Nigeria: Befragung zu Hautaufhellern im frühen Kindesalter

Mutter und Tochter cremen sich ein
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Eine neue Befragung in einer semiurbanen Gemeinde Nigerias legt nahe, dass ein erheblicher Anteil der Kinder unter 5 Jahren Hautaufhellungsprodukten ausgesetzt ist. Die Studie wurde im Open-Access-Journal „BMJ Open“ veröffentlicht.​

Die kosmetische Anwendung von Hautaufhellern hat weltweit zugenommen, mit besonders hohen Raten unter Frauen im reproduktiven Alter in Afrika. Besondere Sorge bereitet der Trend, dass Mütter Hautaufhellungscremes bei ihren jungen Kindern anwenden.​ Hautaufhellungsprodukte enthalten häufig endokrine Disruptoren wie Süßholzwurzelextrakt, Resveratrol und Steroide sowie Schwermetalle wie Quecksilber.​

Befragung von 369 Müttern

Um Prävalenz und Motive besser zu verstehen und gesundheitspolitische Maßnahmen zum Schutz von Kindern zu unterstützen, befragten die Forschenden 369 Mütter mit mindestens einem Kind unter 5 Jahren in Ile-Ife im Südwesten Nigerias.​ Alle Mütter nahmen an Gemeindeterminen zur Immunisierung oder an Mutter-Kind-Vorsorge in drei staatlichen primärärztlichen Einrichtungen teil.​

Ziel der Erhebung war, zu erfassen, wie viele Frauen bei ihren Kindern Cremes, Seifen oder Lotionen zur Hautaufhellung einsetzen und wie Wissen, Einstellungen und Wahrnehmungen zu Nutzen und Risiken dieser Produkte ausgeprägt sind.​

Berücksichtigt wurden potenziell einflussreiche Faktoren wie Alter, Familienstand, Religionszugehörigkeit, Einkommen, Beruf, kulturelle Überzeugungen, Bildungsstand, eigene Hautfarbe und eigener Gebrauch von Hautbleichmitteln, wahrgenommene soziale Faktoren sowie Medienzugang.​ Das durchschnittliche Alter der Mütter lag bei 30 Jahren; nahezu alle hatten mindestens einen Sekundarschulabschluss, und die Mehrheit berichtete ein niedriges Haushaltseinkommen.​

Fast jede fünfte Mutter setzt Cremes ein

Insgesamt hatten die 369 Mütter 792 Kinder im Alter von 1 bis 59 Monaten.​ Rund jede fünfte Mutter (19,5 Prozent) gab an, bei ihrem Kind Hautaufhellungscremes zu verwenden; 90 Prozent davon setzten die Produkte routinemäßig ein, der Rest sporadisch.​ Säuglinge und Kleinkinder waren die Hauptbetroffenen: Über drei Viertel (81 Prozent) der exponierten Kinder waren jünger als 2 Jahre, etwas mehr als die Hälfte (51,5 Prozent) jünger als 6 Monate.​ Kinder unter 2 Jahren hatten etwa das doppelte Risiko, Ziel von Hautaufhellungsmaßnahmen zu sein, verglichen mit älteren Kindern.​

Am häufigsten wurden Hydrochinon-haltige Cremes eingesetzt (60 Prozent), gefolgt von hochpotenten topischen Steroidcremes (29 Prozent).​ Drei Viertel (76,5 Prozent) der Mütter, die Hautaufheller bei ihren Kindern verwendeten, bezeichneten sich selbst als hellhäutig. Ein ähnlicher Anteil (75 Prozent) äußerte eine Präferenz für hellere Haut.​

Die meisten dieser Mütter (89 Prozent) gaben an, selbst Hautaufhellungscremes zu benutzen. Rund die Hälfte (56 Prozent) nahm an, dass hellere Haut soziale oder ökonomische Vorteile gegenüber dunkleren Hauttönen verschafft.​

Als häufigste Gründe für den Einsatz bei Kindern wurden die Verbesserung des Teints (61 Prozent) und die angebliche Bewahrung der „natürlichen“ Hautfarbe (79 Prozent) genannt.​ Weniger als die Hälfte (43 Prozent) nannte konkrete erwartete Vorteile wie Behandlung von Hautunreinheiten (8 Prozent), Steigerung der Schönheit (19,5 Prozent) oder Vorbeugung einer Sonnenbräunung (6 Prozent).​

Anwendung trotzt bekannter Gesundheitsrisiken

Fast alle Befragten (97 Prozent) kannten die mit diesen Produkten verbundenen Gesundheitsrisiken, und die Mehrheit (81 Prozent) der Anwenderinnen war sich mindestens einer schwerwiegenden systemischen Nebenwirkung bewusst.​ Ein Drittel (34 Prozent) erkannte das mögliche Vorhandensein toxischer Substanzen in manchen Formulierungen an, war aber im Vergleich zu Nichtanwenderinnen etwa viermal seltener bereit, konkrete Gefahren oder Komplikationen zu benennen.​ Die Forschenden sehen darin eine Diskrepanz zwischen Risikobewusstsein und tatsächlichem Verhalten und folgern, dass soziale Erwartungen und wahrgenommene Vorteile Sicherheitsbedenken überlagern können.​

Mütter, die selbst Hautaufhellungscremes nutzen, hatten ein 15-fach erhöhtes Risiko, diese auch bei ihren Kindern anzuwenden; die Wahrnehmung von heller Haut als attraktiver oder sozial vorteilhaft verdoppelte nahezu die Wahrscheinlichkeit einer frühen Exposition.​ Auch das Vorhandensein weiterer Familienmitglieder, die Hautaufhellung praktizieren, war mit einer Verdopplung der Wahrscheinlichkeit verbunden, dass ein Kind entsprechenden Produkten ausgesetzt wird.​

Selbstwert und soziale Akzeptanz

Die Forschenden betonen, dass die Praxis neben körperlichen Risiken auch „colouristische“ Ideale transportiert, bei denen helle Haut als Marker für Schönheit, Selbstwert und soziale Akzeptanz gilt.​ Eine frühe Verinnerlichung solcher Normen könne Selbstkonzept und Identität beeinträchtigen und intergenerationelle Zyklen von Unzufriedenheit mit dem eigenen Hautton, Stigmatisierung und gesundheitsschädlichen kosmetischen Praktiken verstärken.​

Nach Ansicht der Autoren birgt die doppelte Gefahr toxischer Exposition und früh internalisierter colouristischer Ideale erhebliche Public-Health-Relevanz. Reines Risikowissen könne durch kognitive Dissonanz in seiner Wirkung begrenzt sein.​

Gefordert werden politische Maßnahmen, die über individuelle Risikokommunikation hinausgehen, kulturelle Narrative und Normen adressieren und eine strengere Regulierung mit korrekter Kennzeichnung sowie Einschränkung gefährlicher Formulierungen vorsehen.​ Kultursensible Strategien – etwa die Integration von Aufklärung zu Hautgesundheit in Mutter-Kind-Gesundheitsdienste, die Nutzung von Impfterminen sowie die Einbindung vertrauenswürdiger Gemeindevertreter – könnten wirksame Ansatzpunkte für Verhaltensänderungen bieten.

Die Studie ist beobachtend angelegt und erlaubt daher keine Kausalaussagen. Die Autoren weisen zudem auf mögliche Erinnerungsverzerrungen und Unterberichterstattung aus Angst vor Stigmatisierung hin sowie darauf, dass ausschließlich Mütter befragt wurden.​ (ins)