Nahrungsergänzungsmittel: Immer beliebter, trotz oftmals unklarer Hepatotoxizität und fehlender Verordnung

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Eine neue Studie aus den USA beleuchtet das Problem von Nahrungsergänzungsmitteln mit potenziell leberschädigenden pflanzlichen Inhaltsstoffen.

Für ihre kürzlich in „JAMA“ publizierte Studie analysierten die Forschenden von der Universität Michigan (USA) Daten zu 9685 Personen aus dem National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES; Rekrutierung der Probanden zwischen Januar 2017 und März 2020).

Über einen Zeitraum von 30 Tagen nahmen 4,7 Prozent der Probanden Kräuterpräparate und Nahrungsergänzungsmittel ein, die mindestens einen der folgenden pflanzlichen Bestandteile enthielten: Kurkuma, grüner Tee, Ashwagandha (Schlafbeere; wird wegen der enthaltenen Withanolide und Alkaloide eingesetzt), Traubensilberkerze, Garcinia Cambogia (Malabar-Tamarinde; die Einnahme der darin enthaltenen Fruchtsäure wirkt angeblich appetitzügelnd) und Produkte mit rotem Hefereis (Reis, der unter Verwendung eines Schimmelpilzes fermentiert wird und cholesterinsenkend wirken soll). Untersucht wurden in der Studie nur diese sechs pflanzlichen Inhaltsstoffe.

Erstautorin Prof. Alisa Likhitsup berichtet: „Unser Interesse wurde geweckt, als wir Fälle von Lebertoxizität im Zusammenhang mit der Einnahme von Kräutern und Nahrungsergänzungsmitteln bei Personen sahen, die an der laufenden, vom NIH finanzierten DILIN-Studie teilnahmen. Es war jedoch schwierig zu sagen, wie viele Menschen diese Nahrungsergänzungsmittel verwendeten und warum. Das wichtigste Ergebnis hier ist die große Zahl der Amerikaner, die diese Produkte einnehmen. Schätzungsweise 15 Millionen Erwachsene in den USA nehmen sie regelmäßig.“

In der Vergangenheit hatten Forschungen auf diesem Gebiet ergeben, dass die untersuchten Pflanzenstoffe potenziell hepatotoxisch sind.

Die Wissenschaftler halten Nahrungsergänzungsmittel aus mehreren miteinander zusammenhängenden Gründen für besonders besorgniserregend: Es mangelt an staatlicher Regulierung, ihnen wird bei medizinischen Untersuchungen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt und sie sind zudem häufig falsch gekennzeichnet. „In einer früheren Studie haben wir festgestellt, dass einige dieser Produkte häufig falsch ausgewiesen waren“, bestätigt Prof. Robert Fontana, Hepatologe bei an der Michigan Medicine und Seniorautor der aktuellen Publikation.

Mangelnde Informationen zu Inhaltsstoffen

„Mit Verfahren der analytischen Chemie fanden wir eine Abweichung von etwa 50 Prozent zwischen den auf dem Etikett angegebenen Inhaltsstoffen und dem, was die Produkte tatsächlich enthielten. Das ist ziemlich alarmierend. Wenn man ein Nahrungsergänzungsmittel kauft und es heißt, dass es einen bestimmten Inhaltsstoff enthält, ist es im Grunde reine Glückssache, ob das stimmt oder nicht.“

Eine falsche Kennzeichnung, so erklären die Wissenschaftler, werde durch einen Mangel an Regulierung ermöglicht. Und da die Wirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln nicht gut erforscht sind, fragen Ärzte ihre Patienten oft nicht danach, welche sie einnehmen. Und so waren auch die Autoren der nun vorgestellten Studie überrascht: „Wir wussten nicht, dass so viele Menschen diese Nahrungsergänzungsmittel einnehmen“, erklärt Likhitsup. „Wenn also Ärzte Patienten in ihrer Praxis sehen, fragen sie sie nicht unbedingt nach der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder berücksichtigen deren Wirkungen.“

Einnahme ohne ärztliche Empfehlung

In der untersuchten Population nahm der größte Anteil der Befragten Kurkuma (3,46%), gefolgt von grünem Tee (1,01%), Ashwagandha und Traubensilberkerze (0,38%), Garcinia Cambogia (0,27%) und Produkte aus rotem Hefereis (0,19%) ein. Die meisten taten dies auf eigene Faust und nicht auf Anraten eines Arztes. Der am häufigsten genannte Grund für die Einnahme der pflanzlichen Mittel war, dass man sich davon eine Verbesserung der Gesundheit versprach beziehungsweise gesund bleiben wollte.

Von denjenigen Nutzern, die Kurkuma verwendeten, gaben 26,8 Prozent an, dass die entsprechenden Produkte der Gelenkgesundheit dienen oder gegen Arthrose wirken sollten. Auf mehr Energie im Allgemeinen hofften 27,2 Prozent der Grüntee-Anwender. Hilfe beim Abnehmen versprachen sich die meisten Personen, die Garcinia-Cambogia-Produkte einnahmen.

Mehr Verkäufe

Motivation für die Forschung von Likhitsup et al. war das zunehmende Wachstum der Kräuterprodukte- und Nahrungsergänzungsmittelindustrie. Die Wissenschaftler halten fest, dass weltweit mehr als 80.000 entsprechende Produkte zum Kauf angeboten werden, und dass die Verkäufe von Nahrungsergänzungsmitteln in den Vereinigten Staaten im Jahr 2023 die Marke von 150 Milliarden US-Dollar überschritten haben – eine Zahl, so erklären die Studienautoren, die der von Verkäufen verschreibungspflichtiger Medikamente gleichkommt.

Mehr Lebertransplantationen

In einer anderen Studie haben deren Autoren einen Anstieg von Lebertransplantationen festgestellt, die aufgrund von durch Nahrungsergänzungsmitteln verursachten Schädigungen des Organs nötig wurden. Beziffert wird diese Zunahme auf 70 Prozent zwischen den Vergleichszeiträumen 1994-2009 und 2010-2020.

In der nun in „JAMA“ veröffentichten Studie konnten deren Autoren keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem Einnahme der genannten sechs pflanzlichen Produkte und Leberschäden feststellen, da es sich lediglich um eine Untersuchung zur Exposition der US-amerikanischen Allgemeinbevölkerung gegenüber Nahrungsergänzungsmitteln handelte. Angesichts der mangelnden staatlichen Regulierung hoffen die Forschenden jedoch, Ärzte und Patienten darauf aufmerksam zu machen, wie viel über diese Nahrungsergänzungsmittel noch nicht bekannt ist.

„Wir wollen keine Panik schüren“, sagt Fontana. „Wir wollen nur das Bewusstsein dafür schärfen, dass die rezeptfreien Nahrungsergänzungsmittel, die die Leute einnehmen und kaufen, weder getestet noch unbedingt als sicher bewertet wurden.“