Neuronale Entwicklungsstörungen: Genetische Varianten als Ursache entdeckt

Prof. Christel Depienne (Quelle: © Frank Preuss/UDE)

Mutationen in kleinen nukleären RNAs (snRNAs) sind offenbar eine genetische Ursache neuronaler Entwicklungsstörungen. Das zeigen die Untersuchungen eines internationalen Forschungsteams. Diese snRNAs sind wichtiger Bestandteil des sogenannten Spleißosoms, welches einen wichtigen Baustein in der korrekten Verarbeitung genetischer Information darstellt.

„Unsere Studie ist ein Meilenstein in der Erforschung genetisch bedingter Entwicklungsstörungen“, betont Prof. Christel Depienne, Professorin für Molekulargenetik neurogenetischer Entwicklungsstörungen am Institut für Humangenetik der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen und der Universitätsmedizin Essen. „Sie liefert die Grundlage für verbesserte Diagnosemöglichkeiten und die genetische Beratung bei zukünftigen Schwangerschaften und liefert auch neue Ansätze für die Entwicklung therapeutischer Strategien“, erklärt die Studienleiterin.

Die Studie basiert auf der Analyse von mehr als 23.000 Patienten mit seltenen Erkrankungen*. Sie zeigt, dass in etwa 0,5 Prozent der Fälle Mutationen im snRNA-Gen RNU4-2 vorliegen und zum sogenannten ReNU-Syndrom führen, einer seltenen neurologischen Entwicklungsstörung. Insgesamt wurden 145 neue Fälle mit (wahrscheinlich) krankheitsverursachenden genetischen Varianten in RNU4-2 identifiziert. Weitere 21 Patienten wiesen Veränderungen in den eng verwandten snRNA-Genen RNU5B-1 und RNU5A-1 auf, die ebenfalls mit neuronalen Entwicklungsstörungen in Verbindung gebracht werden. Die meisten dieser Genveränderungen traten spontan auf – vor allem auf dem mütterlichen Erbgut. „Je nachdem, wo genau die Mutation im Gen liegt, unterscheiden sich der Schweregrad und die Ausprägung der Symptome deutlich“, erklärt Depienne.

Zusätzliche Erkenntnisse lieferten Teams der Universitätskliniken Nantes und Rouen, beide Frankreich, die biologische Marker im Blut identifizierten, wie Veränderungen in RNA-Profilen und epigenetischen Signaturen, die weitere Hinweise auf die Art der Erkrankung geben können und zukünftig auch bei atypischen Verläufen eine präzisere Diagnostik ermöglichen könnten.

Einen weiteren zentralen Beitrag leistete das Team um Dr. Clément Charenton (IGBMC, Straßburg, Frankreich), der gemeinsam mit klinischen Partnern die molekularen Mechanismen zwischen Genmutation, zellulärer Funktion und klinischem Phänotyp untersuchte.

* Die Daten stammen unter anderem aus dem französischen Sequenzierungsprogramm “Plan France Médecine Génomique 2025” sowie von internationalen Partnern, darunter Genomics England, das Broad Institute (USA), Care For Rare Canada und das Undiagnosed Diseases Network Australia.