Nächster Meilenstein in der Behandlung von Lebertumoren sowie akuten und chronischen Lebererkrankungen

Abbildung: © fidaolga/stock.adobe.com

Die Ergebnisse einer unter Tübinger Leitung durchgeführten Studie geben Anlass zur Hoffnung, dass ein neu entwickeltes Medikament eine neue Ära in der onkologischen Leberchirurgie und in der Lebertransplantation einläuten könnte.

Der Wirkstoff könnte laut den Studienautoren um Prof. Lars Zender vom Universitätsklinikum Tübingen auch das Potenzial haben, die Behandlung akuter und chronischer Lebererkrankungen deutlich zu verbessern. Bei dem Wirkstoffkandidaten HRX-215 handelt es sich um einen MKK4-Inhibitor, der das in Leberzellen vorkommende Protein MKK4 hemmt und die Regeneration von Leberzellen steigert.

So konnten präklinische Studien in Maus- und Schweinemodellen zeigen, dass die durch den Inhibitor HRX-215 gesteigerte Leberregeneration bisher nicht mögliche Leberoperationen erlaubt. Bislang kann etwa bei fortgeschrittenen Lebertumoren nicht das gesamte betroffene Gewebe operativ entfernt werden, da es sonst in der restlichen Leber zu einem Leberversagen kommt. Die durch HRX-215 ermöglichte erweiterte Leberteilentfernung könnte dazu führen, dass auch Lebertumore in fortgeschrittenem Stadium vollständig entfernt werden könnten. Zudem könnte der Wirkstoff in der Lage sein, mehr Menschen mit einer lebensrettenden Lebertransplantation zu versorgen. Eine Phase-I-Studie mit 48 gesunden Probanden ergab den Wissenschaftlern zufolge eine „ausgezeichnete Verträglichkeit” des Medikamentes.

Klinische Ergebnisse geben Anlass zur Hoffnung

Da es bislang keine Medikamente gab, welche die Regeneration einer geschädigten Leber steigern konnten, beurteilen die Autoren ihre publizierten Ergebnisse mit dem neuen Wirkstoff HRX-215 als Meilenstein: „Die positiven Ergebnisse in Sachen Verträglichkeit bestätigen uns in unserem Vorhaben, in Zukunft ein Medikament anbieten zu können, welches das Potenzial hat, die Behandlung von akuten Lebererkrankungen zu revolutionieren“, betont Dr. Wolfgang Albrecht, Geschäftsführer des Tübinger Start-Up Unternehmens HepaRegeniX. Die aktuellen Ergebnisse und die Ausgründung von HepaRegeniX wurden maßgeblich durch Zenders Entdeckung im Jahr 2013 ermöglicht. „Durch die Hemmung der Kinase MKK4 kann die Selbstheilungsfunktion einer geschädigten Leber angestoßen werden“, bringt Erstautor Stefan Zwirner die Erkenntnis auf den Punkt.

Mögliche Lösung für Organspende-Mangel?

„HRX-215 wäre nicht nur im Einsatz bei der chirurgischen Entfernung von Lebertumoren eine dringend benötigte Behandlungsoption, sondern würde auch dazu beitragen können, das große Problem des Organmangels im Bereich der Lebertransplantation zu überwinden“, zeigt Zender die Anwendungsmöglichkeiten auf. Lebendtransplantationen vom kleineren linken Teil der Leber eines gesunden Spenders wären eine Lösung, da die Entnahme für gesunde Spender nur ein geringes gesundheitliches Risiko birgt. Dieser Teil der Leber ist jedoch oftmals zu klein, um die Funktion der beim Empfänger entfernten Leber zu übernehmen. „Aufgrund der durch HRX-215 vermittelten schnellen Verstärkung der Leberregeneration gehen wir davon aus, dass die HRX-215-Behandlung eine sichere Transplantation kleiner linker Leberlappen in Erwachsenen ermöglichen würde“, führt Zender weiter aus. Dies müssen jedoch weitere klinische Studien zeigen.

Deutsch-Amerikanische Kooperation

Bevor der Wirkstoff innerhalb der Phase-I-Studie an gesunden Probanden getestet wurde, kam er in Tiermodellen (Mäusen und Schweinen) zum Einsatz. Für die Studien in Schweinen arbeitete man mit der Mayo Clinic (USA) und Prof. Scott. L. Nyberg zusammen, einem international renommierten Experten im Bereich der Transplantations- und Regenerativen Medizin. Sein Team konnte zeigen, dass durch den Einsatz von HRX-215 die Leberregeneration in den Tieren gesteigert und ein Leberversagen verhindert wurde, selbst nach Entnahme von 85 Prozent des Organs.