanon, den Vereinten Arabischen Emiraten sowie Österreich und Singapur. Kleger leitete den funktionellen, Julier den genetischen Teil der Studie. Für die Untersuchung wurde eine französische Indexfamilie von Prof. Marc Nicolino charakterisiert. Prof. Bernhard Böhm rekrutierte eine baden-württembergische Patientenkohorte mit einem früh manifestierten Typ-2-Diabetes. Die wissenschaftliche Arbeit wurde maßgeblich durch ein Kollaborationsprojekt des französischen Agence Nationale de la Recherche (ANR) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt, sowie durch das Boehringer Ingelheim Ulm University BioCenter „BIU 2.0“. Das Gen ONECUT1 kodiert für ein Protein mit dem Namen One cut homeobox 1. Dieses Protein agiert als sogenannter Transkriptionsfaktor, der ein- oder ausgeschaltet darüber entscheidet, ob bestimmte Gene aktiv sind oder nicht. Transkriptionsfaktoren sorgen allgemein dafür, dass die genetische Information der DNA in der richtigen Zelle, zur richtigen Zeit und in der richtigen Menge in sogenannte Boten-RNA transformiert wird. Diese mRNA wiederum liefert die Baupläne für die Biosynthese bestimmter Proteinen, die selbst wiederum eine Vielzahl von Funktionen erfüllen. ONECUT1 ist ein Teil einer ganzen Familie von Genen, die für Proteine kodieren, die gleichermaßen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Bauchspeicheldrüse und Leber spielen.
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