Niedriger Cortisolspiegel lässt uns altern6. Juli 2020 Die Pharmazeutin Prof. Alexandra K. Kiemer und ihre Arbeitsgruppe befassen sich seit Jahren mit dem Protein Gilz. In zahlreichen Studien konnten sie aufdecken, dass Gilz an einer Vielzahl wichtiger Abläufe im Körper maßgebend beteiligt ist. (Foto: © Iris Maurer) Warum altern wir? Was genau passiert dabei im Körper? Und: Lässt sich dagegen etwas tun? Diese Fragen beschäftigen die Wissenschaft seit Menschengedenken. Pharmazeutinnen der Universität des Saarlandes haben nun Vorgänge im Immunsystem entlarvt, die mit dazu beitragen, dass wir altern. Wenn der Mensch altert, altert auch seine körpereigene Abwehr: Das im Laufe des Lebens erworbene Immunsystem gegen Krankheitserreger, mit denen der Mensch in Kontakt kam, fährt mehr und mehr herunter. Das angeborene, unspezifische Immunsystem wird dagegen überaktiv. Die Folge sind chronische Entzündungen. Der dauernde Entzündungszustand richtet dabei gehörigen Schaden an: Chronische Entzündungskrankheiten wie Atherosklerose oder Arthritis haben leichteres Spiel. Diese Abläufe sind der Wissenschaft schon länger bekannt. Bislang noch nicht geklärt war die Frage nach dem Warum dieser aufflammenden Entzündungen. Zu einer Antwort könnten Prof. Alexandra K. Kiemer von der Universität des Saarlandes und ihre Arbeitsgruppe jetzt beitragen: Der Entzündungsprozess beruht ihren Ergebnissen zufolge darauf, dass im Alter die Menge des vom Körper gebildeten Hormons Cortisol abnimmt. Und ein Cortisolmangel führt zu Entzündungen. „In höherem Lebensalter ist der Cortisol-Spiegel im Körper niedriger. Zwar stellen wichtige Immunzellen, die Makrophagen, eigentlich selbst aktives Cortisol aus inaktivem Cortison her. Das funktioniert mit zunehmendem Alter aber schlechter. Es kommt zu einem Macroph-Aging – also einem Altern der Makrophagen“, erklärt Dr. Jessica Hoppstädter, Pharmazeutin in Kiemers Team. Die Folge ist, dass erhöhte Mengen von Entzündungsbotenstoffen freigesetzt werden und Entzündungszellen ungehindert aktiver werden können. Die Ergebnisse der Saarbrücker Pharmazeutinnen sprechen dafür, dass hinter dieser Fehlsteuerung der Makrophagen ein bestimmtes Protein steckt: Es trägt den Namen Gilz und wird unter anderem von Cortisol reguliert. „Gilz ist eine Kurzform für Glucocorticoid-induzierter Leuzin Zipper“, erklärt Kiemer. Ihre Arbeitsgruppe befasst sich seit Jahren mit diesem Protein und hat bereits in zahlreichen Studien aufdecken können, dass Gilz an einer Vielzahl wichtiger Abläufe im Körper maßgebend beteiligt ist: Es kann Gutes, aber auch Schlechtes bewirken. „Im Immunsystem kommt Gilz eine Schlüsselrolle zu. Es hilft etwa dabei, in Makrophagen die Entzündungsreaktion abzuschalten. Daher stellten wir die Hypothese auf, dass der Verlust von Gilz dazu beiträgt, dass die Makrophagen im Alter Entzündungen auslösen“, erläutert Hoppstädter. Ihre Daten zeigen: Nimmt der Cortisol-Spiegel ab, führt dies dazu, dass die Makrophagen weniger Gilz herstellen, wodurch Makrophagen ungebremst Entzündungsbotenstoffe ausschütten. Tatsächlich waren die Gilz-Spiegel im Alter verringert. Um zu untersuchen, ob das schon reicht, um Entzündungen zu verursachen, schaltete die Forscherin das Protein Gilz genetisch aus. Das Ergebnis bestätigte den Verdacht: Die Makrophagen wurden aktiviert, die schwelenden Entzündungsprozesse nahmen zu. Kiemers Forschergruppe arbeitet in einer Reihe von verschiedenen Studien rund um das Protein Gilz auch an der Suche nach neuen Wirkstoffen, um den Gilz-Spiegel im Körper zu erhöhen. Aber: Ein Wirkstoff, der das Altern der Makrophagen aufzuhalten vermag, ist noch lange nicht Sicht. „Bei all diesen Arbeiten handelt es sich um Grundlagenforschung. Da Gilz im Körper in ein riesiges Geflecht komplexer Zusammenhänge eingebunden ist, und Gutes wie auch Schlechtes bewirkt, muss bis zu Wirkstoffen noch sehr viel geforscht werden“, erklärt Kiemer. Originalpublikation: Perez JVV et al. Altered glucocorticoid metabolism represents a feature of macroph-aging. Aging Cell, 28. Mai 2020
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