Nationale Dunkelfeldstudie: Fast 13 Prozent der Befragten von sexualisierter Gewalt betroffen3. Juni 2025 Opfer sexualisierter Gewalt finden häufig keine Möglichkeit, über das Erlebte zu sprechen, was die psychische Belastung noch verschlimmert. (Foto: © Photographee.eu – stock.adobe.com) In einer repräsentativen Studie, die die Häufigkeit und die Kontexte von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche untersucht hat, berichtete jeder Achte, mindestens einmal im Leben von sexualisierter Gewalt betroffen gewesen zu sein. Die Autoren der Studie gehen von einem erheblichen Dunkelfeld aus. Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist auch in Deutschland ein weit verbreitetes Phänomen. Der Kinderschutz und der Umgang mit den Folgen früher Kindheitsbelastungen stellt die medizinische Versorgung vor große Herausforderungen. Seit vielen Jahren wird kritisiert, dass es keine wissenschaftlich verlässlichen Daten zum Ausmaß sexualisierter Gewalt in Deutschland gibt. Nach wie vor ist neben dem tatsächlichen Ausmaß auch zu wenig über die genauen Tatkontexte bekannt, um gezielt und effektiv vorbeugen zu können. Fast 13 Prozent haben sexualisierte Gewalt erlebt Um Abhilfe zu schaffen, hat das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) im Rahmen des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG) zusammen mit der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ulm und dem Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg die erste deutschlandweite, repräsentative Studie durchgeführt, die neben dem Ausmaß auch die Umstände und Folgen der Taten berücksichtigt. Demnach gaben 12,7 Prozent der Befragten an, im Kindes- oder Jugendalter sexualisierte Gewalt erfahren zu haben. Betroffen sind zumeist Frauen Die Betroffenenrate bei Frauen lag mit 20,6 Prozent deutlich höher als bei Männern (4,8 Prozent). Das bedeutet, mehr als 20 Prozent aller befragten Frauen gaben an, von sexualisierter Gewalt im Kindes- und Jugendalter betroffen zu sein. In der jüngeren Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen war dieser Anteil mit 27,4 Prozent sogar noch höher. „Die Ergebnisse weisen auf ein erhebliches Dunkelfeld hin, das im Vergleich zu früheren Untersuchungen nicht abgenommen hat, obwohl das Bewusstsein um die Problematik gewachsen ist und Präventionsmaßnahmen in Deutschland ausgeweitet wurden“, erklärt Prof. Harald Dreßing, Koordinator der Studie und Leiter der Forensischen Psychiatrie am ZI. Auf die Frage nach dem Täter oder der Täterin gab ein Großteil der Betroffenen einen männlichen Täter an. Nur 4,5 Prozent der befragten Personen haben sexualisierte Gewalt durch eine Frau erfahren. Sexualisierte Gewalt am häufigsten in der Familie Auch der Kontext der Taten wurde in der Studie erfragt. Demnach berichteten Betroffene am häufigsten, in der Familie oder durch Verwandte sexualisierte Gewalt erfahren zu haben. Auffällig war, dass Männer deutlich häufiger sexualisierte Gewalt in Sport- und Freizeiteinrichtungen, im kirchlichen Kontext und im Rahmen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe erlebten. Das Forschungsteam macht deutlich, dass diese Unterschiede die Notwendigkeit zeigen, differenzierte Schutzkonzepte für Kinder und Jugendliche zu entwickeln. Digitale Kanäle spielen eine wichtige Rolle Bei fast einem Drittel der Fälle (31,7 Prozent aller Befragten) spielten digitale Kanäle, also beispielsweise Social Media, Messenger-Dienste und Chats, eine wichtige Rolle. In diesen Fällen ging es unter anderem um die ungewollte Zusendung pornographischen Materials, Aufforderungen zu sexuellen Handlungen oder Zwang und Druck, sexuelle Bilder und Videos zu teilen. 61,9 Prozent der Betroffenen, die sexualisierte Gewalt in der realen Welt erfahren haben, haben auch sexualisierte Gewalt in den sozialen Medien erlebt. Angst führt zu Schweigen Mehr als ein Drittel (37,4 Prozent) der Betroffenen hatte bisher nicht mit anderen Personen über die erlebte sexualisierte Gewalt gesprochen. Als Grund hierfür berichteten Betroffene häufig Schamgefühle und die Angst, dass einem nicht geglaubt werde. „Das zeigt, dass es immer noch ein erhebliches Dunkelfeld gibt und es vielfach an geschützten Räumen fehlt, in denen Menschen das Erlebte offen ansprechen können, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen“, erklärt Dreßing. Prävention und Versorgung verbessern Die Studie zeigt auch deutlich, dass das psychische Befinden der von sexualisierter Gewalt Betroffenen deutlich schlechter ist als das der Nichtbetroffenen. „Es ist wichtig, dass wir die Forschung zum Ausmaß und den Kontexten von sexualisierter Gewalt verstetigen und weiter voranbringen. Nur so können wir Präventionskonzepte und die gezielte medizinische Versorgung von Betroffenen wirklich verbessern“, betont Prof. Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des ZI und Sprecher des DZPG-Standorts Mannheim-Heidelberg-Ulm. Zusammen mit dem Umfrageinstitut infratest dimap wurden deutschlandweit 10.000 Personen zwischen 18 und 59 Jahren schriftlich kontaktiert. Etwas mehr als 3000 Personen haben an der Befragung teilgenommen. Diese Rücklaufquote ist hoch und erlaubt belastbare Aussagen. Über die Studie und die Methodik Die Studie wurde mit Eigenmitteln der wissenschaftlichen Institute sowie mit finanzieller Unterstützung der Weisser-Ring-Stiftung, des Vereins Eckiger Tisch sowie des Kinderschutzbundes finanziert. In Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut infratest dimap wurde eine für Deutschland repräsentative Bevölkerungsstichprobe von Personen, die zwischen 18 und 59 Jahren alt waren, mithilfe von Adressen der Einwohnermeldeämter erstellt. Den befragten Personen stand die Möglichkeit der Teilnahme auf schriftlich-postalischem Weg oder über eine Online-Befragung offen (Mixed-Mode-Design). Der Befragung lagen ein strukturierter Fragebogen sowie weitere etablierte und international verwendete Instrumente zugrunde. Darin wurde unter anderem nach spezifischen Tatbereichen, Tatzusammenhängen, der Tatanbahnung und der Offenlegung der erlebten Gewalt gefragt, den Folgen der Tat sowie der Bedeutung der sozialen Medien für die Missbrauchshandlungen.
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