Nichtalkoholische Fettleber bei Kindern: Studie ergibt Zusammenhang mit vorgeburtlicher Exposition gegenüber häufigen Chemikalien

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Die zunehmende Inzidenz der Nichtalkoholischen Fettlebererkrankung bei Kindern steht im Zusammenhang mit der pränatalen Exposition gegenüber mehreren endokrin wirksamen Chemikalien, berichten Forscher des Mount Sinai Hospital in den USA.

Bei ihrer Untersuchung handelt es sich den Forschenden zufgole um die erste umfassende Studie zum Zusammenhang zwischen der pränatalen Exposition und Mixturen solcher Chemikalien und Nichtalkoholischer Fettlebererkrankung (NAFLD). Die Forscher verwendeten Cytokeratin-18 als neuartigen Marker für die Erkrankung bei Kindern. Die Ergebnisse, über die im Juli im „JAMA Network Open“ berichtet wurde, unterstreichen, wie wichtig es ist, die vorgeburtliche Exposition gegenüber chemischen Stoffen in der Umwelt als Risikofaktor für eine NAFLD zu verstehen.

„Diese Ergebnisse können zu effizienteren Präventions- und Interventionsstrategien im frühen Leben beitragen, um die aktuelle Epidemie der Nichtalkoholischen Fettleber zu bekämpfen“, erklärt Vishal Midya, Erstautor der Studie und Postdoktorand in der Abteilung für Umweltmedizin und öffentliche Gesundheit und Mitglied des Mount Sinai Institute for Exposomic Research an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai.

Seniorautorin Dr. Damaskini Valvi, Assistenzprofessorin für Umweltmedizin und öffentliche Gesundheit und Angehörige des Mount Sinai Institute for Exposomic Research am Icahn Mount Sinai, fügt hinzu: „Wir alle sind diesen Chemikalien täglich durch die Lebensmittel, die wir essen, das Wasser, das wir trinken, und durch die Verwendung von Konsumgütern ausgesetzt. Dies stellt ein ernsthaftes Problem für die öffentliche Gesundheit dar. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Exposition gegenüber vielen endokrin wirksamen Chemikalien im frühen Leben ein Risikofaktor für die Nichtalkoholische Fettlebererkrankungen im Kindesalter darstellt. Sie sollten weitere Untersuchungen anregen, die nötig sind, um aufzuklären, wie chemische Expositionen in der Umwelt mit genetischen und Lebensstilfaktoren in der Pathogenese von Lebererkrankungen interagieren können.”

Die NAFLD wird zunehmend im Kindesalter diagnostiziert – sie betrifft sechs bis zehn Prozent der pädiatrischen Allgemeinbevölkerung und etwa 34 Prozent der Kinder mit Adipositas. Bei Chemikalien mit endokriner Wirkung handelt es sich um eine große Klasse von Umweltschadstoffen, zu denen eine ganze Reihe von Pestiziden, Kunststoffen, Flammschutzmitteln und toxischen Metallen gehören. Beispiele hierfür sind Perfluoralkyl-Substanzen (PFAS), auch bekannt als „Ewig-Chemikalien“, die in Antihaft-Kochgeschirr und Lebensmittelverpackungen verwendet werden, und polybromierte Diphenylether (PBDEs), die als Flammschutzmittel in Möbeln und Säuglingsprodukten zum Einsatz kommen. Chemikalien mit endokriner Wirkung stören das Hormon- und Stoffwechselsystem des Menschen. Mehrere experimentelle Studien haben gezeigt, dass die Exposition gegenüber diesen Substanzen zu Leberschäden und einer NAFLD führen kann. Bisher wurden die möglichen Auswirkungen einer vorgeburtlichen Mischexposition gegenüber diesen Chemikalien jedoch nicht beim Menschen untersucht.

In ihrer Studie führten die Forschenden von 2003 bis 2010 für 45 Chemikalien im Blut oder Urin bei 1108 Schwangeren Messungen durch. Zu den untersuchten chemischen Substanzen gehörten endokrin wirksame Chemikalien wie PFAS, Organochlor- und Organophosphat-Pestizide, Weichmacher (Phenole, Phthalate), PBDEs und Parabene. Als die Kinder der untersuchten Frauen das Alter von sechs bis elf Jahren erreichten, maßen die Wissenschaftler die Werte von Enzymen und Cytokeratin-18, die auf ein Risiko für Lebererkrankungen hinweisen, im Blut der Kinder. Die Forschenden fanden erhöhte Werte dieser Biomarker bei Kindern, die während ihrer Zeit im Mutterleib in stärkerem Maße Umweltchemikalien ausgesetzt gewesen waren.

„Indem wir die Umweltfaktoren verstehen, die eine Fettlebererkrankung beschleunigen, können wir das Risiko beim Menschen verringern, indem wir ihnen umsetzbare Informationen geben, damit sie fundierte Entscheidungen treffen können, durch die sie das Risiko oder die Auswirkungen der Erkrankung verringern“, erklärt Dr. Robert Wright von der Abteilung für Umweltmedizin und öffentliche Gesundheit sowie Co-Direktor des Institutes für Exposomenforschung am Icahn Mount Sinai. „Exposomics ist die Welle der Zukunft, denn sobald man das menschliche Genom sequenziert hat, was geschehen ist, kann man in der Genomik allein nicht mehr viel tun. Das fehlende Puzzleteil, um verschiedene Krankheiten zu verstehen, besteht darin, ihre umweltbedingten Ursachen zu messen. Die Exposomik ist eine Möglichkeit, unser Wissen darüber rascher wachsen zu lassen, wie sich die Umwelt auf unsere Gesundheit auswirkt.“

Die Teilnehmer der genannten Studie waren in das Human Early-Life Exposome-Projekt eingeschrieben, ein kollaboratives Netzwerk von sechs laufenden populationsbasierten prospektiven Geburtskohortenstudien aus sechs europäischen Ländern – Frankreich, Griechenland, Litauen, Norwegen, Spanien und Großbritannien. Zu den Einschränkungen dieser Studie gehört laut den Autoren, dass keine Leberbiopsien durchgeführt werden konnten – aufgrund des damit verbundenen Risikos und der ethischen Einschränkungen wegen des Alters der Kinder.