Neuer Schutzmechanismus des Darms entdeckt1. März 2019 Niklas Krupka (Foto: © zvg) Ein internationales Forscherteam hat einen bislang unbekannten Schutzmechanismus des Darms identifizieren können. Eine gezielte Beeinflussung dieses Mechanismus könnte in Zukunft die Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen verbessern, glauben die Wissenschaftler. Unser Darm ist täglich einer Vielzahl von Umwelteinflüssen ausgesetzt. Einige dieser Faktoren, wie Nahrungsbestandteile, Bakterien oder Viren, können das empfindliche Gleichgewicht im Darm stören. Zusammen mit genetischen Faktoren können sie zu überschießenden Abwehrreaktionen führen, die sich als chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) äußern. Ein Bestandteil innerhalb der Darmzellen, der besonders sensibel auf Umweltstressoren reagiert, ist das endoplasmatische Retikulum (ER). In diesem verzweigten Membrannetzwerk werden für die Zelle lebenswichtige Eiweiße hergestellt. In vorangegangenen Studien konnte bereits gezeigt werden, dass ER-Stress für die Entstehung von CED eine wichtige Rolle spielt. Ob ER-Stress dagegen auch eine Darmentzündung hemmen kann, war bislang unklar. Neueste Resultate eines internationalen Forschungsteams mit maßgeblicher Beteiligung von Forschenden des Department for Biomedical Research (DBMR) der Universität Bern und der Abteilung Gastroenterologie der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Inselspitals Bern zeigen nun den Forschern zufolge erstmalig positive Effekte von ER-Stress bei Darmentzündungen: Durch diesen werden in der Darmschleimhaut gezielt Abwehrzellen aus der Bauchhöhle rekrutiert. Diese Zellen können über die Produktion von Antikörpern vom Typ Immunoglobulin A (IgA) die Schutzbarriere der empfindlichen Darmschleimhaut verstärken und damit vor überschießenden Entzündungsreaktionen schützen. Stress kann auch positiv sein Die Forschenden untersuchten mehrere Mausmodelle, bei denen sich durch genetische Veränderungen ER-Stress in den Zellen der Darmschleimhaut entwickelt, und fanden als gemeinsames Merkmal aller Modelle einen signifikanten IgA-Anstieg. Wenn die Forschenden zusätzlich die Produktion oder den Transport von Antikörpern störten, wurde der Schutzeffekt von IgA unterbunden, und es kam zu einer vermehrten Darmentzündung. Darmzellen (Abbildung: © Brigham Women Hospital Harvard) “Besonders wichtig für diese Studie waren Beobachtungen an keimfreien Mäusen”, sagt Niklas Krupka, einer der Ko-Erstautoren der Studie. Da in keimfreien Mäusen der stimulierende Einfluss von Bakterien, Viren oder Pilzen auf das Immunsystem fehlt, stellen diese Tiere normalerweise nur wenig IgA her. “Allein durch das genetische Erzeugen von ER-Stress in den Darmzellen konnten wir in keimfreien Mäusen einen deutlichen Anstieg der IgA-Produktion auslösen. Dies zeigt, dass wir es mit einem fundamentalen Schutzmechanismus des Darmes zu tun haben, für den nicht einmal eine natürliche mikrobielle Besiedlung erforderlich ist.” Neuer Behandlungsansatz? Als Ursprung für die durch ER-Stress ausgelöste IgA-Antwort identifizierten die Forschenden eine spezielle Gruppe von Abwehrzellen in der Bauchhöhle. “Unsere Daten zeigen, dass der Darm bei ER-Stress über bislang noch unbekannte Faktoren aktiv mit diesen Zellen kommuniziert und sich damit Hilfe aus der Ferne holt”, erklärt Krupka. Vergleichbare Schutzmechanismen könnten auch bei CED eine Rolle spielen: Als Hinweis dafür fanden die Forschenden in Darmbiopsien von Patienten, die eine ER-Stress-fördernde Genvariante aufwiesen, vermehrt IgA-produzierende Zellen. Die Forschenden erhoffen sich nun, dass die gewonnenen Erkenntnisse in Zukunft für neue Behandlungsansätze bei CED genutzt werden können und planen bereits weiterführende Studien. “ER-Stress der Darmschleimhaut kann eine nützliche Funktion ausüben – vergleichbar mit dem aus der Psychologie entlehnten Begriff “Eustress”: einem stressauslösenden Reiz, der den Organismus jedoch positiv beeinflusst”, sagt Krupka. Die Studie wurde unter der Leitung des Brigham and Women’s Hospital, Harvard Medical School, Boston, mit wesentlicher Beteiligung des Department for Biomedical Research der Universität Bern und der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Berner Inselspitals durchgeführt. Krupka ist nach Abschluss seiner Forschungsarbeiten an der Harvard Medical School seit Kurzem an der Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin des Berner Inselspitals tätig. Die Berner Forschenden Hai Li, Julien Limenitakis, Stephanie Ganal-Vonarburg und Andrew Macpherson waren maßgeblich an der Charakterisierung der Antikörperantwort und ihrer Auswirkung auf die Darmbakterien beteiligt. Rosenstiel P et al. Epithelial endoplasmic reticulum stress orchestrates a protective IgA response. Science, 01.03.2019
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