Nikotinbeutel: Gefährlicher Trend unter Jugendlichen1. September 2025 Im Alter von 16 bis 17 Jahren haben schon rund 15 Prozent der Jungen und zehn Prozent der Mädchen Nikotinbeutel zumindest einmal ausprobiert. (Foto: © Andrey Popov – stock.adobe.com) Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland greifen zu Nikotinbeuteln. Obwohl diese Produkte in Deutschland nicht legal verkauft werden dürfen, sind sie für viele Jugendliche leicht zugänglich. Die Stiftung Kindergesundheit warnt eindringlich vor den gesundheitlichen Risiken und dem hohen Suchtpotenzial dieser vermeintlich harmlosen Beutel. Nikotinbeutel, auch als „Pouches“ oder „Snus“ bekannt, sind kleine, weiße Beutelchen, die zwischen Zahnfleisch und Oberlippe gelegt werden. Dort wird das enthaltene Nikotin über die Mundschleimhaut aufgenommen – schnell, diskret und wirksam. Optisch ähneln sie dem sogenannten Snus, einem oralen Tabakprodukt aus Schweden. Während Snus kleine Beutel mit Tabak und Nikotin enthält und in der EU (außer in Schweden) verboten ist, kommen die neuen Nikotinbeutel ohne Tabak aus. Stattdessen enthalten sie ein Pulver aus Nikotinsalzen, Aromen und Trägerstoffen, das über die Mundschleimhaut aufgenommen wird. Seit 2021 gelten sie in Deutschland als Lebensmittel und dürfen wegen ihres hohen Nikotingehalts nicht legal verkauft werden. Dennoch gelangen sie weiterhin über Kioske, Online-Shops oder den privaten Handel an Jugendliche. Ein wachsender Trend – Auch an deutschen Schulen Laut einer aktuellen Auswertung des Präventionsradars 2022/2023, einer schulbasierten Studie mit mehr als 12.000 Schülerinnen und Schülern der Klassen 5 bis 10, haben bereits 5,4 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen mindestens einmal einen Nikotinbeutel konsumiert – 6,3 Prozent der Jungen und 3,5 Prozent der Mädchen. Besonders auffällig: Im Alter von 16 bis 17 Jahren liegt die Lebenszeitprävalenz bereits bei 15,2 Prozent der Jungen und 10,3 Prozent der Mädchen. Nikotinbeutel seien damit kein Randphänomen mehr – trotz der Tatsache, dass ihr Verkauf in Deutschland nicht erlaubt ist, erklärte die Stiftung Kindergesundheit. Die Studie zeige zudem: Je niedriger der soziale Status und je höher die individuelle Risikobereitschaft, desto häufiger ist der Konsum. Mischkonsum mit anderen Produkten wie E-Zigaretten, Shishas oder klassischen Zigaretten sei weit verbreitet und nehme ab einem Alter von 13 Jahren deutlich zu. Vor allem in sozialen Netzwerken wie TikTok würden die Produkte als vermeintlich harmlose Alltagsbegleiter oder sogar als „Leistungsbooster“ beworben – oft von Influencern mit großer Reichweite. Auch an Schulen sei der Konsum bereits angekommen, warnt die Stiftung. Heimlich, still und schädlich Eltern und Lehrkräfte bemerken den Konsum oft nicht: Die Beutel sind klein, geruchlos und leicht zu verstecken – ganz anders als Zigaretten oder E-Zigaretten. Viele Erwachsene halten sie für Bonbons oder Kaugummi. Viele Jugendliche nehmen sie nicht als gefährliches Suchtmittel wahr, sondern als scheinbar harmlose, moderne Alternative zur Zigarette. Sie lassen sich diskret in den Schulalltag integrieren. Das Produktdesign wirkt bewusst unverfänglich: Die Dosen erinnern eher an Kaugummi oder Lippenbalsam als an ein gesundheitsgefährdendes Nikotinprodukt. Dabei kann schon ein einziger Beutel Schwindel, Übelkeit und sogar Ohnmacht verursachen. Bei regelmäßigem Konsum droht eine schnelle Nikotinabhängigkeit – mit möglichen Folgen für Herz, Kreislauf und Gehirnentwicklung. Viele Produkte enthalten hohe Nikotinmengen – bis zu 50 Milligramm pro Beutel, wie das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) berichtet. Zum Vergleich: Eine Zigarette enthält etwa acht bis 12 Milligramm Nikotin. „Nikotin ist ein stark wirksames Nervengift“, erklärt Prof. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Gerade im Jugendalter kann es die Entwicklung des Gehirns beeinträchtigen und das Risiko für eine lebenslange Nikotinabhängigkeit deutlich erhöhen.“ Über die langfristigen gesundheitlichen Folgen gibt es bislang kaum Daten. Fachleute warnen jedoch vor dem hohen Abhängigkeitspotenzial, möglichen krebserregenden Inhaltsstoffen sowie gesundheitlichen Schäden im Bereich von Mund, Rachen und Hals. Die Stiftung Kindergesundheit teilt diese Einschätzung. Verboten – Aber dennoch erhältlich Rechtlich dürfen tabakfreie Nikotinbeutel in Deutschland nicht verkauft werden. Sie fallen unter das Lebensmittelrecht und benötigen eine Zulassung, die bislang nicht vorliegt. Der Verkauf – auch in Kiosken oder Online-Shops – ist somit eigentlich verboten. Doch die Realität sieht anders aus: Bei Kontrollen finden Ordnungsämter immer wieder illegale Angebote in Spätis, Shisha-Läden oder im Internet. Die Stiftung Kindergesundheit empfiehlt Eltern, das Thema frühzeitig mit ihren Kindern zu besprechen und auf mögliche Warnzeichen wie häufige Übelkeit, Müdigkeit oder den plötzlichen Wunsch nach mehr „Konzentration“ oder „Energie“ zu achten. Neue Herausforderung für Prävention und Gesundheitsschutz Nikotinbeutel sind kein harmloser Lifestyle-Trend, sondern ein ernstzunehmendes Gesundheitsrisiko, besonders für Kinder und Jugendliche. Die Stiftung Kindergesundheit fordert eine konsequente Regulierung, mehr Kontrollen und vor allem: verstärkte Aufklärung für Familien, Schulen und das pädagogische Umfeld. „Je früher eine Nikotinsucht entsteht, desto eher verfestigt sie sich – mit allen negativen gesundheitlichen Folgen für das spätere Leben“, warnt Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Deshalb brauchen wir jetzt klare Botschaften, gute Präventionsangebote und eine aufmerksamere Gesellschaft.“
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