Neoadjuvante Androgenblockade vor radikaler Prostatektomie – Zukunftskonzept für Hochrisiko-Patienten?

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Eine neoadjuvante Therapie vor radikaler Prostatektomie beim Hochrisiko-Prostatakarzinom ist derzeit kein Therapiestandard. Das könnte sich aber in Zukunft ändern, sollten laufende Studien positiv ausfallen.

Beim 19. Treffen der Sektion Uroonkologie der European Association of Urology (ESOU) Ende Januar in Madrid (Spanien) diskutierten Experten eine mögliche Rolle der medikamentösen Vorbehandlung der Patienten vor der Operation. Dr. Maria Carmen Mir Maresma, Valencia (Spanien) hat die Ergebnisse in einem Online-Programm der ESOU zusammengefasst und mit Kollegen besprochen. Demnach haben frühere Studien keine Erfolge gezeigt. Jedoch hätten die Patienten in den damaligen Studien nach heutigen Kriterien nicht wirklich ein Hochrisiko-Prostatakarzinom gehabt, betonte die Urologin. Zudem gebe es heute weit wirksamere Medikamente als damals. Daher wird das Konzept in einer Reihe laufender Studien weiter getestet. Darin sind entgegen früherer Untersuchungen eine zentrale Auswertung des vollständigen pathologischen Ansprechens (pathological complete response, pCR) und eine langfristige Nachbeobachtung vorgesehen.

Die Rationale dahinter verfolgt ein dreifaches Ziel: Erstens könnte die neoadjuvante Therapie das Tumorvolumen verringern und so die Resektion erleichtern; zweitens könnte sie mögliche Mikrometastasen eliminieren; drittens erhoffen sich die Urologen eine bessere Beurteilungsmöglichkeit der Pharmakodynamik innerhalb der Prostata. Eine gepoolte Analyse dreier Phase-II-Studien ergab vielversprechende Resultate: Die Patienten mit pCR oder minimaler Resterkrankung <5 mm erlitten innerhalb von 3,5 Jahren kein biochemisches Rezidiv. Weitere Studien haben auch nach Biomarkern gesucht, die für oder gegen eine neoadjuvante Therapie sprechen. Als ungünstig erwiesen sich PTEN-Verlust, AR-V7 im Zellkern, GR >10% und Ki67 >10%. Auch das Vorliegen von Mutationen der DNA-Reparaturgene spielt eine Rolle.

Die PROTEUS-Studie

Eine derzeit rekrutierende Phase-III-Studie (PROTEUS) testet Apalutamid plus Androgendeprivationstherapie (ADT) gegenüber Placebo plus ADT bei Hochrisiko-Patienten in einem neoadjuvanten und adjuvanten Setting: Die Patienten erhalten die zusätzliche Therapie sowohl vor als auch nach der radikalen Prostatektomie. Die primären Endpunkte sind pCR und metastasenfreies Überleben, als sekundäre Endpunkte wurden das PSA-Rezidiv-freie und das progressionsfreie Überleben festgelegt. Mir Maresma zufolge sollen spätestens Ende 2023 erste Ergebnisse vorliegen. Außerdem führte sie 14 weitere Studien auf, die verschiedenste Therapieregimes (auch andere als die Androgenblockade) im neoadjuvanten Setting vor radikaler Prostatektomie testen.

“pCR könnte einen Surrogat-Endpunkt für biochemisches Rezidiv und metastasenfreies Überleben sein, aber wir sind noch nicht sicher bei diesen Outcomes”, merkte die Urologin kritisch an. Wie die bisherigen Studien zeigten, schienen intensivere Therapien eine höhere pCR-Rate zu erreichen, resümierte sie. Verbesserte Biomarker und genauere Bildgebung könnten möglicherweise die Patienten identifizieren, die von einer neoadjuvanten Therapie profitieren würden.

Dr. Arnout Albers vom Erasmus University Medical Center in Rotterdam (Niederlande) kritisierte, dass in der PROTEUS-Studie kein dritter Arm mit Standardbehandlung ohne neoadjuvante Therapie (also auch ohne ADT) vorgesehen ist, “um wirklich zu zeigen, dass neoadjuvante Therapie der Weg ist, der gegangen werden sollte”. Prof. Noel Clarke vom Salford Royal NHS Foundation Trust in Manchester (Großbritannien) gab zu bedenken, dass Überlebensergebnisse aufgrund des natürlichen Krankheitsverlaufs beim nicht metastasierten Prostatakarzinom erst in 10-12 Jahren zu erwarten sind: “Da müssen wir geduldig sein.” Er gestand jedoch zu, dass Biomarker “hoffentlich” in der Zwischenzeit in der Praxis helfen könnten.

(ms)